Zurück in der Realität

Von Alice Jo Tietje
Für Tina Maze läuft es in diesem Winter noch nicht optimal
© getty

Gesamtweltcup, Punkterekord, WM-Gold: Tina Maze dominierte den Ski-Zirkus im letzten Jahr fast nach Belieben. Doch ausgerechnet im Olympischen Winter sucht die Slowenin nach ihrer Form - auch wegen eines fehlenden Puzzleteils.

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"Dieses Resultat habe ich gebraucht. Es zeigt mir und der Konkurrenz, dass ich weiter gut fahren kann." Tina Mazes Erleichterung war deutlich zu spüren, als sie nach ihrem dritten Platz beim Riesenslalom in St. Moritz vor die Mikrofone trat. Noch vor einem Jahr wäre ihre Reaktion auf den niedrigsten der drei Podestplätze wohl noch ein bisschen anders ausgefallen.

Doch Maze ist nach ihrem Traumwinter wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt. Nur drei Mal stand sie in den ersten 13 Rennen auf dem Podium. Zu wenig für eine amtierende Gesamtweltcupsiegerin. Vor allem aber zu wenig für Maze, die im Februar eine Olympische Medaille anpeilt.

"Ich habe einfach nicht das gleiche Gefühl wie im Vorjahr", erklärte Maze ihre aktuelle Verfassung, "die Schwünge sind anders und ich habe zu wenig Selbstvertrauen. Ich muss an mich glauben, um 100 Prozent geben zu können und das habe ich nicht. Das war nicht nur ein kleiner Unterschied zum letzten Jahr."

Trainer verabschiedet sich aus dem Team

Doch wo ist die Dominanz hin? Es mag eine gewisse Sättigung eingesetzt haben, doch der eigentlich Grund für Mazes Schwächephase ist ein anderer. Im Sommer kündigte Livio Magoni, der für Mazes Skitraining verantwortlich war, seinen Abschied an. Ein herber Verlust für die 30-Jährige, die mit Veränderungen im Allgemeinen sehr schwer zurechtkommt.

Vor fünf Jahren hatte sich Maze vom slowenischen Verband gelöst und ihr eigenes Team "aMaze" rund um ihren Coach und Lebensgefährten Andrea Massi gegründet. Dabei legte die eigenwillige Athletin wert, nur wenige Personen, denen sie vertrauen kann, um sich zu schüren. "Zum besten Team der Welt", wie Maze es einst nannte, gehörte im Laufe der Jahre auch Magoni.

Doch dem Italiener ereilte der Ruf aus der Heimat. Er wollte näher bei seiner Familie sein und entschied sich, für das italienische Frauen-Team zu arbeiten. Zwar konnte man mit Walter Ronconi, dem früheren Coach von Massimiliano Blardone, schnell einen Nachfolger finden, dennoch hat Maze zu kämpfen, wie sie in ihrem Blog offenbarte: "Beziehungen sind die Grundlage für den Erfolg. Beziehungen sind die Essenz des Lebens. Ich habe nicht gerne viele Leute um mich herum, aber die, die es sind, schätze und respektiere ich umso mehr".

Der Fünfjahresplan

Maze weiß, wovon sie spricht. Erst mit der Gründung ihres Teams kamen die lang ersehnten Erfolge sowie die notwendige Konstanz. Zwar zeigte sich bereits früh, dass aus dem kleinen Mädchen eine gute Fahrerin werden kann. Doch bis auf Erfolge in Jugendjahren musste Maze lange warten, bis sie ihren Durchbruch im Weltcup schaffte.

Erst als sie sich 2008 entschied, gemeinsam mit Konditionstrainer Massi ihr eigenes Team zu gründen und sich vom slowenischen Skiverband zu lösen, schöpfte sie ihr komplettes Potential aus. Das Team rund um Massi und Magoni entwickelte ein langfristiges Trainingskonzept, das Maze an die Spitze führen sollte.

Ein Fünfjahresplan wurde gebastelt und das individuelle Training genau geplant. So begründete Massi die Entscheidung, dass der Skisport immer noch einer für Individualisten sei, und erklärte: "Es kann nicht funktionieren, wenn eine Tina Maze das gleiche Trainingsprogramm abspulen muss wie die Nummer 35 im Team."

Maze beschrieb ihre neue gewonnen Stärke einmal so: "Sport heißt, dass du Grenzen auslotest und das Limit nach oben drücken muss. Es ist nicht nur ein Jahr Arbeit, das diesen Erfolg bringt. Man braucht viel Training, auch viel Talent."

One-Woman-Show

Maze hatte beides. Mit zwei Silbermedaillen im Super G und dem Riesenslalom bei den Olympischen Spiele 2010 sowie der WM-Goldmedaille im darauffolgenden Jahr setzte Maze die ersten Ausrufezeichen. Fast schon Kleinigkeiten, wenn man bedenkt, was noch folgen sollte.

Vor der Saison 2012/13 rechneten die meisten Experten mit einem Dreikampf zwischen Lindsey Vonn, Maria Höfl-Riesch und Tina Maze. Doch es sollte fast ausnahmslos eine One-Man-Show werden. Oder besser gesagt: eine One-Woman-Show.

Gleich das erste Rennen konnte Maze für sich entscheiden und setzte sich damit an die Spitze des Gesamtweltcups. Dort blieb sie bis zum Ende der Saison. Die Konkurrenz merkte schnell, dass es schwierig werden würde, Maze in dieser Saison noch zu schlagen. "Das gab es überhaupt noch nie, dass jemand so stark und konstant von Anfang bis Ende der Saison fährt", hatte Höfl-Riesch neidlos anerkennen müssen.

Die Unterwäsche

Auch ihr Trainer zeigte sich beeindruckt. "Ich habe immer gewusst, dass Tina sehr stark sein kann. Dass sie so stark wird, hätte ich aber nicht gedacht", erklärte Massi. Es wurde zu einem Winter auf der Jagd nach Rekorden.

Die Schlagzeilen gehörten aber nicht nur deswegen der Slowenin. Schmuckdesignerin, Sängerin, Model - das Multitalent ließ sich perfekt vermarkten. Den Mund ließ sich Maze trotzdem nicht verbieten.

Im Januar sorgte sie für Aufsehen, als sie angeblich nicht regelkonforme Unterwäsche getragen hatte und der Schweizer Verband Protest eingelegt hatte. Daraufhin hatte Maze beim nächsten Rennen Interviews in Unterwäsche gegeben, die mit dem Schriftzug "Not your business" versehen waren.

Maiers Punkterekord

Es sollte nicht mehr als ein kleiner Nebenkriegsschauplatz sein. Als sie im März den Punkterekord des legendären Hermann Maier brach, war sie endgültig auf dem Gipfel angekommen. Man war schon geneigt, sie als Topfavoritin für jeden Wettbewerb bei Olympia zu deklarieren. Fast zwölf Monate vor den Spielen in Sotschi.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Im Vergleich zum Vorjahr fehlt Maze vor allem die Konstanz. In den Technik-Disziplinen gelingt ihr meist nur ein guter Lauf, während sie im anderen einen Schnitzer einbaut. Man hat den Eindruck, das nicht nur Magoni sie verließ, sondern auch der Erfolg - trotz der Erleichterung in St. Moritz.

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