Biathlon - Simon Schempp im Interview: "Fenster im Treppenhaus bei Olympia waren sogar innen zugefroren"

Simon Schempp und Martin Fourcade verbindet eine Freundschaft.
© getty

Simon Schempp hat als einer der erfolgreichsten deutschen Biathleten Ende Januar 2021 seinen Rücktritt verkündet. Nach seinem Karriereende widmet er sich nun einem dualen Studium beim Deutschen Skiverband und hat darüber hinaus seine Biografie geschrieben.

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Im Interview mit SPOX spricht er über die kuriosen Umstände bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang, über unterschiedliche Trainingsauffassungen und seine Erfolge im Biathlon.

Außerdem gibt er Einblicke in die Freundschaft zu seinem größten Konkurrenten Martin Fourcade, der unter anderem das Vorwort zu seinem Buch "Zieleinlauf" (Riva Verlag, seit dem 14. Dezember im Handel) geschrieben hat.

Herr Schempp, wie schlimm waren für Sie die ersten Rennen nach Ihrem Rücktritt im Frühjahr dieses Jahres als Biathlon-Rentner?

Simon Schempp: Überhaupt nicht schlimm. Ich habe es genossen, die Wettkämpfe anzuschauen. Ich fiebere mit dem deutschen Team und natürlich hauptsächlich mit der Franzi (Lebensgefährtin Franziska Preuß, Anm. d. Red.) mit. Da bin ich selbstverständlich sehr nahe dran (lacht).

Unterstützen Sie Ihre Freundin auch vor Ort?

Schempp: Eventuell werde ich bei den deutschen Weltcup-Stationen in Oberhof und Ruhpolding vor Ort sein. Das hängt aber natürlich von der Pandemie-Lage ab. Bei den Olympischen Spielen in Peking bin ich nicht mit dabei.

Stichwort Olympia: Sie sind knapp ein Jahr vor den Winterspielen in Peking vom Profisport zurückgetreten. Hat die Aussicht auf Olympische Spiele in China vor wahrscheinlich leeren Rängen dabei auch eine Rolle gespielt?

Schempp: Nein, überhaupt nicht. Da gab es andere Gründe dafür, allen voran meine hartnäckigen Rückenbeschwerden. Aber bezüglich Olympia würde ich mir schon wünschen, dass es an anderen Orten stattfindet. Dort wo der Wintersport zuhause ist, wo die Leute die Faszination für den Wintersport leben, wo es - abgesehen von Corona - volle Stadien gibt. Das wäre natürlich mein Wunsch, keine Frage.

Biathlon: Simon Schempp im Steckbrief

Geburtstag14.11.1988
GeburtsortMutlangen / Baden-Württemberg
Größe179 cm
Karriereende28. Januar 2021
Weltcup-Siege18 (5 im Sprint, 4 in der Verfolgung, 3 im Massenstart, 6 in der Staffel)
Olympische Medaillen2x Silber (Massenstart 2018, Staffel 2018); 1x Bronze (Staffel 2014)
WM-Medaillen4x Gold (Mixed Staffel 2010, Staffel 2015, Mixed Staffel 2017, Massenstart 2017); 2x Silber (Mixed Staffel 2016, Staffel 2016); 2x Bronze (Staffel 2012, Staffel 2013)

Sie selbst waren dreimal bei Olympischen Spielen dabei. 2018 erlebten Sie zudem Spiele in Asien. Dort herrschten aber widrige Umstände vor, wie Sie in Ihrem Buch beschreiben.

Schempp: Die Unterkunft und die Mensa waren, sagen wir mal, nicht ganz getroffen. Wir waren zu sechst in einem Apartment. In diesem war theoretisch auch eine Küche eingebaut, nur durften beziehungsweise konnten wir diese gar nicht benutzen. Denn die gesamte Küche war mit Plastikplatten überzogen. Ebenso war im Zimmer jede Kante der Möbel mit Plastik abgehängt, damit auf keinem Fall etwas beschädigt wird. Zumindest in unserem Zimmer war es warm, im ganzen Haus dagegen war es sonst recht kalt. Die Fenster im Treppenhaus waren beispielsweise bis zum vorletzten Tag sogar innen zugefroren.

