Favorit Bach: Die Krönung seit Jahren im Blick

SID
Dr. Thomas Bach (r.) gilt als Favorit auf die Nachfolge von Jacques Rogge als IOC-Präsident
© getty

Thomas Bach kann am Dienstag erster deutscher IOC-Präsident werden. Es wäre die Krönung einer kometenhaften Karriere, in der er nichts dem Zufall überließ.

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Thomas Bach steht kurz vor dem Ziel. 32 Jahre nach seinem internationalen Durchbruch als Sport-Funktionär 1981 beim IOC-Kongress in Baden-Baden schickt sich der Magna-cum-laude-Doktor der Jurisprudenz aus Tauberbischofsheim am Dienstag an, erster deutscher "Herr der Ringe" und neunter Präsident des Internationalen Olympischen Komitees zu werden.

Seine Befürworter halten ihn für einen brillanten Kopf und Wohltäter des Sports, seine Kritiker für einen berechnenden Karrieristen und Machtpolitiker, der seinem großen Ziel seit Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten alles unterordnet. So oder so: Thomas Bach geht als großer Favorit ins Rennen um die Nachfolge des Belgiers Jacques Rogge.

Bach hofft, dass es reicht

"Natürlich ist Anspannung da. Ich habe mich auf diese Wahl wie früher als Athlet auf einen Wettkampf vorbereitet. Die Form stimmt", sagte Bach im SID-Interview in Buenos Aires: "Ob es am Tag der Entscheidung aber reichen wird, weiß man nie mit Gewissheit. Ich hoffe es natürlich."

Mit dem Prinzip Hoffnung hat sich der 59-Jährige im Verlauf seiner kometenhaften Karriere selten abgefunden. Als Florettfechter war er bekannt für seine intelligente Kampfführung und wurde mit der Mannschaft 1976 in Montreal Olympiasieger. Fünf Jahre später betrat er die große Bühne der Sportpolitik.

Bach 1981 in der ersten IOC-Athletenkommission

Juan Antonio Samaranch war gerade im zweiten Jahr seiner IOC-Präsidentschaft, als der Ringebund nach den Boykottspielen von Moskau in Baden-Baden die Scherben aufsammeln wollte. Bach gehörte damals der legendären ersten IOC-Athletenkommission an, die mächtig auf den Putz haute und die altgedienten Funktionärsriegen aus Ost und West mit jeder Menge Selbstbewusstsein und der Forderung nach lebenslangen Dopingsperren aufschreckte.

Zu jener Zeit gingen Bach, der vier Sprachen fließend spricht, bedeutungsschwere Aussagen noch leicht über die Lippen. "Der mündige Sportler entspricht der Vorstellung vom demokratischen Menschenbild", sagte er Mitte der Achtziger: "Einerseits ist er ein autonomes Individuum mit dem Drang zur Selbstverwirklichung durch Leistung, andererseits erfährt und erkennt er seine Verantwortung in der Gemeinschaft." Der Drang nach Selbstverwirklichung, meinen seine Kritiker, bestimmt sein Handeln mittlerweile weitaus mehr.

Seit 1991 im IOC

Nichts konnte seine Karriere stoppen. 1991 kam er ins IOC, 1996 in die Exekutive, 2000 wurde er zum Vizepräsidenten gewählt und bis heute mit traumhaften Wahlergebnissen im Amt bestätigt. Er lenkte den großen IOC-Bestechungsskandal vor den Spielen von Salt Lake City geschickt aus dem Licht der Öffentlichkeit und gab sich als Leiter der juristischen Kommission immer als strikter Kämpfer gegen Doping.

2006 wurde er erster Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dem er am Dienstag als IOC-Präsident den Rücken kehren will. Es gibt Funktionäre in großen deutschen Fachverbänden, die meinen, gedanklich habe Bach den DOSB schon vor langer Zeit hinter sich gelassen.

Kritik an Bachs Allianz mit Scheich al-Sabah

Seine vielfältigen Kontakte brachten ihn bis kurz vor "seiner" Wahl am Dienstag immer wieder in Bedrängnis. Seine Allianz mit dem einflussreichen IOC-Mitglied Scheich Ahmad al-Sabah veranlasste Bachs Schweizer Wahlkonkurrenten Denis Oswald sogar zu einem Frontalangriff.

"Ich möchte einen unabhängigen Kandidaten, der nicht auf bestimmte Allianzen angewiesen ist und der seine Position für nichts anderes nutzt als zum Wohle des Sports."

Doch grundsätzlich steht Bach nach zahlreichen Finten und Paraden, zumindest offiziell, nun als Saubermann vor seiner Krönung. Zuletzt geriet er wegen seiner zögerlichen Haltung im Anti-Doping-Kampf und seiner umstrittenen Präsidentschaft in der deutsch-arabischen Handelsgruppe Ghorfa vermehrt unter Beschuss.

Die Grünen hievten dieses Engagement des FDP-Mitglieds Bach sogar auf die politische Bühne. Und nicht nur sie argwöhnen, dass die Darstellung des Multifunktionärs, von so ziemlich allen Skandalen um Doping und Korruption im IOC nie etwas mitbekommen zu haben, unglaubwürdig ist.

Merkel, Nowitzki und Beckenbauer loben Bach

Sei's drum. Die Regierung Merkel steht an seiner Seite, ebenso Schwergewichte des deutschen Sports wie Franz Beckenbauer, Wolfgang Niersbach oder Dirk Nowitzki. Sie alle loben ihn als verlässlichen Partner, als Kämpfer für das Wohl des Sports.

Wie passt das zusammen? Wer ist Thomas Bach? Der kalt kalkulierende Funktionär, der den Bundesverband Deutscher Gewichtheber im vergangenen Jahr im Kampf gegen den zwielichtigen Weltverbandschef Tamas Aján im Stich ließ, weil dieser international zu gut vernetzt ist? Oder der warmherzige Menschenfreund, der 2011 nach Abschluss der IOC-Session in Durban abseits aller Kameras auf einer Party der freiwilligen Helfer auftauchte, um sich zu bedanken? Vielleicht offenbart Bach Antworten, wenn er sein großes Ziel erreicht hat.

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