"Schlag ins Gesicht ukrainischer Sportler": IOC öffnet Tür für Russlands Rückkehr

SID
IOC, Thomas Bach, Russland
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Das IOC empfiehlt die Wiederzulassung russischer und belarussischer Athleten in den Weltsport - trotz heftiger Kritik. Die Entscheidung über die Spiele in Paris ließ Präsident Thomas Bach offen.

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Thomas Bach hat die Tür für Russlands Rückkehr in den Weltsport geöffnet, eine Entscheidung über die Teilnahme der russischen und belarussischen Athleten an den Olympischen Spielen in Paris jedoch vorerst vertagt.

Die IOC-Exekutive empfahl am Dienstag trotz heftiger Kritik den Weltverbänden, die Wiedereingliederung unter Bedingungen zu ermöglichen. Ausgeschlossen bleiben sollen Teams und Sportler, die dem Militär angehören. "Wir können keine Lösung bieten, die allen gefällt", sagte Präsident Bach in Lausanne.

"Die Entscheidung des IOC ist ein Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler. Sie haben die Solidarität des internationalen Sports verdient", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): "Es gibt keinerlei Grund für eine Rückkehr Russlands in den Weltsport. Putin führt seinen verbrecherischen Krieg weiter mit entsetzlicher Brutalität gegen die ukrainische Zivilbevölkerung."

Zu den IOC-Bedingungen zählen strikte Neutralität, die Einhaltung des Anti-Doping-Codes und der Nachweis, den Krieg nicht aktiv zu unterstützen. Ein Entscheid bezüglich der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 und den Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo 2026 werde "zu gegebener Zeit" getroffen, sagte Bach, ließ aber offen, wer darüber auf welcher Grundlage entscheidet - und auch, warum der Beschluss auf sich warten lässt.

EU: "Peinlichkeit für die internationale Welt des Sports"

Das IOC, daran hat Bach keinen Zweifel gelassen, beschäftigte sich nie mit der Frage, ob russische und belarussische Athletinnen und Athleten trotz des menschenverachtenden Angriffskriegs ihrer Regime auf die Sportbühne zurückkehren dürfen.

Es ging nur noch um das "Wie", um einen Weg, der zumindest den Anschein von Solidarität mit der Ukraine wahrt. Dafür verteidigte Bach verbissen den angeblich apolitischen Status des IOC und die Autonomie des Sports - gegen alle Kritik.

Die äußerten Demonstrierende zuletzt bei Bachs Auftritt in Essen oder vor der IOC-Zentrale in Lausanne. Das EU-Parlament bezeichnete die Pläne der Ringe-Organisation in einer Resolution als "Peinlichkeit für die internationale Welt des Sports", eine Gruppe von 35 Nationen - darunter der kommende Olympia-Gastgeber Frankreich - forderte das IOC auf, die vielbeschworene "Neutralität" zu definieren, die jedoch kaum nachhaltig zu gewährleisten, geschweige denn zu kontrollieren ist.

Noch am Montag forderten mehr als 320 Fechterinnen und Fechter die Herren der Ringe auf, "die von Ihnen empfohlenen Suspendierungen der russischen und belarussischen Fechtverbände und Nationalen Olympischen Komitees aufrechtzuerhalten". Ihr eigener Weltverband hatte den Bann in vorauseilendem Gehorsam gekippt.

"Dieser ungeheuerliche, einseitige Angriffskrieg und der Bruch des Olympischen Friedens dürfen nicht ignoriert oder gar gebilligt werden", stand in dem Brief. Und: "Die internationale Gemeinschaft ist sich vollkommen darüber im Klaren, dass im Fall der russischen und belarussischen Sportler*innen die Trennung zwischen Sport und Staat kaum vollzogen werden kann."

DOSB warnt eindringlich und fürchtet Propaganda

Das weiß auch DOSB-Präsident Thomas Weikert. "Das flächendeckende System des (russischen, d.Red.) Staats-Dopings hat ja gezeigt, wie sehr die politische Führung auf sportliche Erfolge dringt. Deshalb befürchten wir, dass die Teilnahme russischer Athleten an den Spielen in Paris zu Propaganda-Zwecken missbraucht werden würde", sagte er: "Dies zu verhindern, muss bei einer Zulassung oberstes Ziel sein."

Keine Fahne, keine Flagge, keine Hymne: Diese Sanktionen liefen schon bei den vergangenen Olympischen Spielen ins Leere. Die Umsetzung der Anti-Doping-Richtlinien ist in Kriegszeiten noch schwieriger zu kontrollieren als ohnehin, und welche Position Russlands Athletinnen und Athleten wirklich zum Krieg einnehmen, der in ihrer Heimat nicht einmal als Krieg bezeichnet werden darf, wird im Dunkeln bleiben.

Das IOC stützt sich auf eine angeblich "große Mehrheit" der Mitgliedsverbände und die Beratung von Sonderberichterstatterinnen der Vereinten Nationen, die sich gegen jegliche Form von Diskriminierung ausgesprochen hatten. Laut Bach hätten die UN-Vertreterinnen auch das vom DOSB in Auftrag gegebene Rechtsgutachten in ihre Überlegungen einbezogen, das "legitime Gründe" für einen Ausschluss sieht - auch "friedenspolitische".

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