Nach Massencrash: Tour-Veranstalter wollen Zuschauerin verklagen - "Ich habe dafür keine Worte"

SID
Nach dem schweren Crash auf der 1. Tour-Etappe: Sanitäter versorgen den Franzosen Cyril Lemoine.
© getty

Der von einer Zuschauerin verursachte Massensturz auf der ersten Etappe überschattet den Auftakt der Tour de France. Der Fall taugt jedoch nicht als Anlass für eine neue Sicherheitsdebatte.

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Nachdem der erste Zorn verraucht und der erste Schock verdaut waren, wollte Tony Martin der berüchtigsten Enkelin der Tour de France gar nicht mehr richtig böse sein. "Das war eine Rennsituation, wie sie in jeder Tour ständig stattfindet. Die meisten Zuschauer gehen dann nur irgendwann zur Seite", sagte der deutsche Radstar sichtlich erleichtert, nachdem er beim skurrilsten Rennunfall der jüngeren Tour-Geschichte mit Schrecken und Schrammen davongekommen war.

Dennoch: Die lebensgefährliche und folgenschwere Aktion einer verirrten Zuschauerin auf der ersten Etappe ist schon jetzt eines der Bilder, wenn nicht das Bild dieser 108. Frankreich-Rundfahrt. Ein Schreckensbild: Eine einzige Frau, die mit einer einzigen Aktion und einem gemalten Urlaubsgruß an die Großeltern ein Drittel des Fahrerfeldes abräumt und für ein Dutzend Verletzte sorgte, den triumphalen Auftaktsieg von Frankreichs Volksheld Julian Alaphilippe in den Hintergrund rückte.

Crash-Verursacherin wird polizeilich gesucht - Klage wartet

Der Tour-Veranstalter A.S.O. bestätigte deshalb dem SID, dass er die - mittlerweile polizeilich gesuchte - Zuschauerin verklagen wird. "Wir machen dies, damit sich die winzig kleine Minderheit von Leuten, die sich so verhält, den anderen nicht die Show verdirbt", sagte der stellvertretende Renndirektor Pierre-Yves Thouault.

Rund 45 Kilometer vor dem Ziel in Landerneau war am Samstag eben jene junge Frau im gelben Regenmantel mit dem Rücken zum heranrasenden Feld auf die Straße getreten. In den Händen trug sie ein Schild mit der Aufschrift "Allez Omi-Opi" und hielt dieses lachend in die Motorrad-Kamera. Der deutsche Profi Tony Martin an der Spitze des Peloton prallte aus voller Fahrt in das Plakat, was einen Massensturz auslöste.

"Ich habe zwar noch gesehen, dass sie ein Schild in der Hand hatte", sagte Martin über die letzten Momente vor dem Einschlag: "Wir können nicht jedesmal einen Bogen fahren - dann fahren wir nur noch Bögen ..."

Sicherheitsmaßnahmen können solche Vorfälle nicht verhindern

Wie auch immer: Die Landstraße sah nach dem Gruß an die Verwandtschaft aus wie ein Schlachtfeld, demolierte Rennräder und demolierte Rennfahrer bedeckten den Asphalt. Mit am schlimmsten erwischte es den Freiburger Jasha Sütterlin vom Team DSM, der verletzt aufgab. "Ich habe dafür keine Worte. Ich bin so enttäuscht, dass ich nach Hause muss", sagte er.

Die bittere Erkenntnis: Ein solcher Vorfall - wie auch der zweite, durch einen Fahrfehler im Feld ausgelöste Massensturz zehn Kilometer vor dem Ziel mit Chris Froome als prominentestem Beteiligten (konnte ebenfalls weiterfahren) - ist durch Sicherheitsmaßnahmen schlichtweg nicht zu verhindern. Eine Etappe von 200 Kilometern lässt sich nicht komplett absperren, unter Zehntausenden Zuschauern, wird immer eine(r) sein, die oder der sich nicht an die Regeln hält.

Damit sich aber möglichst viele an diese Regeln halten, wollen Organisatoren und Behörden die regenbemantelte Enkelin zur Verantwortung ziehen und ein Exempel statuieren. Einige Minuten nach dem Crash hatte sie sich vom Unfallort entfernt, die Polizei sucht nach Zeugen, aufgrund der Aufschrift auf dem Schild wird vermutet, dass die Gesuchte aus dem deutschsprachigen Raum stammt.

Vorerst kommt die Dame mit stattlicher Häme als Sanktion davon. "Ich hoffe, Omi und Opi sind jetzt stolz auf Dich", twitterte der belgische Trek-Profi Jasper Stuyven.