Kittels Tour-Aus: "Natürlich scheiße"

SID
Bis zu seinem Ausstieg trug Marcel Kittel das Grüne Trikot des besten Sprinters
© getty

Marcel Kittel kämpfte wie ein Löwe, biss auf die Zähne, doch die Schmerzen waren nicht zu ertragen: Auf der ersten Alpen-Etappe nach Serre Chevalier hat der deutsche Top-Sprinter die 104. Tour de France aufgegeben. Kittel war kurz nach dem Start des 183 km langen Teilstücks in einen Massensturz verwickelt gewesen, bei dem er sich Verletzungen zuzog, die eine Weiterfahrt unmöglich machten.

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Der Ausstieg ist extrem bitter für den 29-Jährigen, der in diesem Jahr fünf Tour-Etappen gewonnen hatte und in der Sonderwertung um das Grüne Trikot des Punktbesten führte. Als er im Zielort Serre Chevalier mit dem Teamauto ankam, zog Kittel sich erst einmal auf sein Hotelzimmer zurück.

Nur noch bis zum Sonntag hätte der Thüringer durchhalten müssen. In Paris auf den Champs-Elysees noch einmal zu glänzen, und dann auf dem Prachtboulevard als erster Deutscher seit 2001 in Grün das Podium zu besteigen, war Kittels Ziel gewesen. "Das wäre schon was sehr Besonderes", hatte er gesagt. Kittel kann sich diesen Traum nun nicht erfüllen. "Das Grüne hat er fast sicher gehabt, das ist natürlich scheiße, was soll man sonst dazu sagen", meinte Rundfahrt-Talent Emanuel Buchmann nach der Etappe.

Etwa 20 km hatte das Peloton auf dem Abschnitt zurückgelegt, der auch das große Finale um den Tour-Gesamtsieg einleitete, als eine Unachtsamkeit in Feld auch Kittel mit zu Boden riss. Der Wahl-Schweizer berappelte sich, und nachdem er einen kaputten Schuh ausgetauscht hatte, fand er zunächst auch wieder Anschluss. Sein Grünes Trikot wies zwar Drecksspuren auf und war auch an einigen Stellen zerrissen, aber zunächst schien alles nicht so dramatisch.

Schmerzen offenbar zu groß

Auch als Kittel sich am rechten Arm einen Verband von Tour-Ärztin Florence Pommerie anlegen ließ, wirkte die Situation noch so, als könne sich der Arnstädter davon erholen. Doch Meter um Meter, Tritt um Tritt wurden die Schmerzen offenkundig stärker, auch das Kühlen der verletzten Schulter mit einem Eisbeutel half nicht. Kittel stellte sein Rad ab und setzte sich tief enttäuscht in das Begleitfahrzeug seines Teams Quick-Step Floors.

"Meine fünf Siege sind und bleiben außergewöhnlich", sollte er anschließend sagen, allerdings nicht ohne hinzuzufügen: "Dieser Sturz so kurz vor Paris ist eine große, große Enttäuschung. Dazwischen liegt wohl die Wahrheit. Der Stolz auf die Erfolge und der Spaß, den wir als Team hatten, wird die Enttäuschung irgendwann überwiegen."

Die Szene selbst beschrieb Kittel so: "Es war nach knapp 20 Kilometern auf der rechten Straßenseite. Ich konnte nichts machen, bin einfach gefallen und auf der Straße aufgewacht. Ich habe viel Haut abgeschürft und meine Hüfte ist geschwollen, aber ich denke, es ist keine ernste Verletzung."

Am Croix de Fer habe er gemerkt, dass es nicht mehr Reicht: "Du musst an diesem Berg einfach auch Kraft haben auf dem Pedal, und die hatte ich nicht mehr. Ich habe gemerkt, es ist aussichtslos. Ich habe dann nach Absprache mit dem Team meine Kollegen Julien Vermote und Fabian Sabatini weggeschickt, damit sie wenigstens im Zeitlimit bleiben. Es ist jetzt nun mal so, aber ich bleibe positiv."

Kittels Märchenstart reicht nicht

Dabei war diese Tour bis dahin so märchenhaft für ihn gelaufen. Kittel siegte auf der zweiten Etappe nach Lüttich, die über viele Kilometer durch Deutschland führte. Er brach danach in Tränen aus, weil er überwältigt war von der Begeisterung an den Straßen zwischen Düsseldorf und der belgischen Grenze.

Seinen Siegeszug setzte Kittel fort in Troyes, Nuits-Saint-Georges, Bergerac und Pau. Der blonde Hüne steigerte sich von neun Tageserfolgen vor der 104. Tour auf nunmehr 14 und übertraf den deutschen Etappenrekord von Erik Zabel. Zudem egalisierte Kittel in Pau mit seinem fünften Triumph die 40 Jahre alte Bestmarke von Dietrich Thurau für die meisten deutschen Etappensiege während einer Großen Schleife.

Und als Krönung dieser nahezu einmaligen Erfolgsserie, hatte Kittel auch das "Maillot vert" vor Augen. Zwar hatte der Australier Michael Matthews auf den mittelschweren Etappen Punkt um Punkt aufgeholt und sich am Mittwoch sogar bis auf neun Zähler angenähert. Doch Kittels großes Plus war der prestigeträchtige Sprint in Paris, den er schon zweimal für sich entschieden hatte. "Bis Paris kann viel passieren", hatte er einschränkend immer wieder betont. Nun musste Kittel diese leidvolle Erfahrung selbst machen.

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