"Die F1 hat da ein anderes Konzept"

Von Interview: Alexander Mey
BMW kehrt am kommenden Wochenende endgültig in die DTM zurück
© Getty

Er kommt aus der F1 und will jetzt mit BMW die DTM aufmischen. Marquardt über Unterschiede zwischen F1 und DTM, Nico Rosberg, Ponyhöfe und Frauen am Steuer.

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SPOX: Herr Marquardt, haben Sie den ersten Formel-1-Sieg für Nico Rosberg und Mercedes in China live gesehen?

Jens Marquardt: Ja, das habe ich mir am Fernseher angeschaut.

SPOX: Darf sich der BMW-Motorsportdirektor von Herzen für Mercedes freuen oder ist das verboten?

Marquardt: Verboten ist grundsätzlich mal gar nichts... Herr Haug hat sicher hart für das Projekt gearbeitet und es ist gut, wenn man dann auch den Lohn dieser Arbeit erntet. "Von Herzen" gefreut habe ich mich aber eher für Nico Rosberg. Er hat sich das redlich verdient. Er war ja mal BMW-Junior in der Formel BMW ADAC Meisterschaft, und ich persönlich habe mit ihm zwei Jahre lang in der Formel 1 zusammengearbeitet, als sein Williams-Team mit unseren Toyota-Motoren gefahren ist. Von daher kenne ich ihn ganz gut.

SPOX: Freude mit Rosberg ja, Freude mit Mercedes nein. So groß ist der Konkurrenzgedanke bei Ihnen also schon?

Marquardt: Respekt vor der Leistung anderer Marken habe ich auf jeden Fall. Ich habe zum Beispiel Doktor Ullrich von Audi genauso zum Sieg beim Langstreckenrennen in Sebring gratuliert wie er mir zum Sieg dort in der GT-Klasse. Aber "von Herzen" freue ich mich für keine andere Marke. Im Herzen habe ich BMW.

SPOX: Wo hört Kollegialität zwischen BMW, Audi und Mercedes in der Vorbereitung auf und wo fängt Rivalität auf der Strecke an?

Marquardt: Ich denke, wenn sich alle an die Vorgaben der Sportbehörde halten, die meiner Meinung nach die Autorität in allen Regelfragen sein sollte, dann wird es da keine großen Dispute geben. Natürlich sind wir nicht auf dem Ponyhof sondern betreiben Rennsport auf einem ganz hohen Niveau. Wir brauchen die Rivalität zwischen Herstellern und Fahrern, aber im Sinne der Zukunft der Serie müssen wir alle an einem Strang ziehen. Nur so hat es die Serie geschafft, auch in den schwierigen letzten Jahren gut weiterzuexistieren. Nun ist Potenzial da, den Stellenwert der DTM zu steigern.

SPOX: Ist BMW der Heilsbringer der DTM?

Marquardt: So würde ich uns nicht nennen. Es stimmt, dass wir einige Voraussetzungen erfüllt haben wollten, um in die DTM zurückzukommen, die alle erfüllt wurden. Aber das ist alles nur der Anfang. Wir haben jetzt die drei erfolgreichsten Premium-Hersteller im Motorsport in einer Serie vereint. Nun müssen wir aber etwas draus machen. Dazu gehört gemeinsame Planung abseits der Strecke genauso wie harte Zweikämpfe auf der Strecke. Es wird keinen Kuschelkurs ohne echtes Racing geben.

SPOX: Was ist für jemanden wie Sie, der aus der Formel 1 kommt, der Hauptunterschied zur DTM?

Marquardt: Beide Rennserien arbeiten sehr professionell. Ein Unterschied ist, dass sich ein Hersteller wie Mercedes oder Ferrari in der Formel 1 nur auf zwei Autos konzentrieren muss. In der DTM sind es pro Hersteller sechs bis acht. Das macht die strategische Herangehensweise an eine Saison und an ein Rennwochenende ganz anders. Dazu kommt das technische Reglement, das in der DTM deutlich enger gefasst ist, um die Kosten im Griff zu halten. Die Formel 1 muss ihren Standard als Spitze des Motorsports durch gewisse Freiheiten für die Ingenieure wahren, das ist klar. Aber wenn du in der Formel 1 beispielsweise nicht das Optimum in Sachen Aerodynamik herausholst, brauchst du gar nicht anzutreten. Das ist in der DTM nicht so extrem.

SPOX: Die Formel 1 kämpft jedes Jahr mit neuen Schlupflöchern im Reglement und muss nachbessern. Ist so etwas in der DTM ausgeschlossen?

Marquardt: Ich weiß nicht, ob man so etwas ausschließen kann, aber mir ist bei den DTM-Testfahrten kein Schlupfloch aufgefallen. Alle drei Autos sind trotz des eng gesteckten Reglements unterschiedlich, aber dennoch meiner Einschätzung nach auf einem vergleichbaren Niveau. Wir werden hier keinen Doppel-Diffusor oder angeblasenen Diffusor sehen.

SPOX: Der Formel 1 wird immer vorgeworfen, sich zu weit vom Fan entfernt zu haben. Das ist in der DTM anders.

