Ciolek: "Cavendish ist nicht unschlagbar"

Von Interview: Torsten Adams
Gerald Ciolek bestreit in diesem Jahr seine zweite Tour de France
© Imago

Gerald Ciolek ist die deutsche Sprinthoffnung bei der Tour de France und neben Linus Gerdemann Co-Kapitän des einzigen deutschen Rennstalls Milram.

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EXKLUSIV Die ersten Berge liegen hinter den Fahrern, in den kommenden Flachetappen könnte Cioleks Stunde schlagen. Aber der 22-Jährige hat ein Problem: Gegen Mark Cavendish war bei den ersten Massensprints kein Kraut gewachsen.

Das muss aber nicht so bleiben. Im SPOX-Interview erklärt Ciolek, warum er sich gute Chancen auf einen Etappensieg und sogar noch mehr ausrechnet.

Auch Milrams Sportdirektor Christian Henn macht dem Pulheimer Mut: "Gerald war bisher bei allen Massensprints vorne mit dabei. Das ist ein sehr gutes Zeichen, das noch ausbaufähig ist."

Lob von Laurent Jalabert

Das größte Lob bekam Ciolek aber von Ex-Champion Laurent Jalabert: "Ciolek hat mir sehr gut gefallen", sagte der Franzose nach der sechsten Etappe in Barcelona. "Ich traue ihm noch in dieser Tour seinen ersten Etappensieg zu."

Neben seinen persönlichen Zielen spricht Ciolek über Respekt vor Lance Armstrong und dessen Chancen, die Tour de France zu gewinnen.

SPOX: Sechster, Fünfter und Vierter. Wenn das so weitergeht, dann sehen wir Sie ja bald auf dem Podium.

Gerald Ciolek: (lacht) Ja, hoffentlich. Ich hätte aber auch nichts dagegen, wenn die Reihe unterbrochen würde und direkt ein Sieg herausspringt.

SPOX: Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Tour?

Ciolek: Natürlich wäre ich in Brignoles oder Barcelona gerne noch weiter vorne gelandet. Die Sprints sind für mich nicht optimal gelaufen. Insgesamt kann ich bisher mit meinen Leistungen und Ergebnissen aber ganz zufrieden sein. Und die Tour ist ja noch lang.

SPOX: Ein Etappensieg ist für Sie also nicht außer Reichweite?

Ciolek: Auf keinen Fall. Klar hat Mark Cavendish in den flachen Sprints bisher einen starken Eindruck hinterlassen. Aber ich halte ihn nicht für unschlagbar.

SPOX: Was zeichnet ihn aus?

Ciolek: Zunächst einmal ist er enorm endschnell. Dazu hat er eine sehr starke Mannschaft um sich herum, die ihn in den Sprints in eine optimale Position fährt. In dieser Kombination ist jemand auf einer flachen Zielgeraden schwer zu schlagen. Aber in Barcelona hat man gesehen, dass es auch bei Columbia nicht jeden Tag optimal läuft. Das sind die Situationen, in denen wir unsere Chancen suchen müssen.

SPOX: Sie liegen momentan auf dem vierten Rang in der Sprintwertung. Haben Sie Grün schon abgeschrieben?

Ciolek: Auf keinen Fall. Die Tour ist noch zwei Wochen lang. Da kann noch so viel passieren. Ich werde bis zuletzt darum kämpfen und bei jeder Etappe versuchen, vorne mitzumischen.

SPOX: Neben Ihnen imponiert noch ein weiterer Deutscher: Tony Martin. Sie sind im letzten Jahr zusammen mit ihm im Team High Road gefahren. Was ist er für ein Typ?

Ciolek: Es freut mich für ihn, dass er momentan für Furore sorgt. Er ist ein ruhiger, super sympathischer Typ, völlig bodenständig und mit einem riesen Talent gesegnet.

SPOX: Dass er ein guter Zeitfahrer ist, war vielen schon vor der Tour klar. Aber nun scheint er auch seine Bergqualitäten entdeckt zu haben.

Ciolek: Schon im letzten Jahr war absehbar, dass er in den Bergen stark fährt. Und hinauf nach Arcalis (7. Etappe; Anm. d. Red.) hat er gezeigt, dass er auch auf schweren Hochgebirgsetappen mit den Besten mithalten kann.

SPOX: Was trauen Sie ihm bei der Tour noch zu?

Ciolek: Die Tour de Suisse hat er als Zweiter abgeschlossen. Das heißt, er fährt schon seit längerer Zeit auf extrem hohem Niveau. Es wird also spannend sein zu sehen, ob er in der dritten Tour-Woche mit dem Anstieg zum Mont Ventoux noch die nötigen Reserven hat.

SPOX: Das ist auch die Frage, die sich viele bei Lance Armstrong stellen. Sie erleben ihn täglich. Wie ist das, Rennen mit Lance Armstrong zu fahren?

Ciolek: Der Rummel um ihn ist unfassbar groß - und zwar jeden Tag. Wo er auftaucht, bilden sich regelrechte Menschentrauben. Egal ob Fans, Prominente oder Journalisten: Alle wollen sie Armstrong sehen.

SPOX: Markus Fothen hat nach dem Giro d'Italia gesagt, im Peloton wehe ein anderer Wind, seit Armstrong zurück ist. Haben Sie davon schon etwas bemerkt?

Ciolek: Es ist so: Wenn beispielsweise ein Alessandro Ballan im Weltmeistertrikot vorbeikommt, dann macht man schon mal eher Platz als für jemanden, der einem am Tag schon drei Mal vor die Karre gefahren ist. Das zeigt einen gewissen Respekt vor erfolgreichen Fahrern. Und zu denen gehört auch Lance Armstrong.

SPOX: Spürt man etwas von der Rivalität zwischen Armstrong und Alberto Contador?

Ciolek: Sicherlich sind die beiden nicht die besten Freunde, weil im Team Astana ein großer Konkurrenzkampf herrscht. Aber es ist schwierig, das von außen zu beurteilen.

SPOX: Wie bewerten Sie die Rückkehr von Armstrong, dessen Vergangenheit mit Dopinggerüchten behaftet ist?

Ciolek: Ich denke, in dem Fall muss man dem Radsport kritisch gegenüberstehen und sehen, dass mehrere Fahrer behaftet sind. Lance Armstrong alleine dort herauszupicken, wäre nicht fair.

SPOX: Für Sie gilt also die Unschuldsvermutung?

Ciolek: Meine Haltung dazu ist folgende: Wenn es klare Beweise gegen einen Fahrer gibt, dann soll man ihn auch so schnell wie möglich und so lange wie möglich sperren. Solange das nicht der Fall ist, sollte man demjenigen neutral gegenüberstehen.

SPOX: Was denken Sie: Kann Armstrong die Tour gewinnen?

Ciolek: Ich denke, es wird schwierig für ihn, denn Alberto Contador macht einen starken Eindruck. Sicherlich wird Armstrong eine gute Tour fahren, aber auf mich macht er bisher noch nicht den Eindruck, als wäre er so dominant wie vor seinem Comeback.

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