"Lindsey Vonn hat mich auf den Mund geküsst"

Von Interview: Christian Bernhard
Ski-Alpin-Legende Alberto Tomba macht auch heute noch eine sehr gute Figur auf den Skiern
© Francesco Panunzio – Milano

Der Italiener Alberto Tomba ist nicht nur einer der erfolgreichsten Ski-Stars aller Zeiten, sondern auch einer der größten Sport-Entertainer der Geschichte. Im Interview spricht der 44-Jährige über seine wilde Karriere, die legendärsten Duelle, einen Kuss von Lindsey Vonn, die WM in Garmisch und seinen Nachfolger.

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SPOX: Herr Tomba, am Donnerstag beginnen bei der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen die technischen Disziplinen. Welche Erinnerungen haben Sie an den WM-Ort?

Alberto Tomba: Sehr gute. Ich habe dort dreimal gewonnen, zwei Weltcupslaloms und einen Parallelslalom an Weihnachten 1991. Die Skisprungschanze und die vielen Fans sind mir in guter Erinnerung geblieben.

SPOX: Sie waren Ende der 80er bis in die späten 90er Jahre das Maß aller Dinge in Slalom und Riesentorlauf. Was hat sich zwischen Ihrer Zeit und heute am meisten verändert?

Tomba: Zu meiner Zeit waren das ganze Drumherum und die Atmosphäre schön, heute ist vieles anders. Das Material, die Technik, der Fahrstil... Außerdem gibt es bei weitem nicht mehr so viele Fans wie zu meiner Zeit.

SPOX: Woran liegt das?

Tomba: Auch zu meiner Zeit herrschte große Rivalität unter uns Fahrern, aber ich habe die Leute immer zum Lachen gebracht. Das war schön. Der mediale Druck auf mich war allerdings riesig, ich wurde auf Schritt und Tritt verfolgt. Sie glauben gar nicht, was über mich alles in Umlauf gebracht worden ist. Die Zeitungen haben sich durch mich verkauft, Alberto Tomba hat Auflage gemacht. Es war nicht einfach, alles im Griff zu haben. Diese 20 Jahre in Italien waren wie 100 Jahre in einem anderen Land.

SPOX: Ihr Stern ging 1984 bei einem Parallelslalom inmitten von Mailand auf.

Tomba: Ja, es war der 23. Dezember. Das Rennen fand in einem Park gleich neben dem San-Siro-Stadion statt. Ich habe damals als Jungspund alle italienischen Topfahrer geschlagen, dieser Erfolg hat mir großen Auftrieb für meine Karriere gegeben. Die 'Gazzetta dello Sport' schrieb damals: 'Ein Junge aus Bologna narrt die Topleute' - nicht einmal meinen Namen haben sie genannt.

SPOX: Das hat sich schnell geändert.

Tomba: Im Jahr darauf habe ich einige Europacuprennen gewonnen und 1986 folgten die ersten Siege im Weltcup. Dann ging es so richtig los.

SPOX: Im Januar fand in München ein Weltcup-Parallelslalom statt. Gefallen Ihnen die Rennen in den Großstädten?

Tomba: Und wie, diese Idee hatte ich bereits zu meiner aktiven Zeit. Wir brauchen Nachtrennen! 1994 gewann ich den ersten Nachtslalom in Sestriere, dann kam Schladming dazu. Rennen mit 40.000 Zuschauern und mehr sind super. Die Weltcuprennen gehören einfach nach Europa. Garmisch, Alta Badia, Kitzbühel, Schladming - das sind die Skiorte. Der Weltcup ist nicht Nordamerika oder Asien. Er ist Europa.

SPOX: Was fällt Ihnen spontan zu Frank Wörndl und Calgary 1988 ein?

Tomba: (lacht) Oh, Frank. Kennen Sie ihn?

SPOX: Leider nicht, aber sie dürften sich noch gut an den Olympia-Slalom erinnern.

Tomba: Da hat sich jemand gut vorbereitet!

SPOX: Aber klar.