Marquardt: Das ist natürlich ein großer Unterschied. Wenn Sie sich im Fahrerlager in Hockenheim oder auch am Norisring umschauen, dann ist da die Hölle los. Die Nähe zum Fan macht die DTM aus, das ist nicht vergleichbar zur Formel 1 und macht es so attraktiv, bei den Rennen vor Ort zu sein. Man sitzt eben nicht nur auf einem sehr teuren Tribünenplatz, schaut sich das Rennen an und dann war es das. In der DTM kann sich jeder für einen sehr erschwinglichen Preis ein Zusatzticket fürs Fahrerlager kaufen und ganz nah an Fahrern und Autos dran sein. Die Formel 1 hat da ein ganz anderes Konzept.

SPOX: Hans-Joachim Stuck hat prognostiziert, BMW wird das erste DTM-Rennen gewinnen. Manuel Reuter gibt Ihnen dagegen überhaupt keine Chance. Wer hat Recht?

Marquardt: Meiner Meinung nach keiner. Ich denke, wir können unser Leistungsvermögen ganz gut einschätzen. Wir haben im operativen Geschäft und in Sachen Streckenkenntnis noch einigen Nachholbedarf. Diese Defizite müssen wir aufholen - und das muss schnell gehen. Aber zu sagen, wir fahren zum ersten Rennen und gewinnen dort, ist unrealistisch. Auf der anderen Seite aber zu sagen, wir hätten überhaupt nichts mitzureden, kann ich auch nicht gelten lassen. Denn dann hätten wir etwas falsch gemacht. Bei unserer Motorsport-Historie kann das nicht der Anspruch sein. Das Ziel für die erste Saison muss sein, auf Augenhöhe mit Mercedes und Audi zu kommen.

SPOX: Wie würden Sie auf einer Skala von 1 bis 10 den Stand Ihrer Vorbereitungen einstufen?

Marquardt: Unsere Ingenieure werden natürlich immer sagen, dass sie nicht alles ausprobieren konnten. Ich glaube, dass es gut ist, dass wir jetzt das erste Rennen vor der Tür stehen haben und dort eine Mannschaft am Start haben, die einen guten Job macht. Auf Ihrer Skala würde ich uns in einigen Bereichen bei einer Neun sehen, in anderen noch auf einer Acht.

SPOX: Ist es möglich, dass Ihre größten Probleme nicht einmal im Auto selbst liegen sondern in den Abläufen am Rennwochenende?

Marquardt: Das kann schon sein. Nehmen Sie das Beispiel Boxenstopp. Bei unseren Langstreckenrennen dauert so ein Stopp mit allem drum und dran Minuten. Da wird alles mit sehr viel Bedacht gemacht, es wird dreimal geprüft, ob auch wirklich alle Schrauben richtig angezogen sind. Wenn es jetzt in der DTM nur noch darum geht, vier Reifen so schnell wie möglich zu wechseln, dann ist das eine ganze andere Zielsetzung. Mit dem Druck fertig zu werden, müssen die Jungs erst einmal lernen. Das können Sie tausendmal zu Hause üben, es zählt erst, wenn Ihnen 30.000 Leute und zahlreiche Kameras dabei zuschauen.

SPOX: Ihre Fahrerwahl mit zwei erfahrenen DTM-Piloten und vier etablierten BMW-Fahrern sieht nach einem klaren Plan aus.

Marquardt: Das war in der Tat der Plan. Wir wussten, dass wir genügend Fahrer in den eigenen Reihen haben, die gut genug für die DTM sind. Es war aber auch klar, dass wir DTM-Erfahrung im Kader brauchen, um die perfekte Mischung zu bekommen.

SPOX: Sie sind aber der einzige Hersteller, der keine Frau ans Steuer lässt.

Marquardt: Wir lassen nicht keine Frau ans Steuer, wir sind lediglich der Neue, der im Gegensatz zu den beiden anderen Herstellern nur sechs statt acht Autos zur Verfügung hat. Mit dem, was wir umsetzen konnten, war nur dieses Paket möglich.

SPOX: Was war mit gehandelten F-1-Stars wie Nick Heidfeld oder Adrian Sutil?

Marquardt: Promi-Faktor ist bei uns nicht relevant, Leistung ist relevant. Ich denke, einen dreimaligen Weltmeister, den aktuellen DTM-Champion und den aktuellen ALMS-Champion im Team zu haben, kann sich sehen lassen. Ich bin überzeugt davon, dass wir die richtige Fahrerwahl getroffen haben.

SPOX: Mercedes hat als Stargast für den DTM-Auftakt Michael Schumacher angekündigt. Welchen Promi werden Sie vor Ort haben?

Marquardt: (lacht) Wir brauchen keinen Promi vor Ort, bei uns ist das Team der Star. Wir haben uns schon eine ganz gute Fangemeinde aufgebaut, denke ich, und wir arbeiten daran, dass die in den nächsten Monaten noch größer wird. Worüber wir uns sehr freuen, sind einige ehemalige BMW-DTM-Fahrer, die vor Ort sein werden, und auch ein paar Demonstrationsrunden in historischen BMW-Rennfahrzeugen fahren werden. Eric van de Poele, Roberto Ravaglia, Steve Soper, Harald Grohs und Marc Hessel - alle werden bei uns zu Gast sein und mit uns mitfiebern.

Der DTM-Rennkalender