"Mit Maria ist in jedem Rennen zu rechnen"

Von Interview: Christian Bernhard
Cheftrainer Thomas Stauffer führt die DSV-Damen in die Heim-WM-Saison
© Imago

Thomas Stauffer hat das schwere Erbe von Mathias Berthold als Cheftrainer der deutschen Alpin-Damen angetreten, übernimmt aber gleichzeitig ein perfekt funktionierendes Team. Im Interview spricht der Schweizer über Maria Riesch, Viktoria Rebensburgs Fahrstil und die Heim-WM in Garmisch.

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SPOX: Herr Stauffer, Sie haben ein sehr schweres Erbe angetreten. Ihr Vorgänger Mathias Berthold hat jahrelang sehr erfolgreich mit den deutschen Damen gearbeitet und sie vergangene Saison zu drei olympischen Goldmedaillen geführt.

Thomas Stauffer: Klar ist mir das bewusst, aber es ist auch ein großer Reiz. Und man darf eines nicht vergessen: Das System steht ja und die Planung ist langfristig ausgelegt, das alles steht und fällt nicht mit einer Person. Die Trainer sind die gleichen, die Führung ebenfalls -  da wird also schon eine langfristige Strategie und Zielsetzung verfolgt.

SPOX: Sie haben zuvor in den USA und Schweden gearbeitet. Worin bestehen die größten Unterschiede zu ihren bisherigen Jobs?

Stauffer: Die Strukturen sind unterschiedlich, jeder Verband ist anders aufgestellt. In Schweden z.B. ist alles viel kleiner, da läuft alles auf privater Basis, ohne öffentliche Gelder. In den USA spielt Privatsponsoring eine große Rolle. Ich habe mich gut eingearbeitet. Sportlich war es keine große Umstellung. Jeder weiß hier, was er zu machen hat, um auf diesem Niveau zu bestehen.

SPOX: Sie und Ihre Athletinnen stehen mit der Heim-WM in Garmisch vor einer besonderen Saison: Bereitet man sich da anders vor?

Stauffer: In der Tat, das ist keine Saison wie jede andere. Auf der anderen Seite kann man auch nicht alles auf die WM auslegen. Der Weltcup ist die Basis, dort muss man die Resultate einfahren, um mit Selbstvertrauen in die WM zu gehen. Dass die Athleten gut genug sind, haben sie bewiesen. Jetzt ist wichtig, dass wir die Startpositionen halten, in der ersten Gruppe, in den Top 7. In der Abfahrt müssen wir als Team vielleicht noch ein bisschen nach vorne kommen.

SPOX: Andere Nationen haben im Sommer Eure Trainingseinheiten gefilmt. Eine tolle Bestätigung für die Arbeit des DSV.

Stauffer: Schon. Aber wenn wir wissen, dass beispielsweise Marlies Schild oder Lindsey Vonn in der Nähe trainieren, dann schauen wir uns das auch an und machen uns schlau. Ein Beispiel: Lindsey und ihre Herrenski wurden so thematisiert und auch von uns ausprobiert.

SPOX: Für Maria Riesch war das allerdings kein Thema.

Stauffer: Die Skientwicklung geht sowieso in eine andere Richtung. Die Damenski werden ein bisschen länger, allerdings nicht so lang, wie die der Männer. Und die Herrendimensionen werden etwas zurückgesetzt.

SPOX: Maria Riesch ist das DSV-Zugpferd und steht medial sehr im Fokus. Was für einen Eindruck macht sie auf Sie?

Riesch: Sie ist locker. Maria weiß, was sie kann und woran sie arbeiten muss. Ich denke, dass mit ihr in jedem Rennen zu rechnen ist. Ihr Saisonstart war gut, sie war selbst ein bisschen überrascht, wie gut es in Sölden gelaufen ist. Die größte Herausforderung wird sein, bei all der Reiserei und den vielen Rennen, auch mal zur Ruhe zu kommen.

SPOX: Stichwort Gesamtweltcup: Letztes Jahr hat Riesch im Super G zu wenig gepunktet. Wurde daran im Sommer gearbeitet?

Stauffer: Ja, wir haben dem durch die zwei Wochen Speed-Training in Chile schon entgegengewirkt. Sölden war ein guter Einstieg, jetzt müssen wir schauen, dass wir bis Weihnachten vorne dabei sind. Ein großer Rückstand an Weihnachten ist erfahrungsgemäß nur schwer aufzuholen.

SPOX: Kam die Anregung, einen größeren Fokus auf den Super G zu legen, von Riesch oder vom Trainerteam?

Stauffer: Da waren beide Seiten involviert. Ich habe mich bei meiner Ankunft mit den Trainern über jede einzelne Läuferin unterhalten. Die Trainer haben gesagt, dass das Speed-Training vielleicht ein bisschen vernachlässigt wurde und es war Marias Wunsch, einen Speedblock zu machen. Ich glaube, das war eine gute Entscheidung, denn es hat gut funktioniert.

SPOX: Den ersten Sieg der Saison hat Viktoria Rebensburg gleich beim Auftakt-Rennen in Sölden eingefahren. Haben Sie damit gerechnet?

Stauffer: Ich habe immer gesagt: Wir haben drei Läuferinnen in den ersten Sieben der Weltrangliste und wollen diese Platzierungen in etwa bestätigen. Bei Viktoria haben wir gesehen, dass sie gut fährt. Nur was die Konstanz angeht, waren wir uns nicht ganz sicher. Zuletzt wurde sie im Training aber immer konstanter und wir wussten, dass sie vorne mitfahren wird. Um zu gewinnen, muss dann auch die Tagesform passen.

SPOX: Sie sagten kürzlich, Rebensburg sei stabiler geworden. Wie drückt sich das aus?

Stauffer: Sie macht einfach weniger Fehler. Das hat sich schon im Training abgezeichnet.

SPOX: Ihre powervolle und etwas ungestüme Fahrweise, die ihr den Spitznamen Bode eingebracht hat, nehmen Sie ihr aber nicht?

Stauffer: Klar schauen wir, dass man sie ihrer Qualitäten nicht beraubt. Sie ist schnell, ihre Grundgeschwindigkeit ist sehr gut. Jetzt arbeiten wir daran, dass sie das auf einem konstanten Niveau bringen kann.

SPOX: Ihre Läuferinnen loben immer wieder Ihre kommunikative Art. Ist das Ihre große Stärke?

Stauffer: Eigentlich ist sie das nicht (lacht). Schauen Sie: Das sind Topathleten mit langjähriger Erfahrung. Wenn wir die Planungen machen, beziehen wir ihre Gedanken und Gefühle mit ein. Da fragen wir sie: 'Was denkst du darüber? War das gut?' Das lassen wir dann in unsere Entscheidungen mit einfließen. Ich finde das ganz normal und vor allen Dingen auch richtig, denn am Hang steht der Athlet allein. Zwischen Start und Ziel ist er auf sich allein gestellt und schlussendlich ist er selber verantwortlich für seine Erfolge - oder eben Nicht-Erfolge. Da kann man nicht mehr so viel dazutun.

SPOX: Ihre Läuferinnen hatten nach den Olympia-Erfolgen einen turbulenten Sommer und wenig Pause. Jetzt steht gleich die nächste Highlight-Saison an. Macht man sich da als Trainer Sorgen? Stichwort: Mentale Müdigkeit.

Stauffer: Das ist von Athletin zu Athletin verschieden, einige haben mehr Medientermine, einige weniger. Um den Kopf frei zu bekommen, waren wir nach der vergangenen Saison zehn Wochen weg vom Schnee. Das hat sich schon in Schweden bewährt.

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