Gefährliche Flugshow in Planica

SID
Die Sprungschanze in Planica ist Austragungsort der Skiflug-WM
© Getty

Es geht um Medaillen, aber es geht vor allem um Menschenleben: Die Skiflug-Weltmeisterschaft auf der größten Schanze der Welt wird von massiven Sicherheitsbedenken überschattet.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Einige Springer wollen ab Donnerstag in Planica angeblich eine gefährliche Kopie der Wunderbindung einsetzen, mit der Überflieger Simon Ammann in Whistler überlegen sein Olympiagold Nummer drei und vier gewann.

"Diese Bindungen sind weit weg davon, TÜV- oder sicherheitsgeprüft zu sein. Wir können nur beten, dass alles gut geht", sagte Bundestrainer Werner Schuster. Walter Hofer vom internationalen Skiverband FIS berichtete, dass zuletzt etwa ein Dutzend Springer eine entsprechend modifizierte Bindung verwendet habe.

"Diese wurde von uns auf sportliche Übereinstimmung mit den Regeln untersucht, nicht auf Produktfähigkeit", sagte Hofer: "Wir sind nicht der TÜV. Das können wir nicht leisten."

Finnischer Bindungsbauer verkauft umstrittene Flughilfen

Beim ersten nacholympischen Weltcup in Lahti hatte ein finnischer Bindungsbauer mit dem Verkauf der umstrittenen Flughilfen a la Ammann gutes Geld verdient. Der Japaner Noriaki Kasai, einige Springer aus der polnischen Mannschaft und wohl auch die Norweger versuchten es mit der Kopie.

Zudem sollen noch andere abenteuerliche Konstruktionen im Umlauf sein. Auch die von Ammann zurechtgestutzten Austria-Adler springen seit Olympia mit einer schon vor Jahren selbst entwickelten Version der gebogenen Stab-Bindung. Diese soll wegen einer dadurch möglichen besseren Skihaltung in der Luft einen enormen Weitengewinn bringen.

Dabei hatte der Österreichische Skiverband bei den Winterspielen in einem Dossier selbst vor den Risiken des Systems speziell auf Skiflug-Schanzen gewarnt: "Allerdings stellte man auch fest, dass das so getunte Flugsystem den Sprung in Grenzbereichen kaum noch steuerbar macht. Bei Aufwind zum Beispiel können die auftretenden Kräfte unkontrollierbar werden, es drohen Stürze."

Schwere Stürze haben in Planica Tradition

Schlimme Crashs haben auf der Weltrekord-Schanze von Planica traurige Tradition. Der Finne Janne Ahonen kam 2005 beim weitesten Flug der Geschichte auf 240 Meter mit leichteren Verletzungen davon. Er hatte am Vorabend Alkohol getrunken und weigerte sich deshalb, nach dem Sturz zur Untersuchung ins Krankenhaus zu gehen.

Dort lag der Russe Waleri Kobelew 1999 wochenlang. Er hatte nach einem Sturz sogar zwischenzeitlich in Lebensgefahr geschwebt und musste ins Heilkoma versetzt werden. "Es gibt Flugschanzen, und dann gibt es Planica. Das ist noch einmal eine eigene Dimension", sagt Michael Neumayer, mit 227,5 Metern deutscher Rekordhalter.

Deshalb verzichtet Chefcoach Werner Schuster auch darauf, sich "an der Bindungshysterie und den wilden Basteleien" zu beteiligen. "Ich setze mich gern jeder Kritik aus. Aber mir geht die Gesundheit meiner Springer vor", sagt der Österreicher. Man werde erst im Sommer in Ruhe die neuen Bindungssysteme testen. Er sieht seine vor gut drei Wochen bei Olympia noch zu Team-Silber geflogene Mannschaft auch wegen der nachlassenden Kräfte "auf dem absteigenden Ast".

"Ich habe ein mulmiges Gefühl"

Bei der Einzel-WM am Freitag und Samstag habe man ohnehin nur die Chance auf einen Top-Ten-Platz. Als Favoriten gelten Ammann, der Österreicher Martin Koch, der Pole Adam Malysz, der Norweger Anders Jacobsen oder der Slowene Robert Kranjec.

Beim Teamfliegen am Sonntag steht das Ziel Medaille. "Aber es wird ganz schwer für uns", sagt Schuster. Das Wichtigste sei, dass der letzte Saisonhöhepunkt und die gefährliche Jagd nach dem Weltrekord des Norwegers Björn Einar Romören (239 Meter/Ahonens 240 m wurden wegen des Sturzes bei der Landung nicht gewertet) unfallfrei über die Bühne gehen: "Ich habe ein mulmiges Gefühl."

Skispringen: Deutsches Debakel in Oslo