Tomba: Wissen Sie auch, wie viele Hundertstelsekunden Rückstand Frank im Slalom auf mich hatte?

SPOX: Sechs müssten es gewesen sein.

Tomba: Richtig. Frank hat 1987 den WM-Slalom in Crans Montana gewonnen, deshalb kam es in Calgary zum großen Duell zwischen uns beiden. Nach dem ersten Durchgang hat er geführt, ich lag auf Platz drei. Dann hab ich meine Aufholjagd gestartet und mir den ersten Olympia-Titel geschnappt. Letztes Jahr bin ich übrigens nach 22 Jahren erstmals wieder auf die Pisten in Calgary zurückgekehrt und habe Filmaufnahmen gedreht. Das war sehr berührend.

SPOX: Stehen Sie noch in Kontakt mit Wörndl?

Tomba: Wir sehen uns ab und an. Durch dieses Rennen ist immer etwas da, was uns verbindet. Frank ist ein netter Typ.

SPOX: Heute scheinen dem Ski-Sport die Typen auszugehen. Bode Miller und Didier Cuche sind solche, dann wird es aber dünn. Wieso gibt es heute keine Persönlichkeiten mehr wie Sie?

Tomba: Wissen Sie, ich war immer schon so. Keiner hat mir gesagt: 'Tu das, tu jenes oder sei witzig.' Ich war und bin einfach so. Durch meinen Charakter habe ich die Leute auch unterhalten, wenn ich verloren habe. Ich nahm mir immer für die Menschen Zeit und habe viel gescherzt. Für mich war das alles ein großes Spiel, das ich mit viel Liebe betrieben habe. Wenn es ums Trainieren ging, war ich voll konzentriert, ansonsten aber war ich relaxed und nicht so verspannt, wie viele andere Fahrer.

SPOX: Dabei bräuchte der alpine Skisport gerade heute doch Typen wie Sie.

Tomba: Si, aber das ist nicht so einfach.

SPOX: Taugt Ihnen Bode Miller?

Tomba: Ja, Bode ist ein lässiger Typ. Wir wurden immer wieder mal miteinander verglichen, aber jeder von uns hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Art. Außerdem sind die Zeiten einfach grundsätzlich verschieden.

SPOX: Wer hat das Zeug zum neuen Tomba?

Tomba: Da fällt oft der Name von Olympiasieger Giuliano Razzoli, der nur 60 Kilometer von mir entfernt in der Emilia Romagna lebt. Er ist allerdings schon 26 Jahre alt und muss dafür weitere Triumphe einfahren. Einige haben nach seinem Sieg in Vancouver schon gesagt, er sei mein Nachfolger. Aber er muss weiter erfolgreich fahren und noch konstanter werden. Außerdem ist er blond und hat hellblaue Augen, ich hingegen habe dunkle Augen und schwarze Haare. (lacht) Er ist ein Mann des Nordens und schaut aus wie ein Skandinavier.

SPOX: Lindsey Vonn und Julia Mancuso haben in dieser Saison mit sexy Fotos für Furore gesorgt. Was sagen Sie zu den Aufnahmen?

Tomba: Ein paar Fotos von Julia habe ich gesehen. Wenn man so einen schönen Körper hat, wie sie ihn haben, kann man das machen! Vielleicht haben sie es auch gemacht, um auf den Skisport aufmerksam zu machen. Die Amerikaner sind eben ein lässiges Völkchen, sie lieben es, von sich reden zu machen. Klar ist aber auch: Das Ding verkauft sich nur, wenn du erfolgreich bist. Fehlen die Siege, dann nicht. Übrigens: Lindsey hat mich bereits geküsst.

SPOX: Wie bitte?

Tomba: Vor fünf oder sechs Jahren habe ich bei den Damenrennen in Cortina die Siegerehrung vorgenommen. Als ich Lindsey die obligatorischen Küsschen auf die Wange geben wollte, hat sie mich schön auf den Mund geküsst. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da war ich ganz schön baff.

Teil 2: Tomba über legendäre Partys, Becker und Neureuthers WM-Chancen