Aber nicht nur in Ihrer Etage war es zugig.

Schempp: Nein, auch in der Mensa. Dort musste man oftmals mit seiner Winterjacke und Mütze sitzen, weil dort so ein Durchzug herrschte. Bevor wir irgendeinen Tisch belegt haben, haben wir die Serviette hochgehalten und geschaut, wo der geringste Zug ist. Dort hat man sich dann hingesetzt.

Die Unterbringung war also Olympischer Spiele nicht würdig?

Schempp: Sagen wir so: Unter anderen Bedingungen wäre es sicher schöner gewesen.

Biathlon - Schempp: "Will sich vor Ort mit solchen Dingen nicht beschäftigen"

Haben Sie als Athleten dann dies angesprochen oder gegen diese Unterbringung protestiert?

Schempp: Wenn man vor Ort ist, will man sich mit solchen Dingen nicht beschäftigen. Wir sind Sportler, wir sind rein für den Sport da. Wir haben uns über Jahre hinweg auf dieses Großereignis vorbereitet. Olympia ist einfach unser Highlight. Hinzu kommt das eng getaktete Wettkampfprogramm. Man hat in den zwei Wochen jeden zweiten Tag einen Wettkampf. Dadurch will man eigentlich nur diese bestreiten, trainieren, essen oder im Bett liegen. Allzu viel Zeit bleibt für andere Sachen einfach nicht, vor allem nicht für anderweitige Baustellen. Dadurch denkt man nicht daran, dagegen vorzugehen.

Aus sportlicher Sicht lief es zum Abschluss mit Silber im Massenstart sowie Bronze in der Staffel dann doch noch sehr gut.

Schempp: Darüber war die Freude natürlich enorm. Wenn du mit zwei olympischen Medaillen heimfährst, bist du als normaler Mensch sehr zufrieden.

War es dann unter diesen besonderen Umständen dort überhaupt möglich, diese Erfolge zu feiern?

Schempp: Ja, wir hatten das Deutsche Haus, in dem wir uns zusammengesetzt und gefeiert haben. Dort haben wir die ganzen Spiele dann Revue passieren lassen. Es war am Ende ein sehr schöner Abend.

Grundsätzlich sind große Partys nach Erfolgen im Biathlon sowieso schwierig, richtig?

Schempp: Das gibt es bei uns Biathleten wirklich gar nicht. Es gibt eigentlich nur eine richtige Party im Jahr. Das ist die nach dem letzten Weltcuprennen der Saison. Unter der Saison ist alles extrem professionell. In der heutigen Zeit zählt jede Kleinigkeit. Da will sich kein Sportler irgendetwas leisten.

Nicht mal nach ihrem größten Erfolg, dem Weltmeistertitel im Massenstart 2017 in Hochfilzen, gab es eine Fete. Stattdessen standen Sie zunächst eigentlich fast alleine im Hotel.

Schempp: Nach dem Rennen standen für mich noch Interviews, eine Pressekonferenz und eine Dopingkontrolle an. Dann habe ich mich noch in einer kleinen Gaststätte mit meinen Eltern getroffen. Bis du dann überhaupt zurück ins Hotel kommst, ist es ziemlich spät. Da es der letzte Tag war, wollte auch jeder nach Hause fahren. Wir waren zu dem Zeitpunkt inklusive der Vorbereitung 3,5 Wochen unterwegs. Da treibt es natürlich jedem heim. Ich habe dann zu Abend gegessen und bin dann selbst nach Ruhpolding heimgefahren. Da habe ich mir gedacht: Einfach so ins Bett gehen, kannst du jetzt auch nicht. Etwas Größeres wollte ich aber auch nicht machen. Am Ende bin ich bei meinem ehemaligen Trainer Fritz Fischer gelandet. Er war ein langjähriger Begleiter von mir und über die Jahre und wurde er ein guter Freund, mit dem ich mich dann für den Abend verabredet habe.

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