Leichtathletik-WM: Coleman holt Gold über 100 m vor Gatlin und De Grasse

SID
Christian Coleman hat WM-Gold im 100-Meter-Lauf gewonnen.
© getty

Christian Coleman riss den Mund weit auf und klopfte sich immer wieder auf die Brust, dann schnappte sich der neue schnellste Mann der Welt die US-Flagge und ließ sich feiern. Mit ganz starken 9,76 Sekunden sicherte sich der Topfavorit bei der Leichtathletik-WM in Doha souverän Gold über die prestigeträchtigen 100 m. "Das ist der schönste Tag in meinem Leben", sagte Coleman hinterher.

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Gut fünf Wochen nach Bekanntwerden seiner Dopingtest-Affäre konnte Coleman sein Glück kaum fassen. Im ersten großen Finale seit dem Ende der Ära von Usain Bolt verwies der 23-Jährige Titelverteidiger Justin Gatlin (USA/9,89) auf Platz zwei. Bronze sicherte sich der Kanadier Andre De Grasse (9,90).

Coleman legte die zweitschnellste Siegerzeit der Geschichte hin, nur Usain Bolt war bei seinem Weltrekord (9,58) in Berlin 2009 schneller als der Mann aus Atlanta bei einer Weltmeisterschaft. Coleman steigerte seine Bestleistung um drei Hundertstelsekunden und ist jetzt die Nummer sechs der ewigen Weltbestenliste.

"Ich bin mit einem unglaublichen Talent gesegnet und heute konnte ich es zeigen. Ich habe für diesen Moment sehr hart gearbeitet, aber das war es wert", sagte Coleman: "Es ist eine Ehre für mich, dass ich meinen Namen zu der Liste mit all den Legenden vor mir hinzugefügt habe. Das ist ein großartiges Gefühl, zu gut, um wahr zu sein."

WM-Highlight vor Geisterkulisse

Kurz vor dem Start war es im Stadion plötzlich dunkel geworden. Um die Spannung vor dem Spektakel auf der Bahn noch einmal zu steigern, zeigten die Organisatoren noch eine kleine Lichtershow - unter anderem wurden auch die Namen der Rennmaschinen in riesigen Lettern auf den Mondo-Laufsteg projiziert.

Allerdings fand das WM-Highlight vor einer Geisterkulisse statt. Das Khalifa International Stadium, das normalerweise Platz für 50.000 Zuschauer bietet, ist ohnehin schon auf der Gegengeraden zur Hälfte mit Plastik-Planen abgedeckt. Doch auch die restlichen Plätze waren nur zur Hälfte gefüllt.

Als es dann ernst wurde, zeigte Coleman keine Nerven. Schon nach dem Start war er sofort vorne und brachte dann seinen Vorsprung souverän ins Ziel. Vor zwei Jahren in London hatte er Bolt geschlagen und Silber hinter Gatlin geholt.

Coleman verpasst drei Dopingtests

Dass Coleman zuletzt weltweit für Wirbel gesorgt hatte, ließ er sich nicht anmerken. Innerhalb eines Jahres verpasste er drei Dopingtests, aus formalen Gründen entging er jedoch einer Sperre. Coleman beteuerte seine Unschuld: Zweimal habe er es versäumt, seine Meldedaten zu aktualisieren, einmal sei der Anruf der Kontrolleurin ausgeblieben.

"Ich nehme keine leistungssteigernden Medikamente. Ich nehme nichts. Ich arbeite hart an meinem gottgegebenen Talent und meinen Fähigkeiten", hatte sich Coleman zuletzt noch einmal verteidigt.

Doch sein Landsmann und Sprintlegende Michael Johnson kritisierte ihn dennoch scharf für die Affäre. Coleman sei seiner "Verantwortung" als potenzieller Superstar der Leichtathletik nicht nachgekommen, sagte Johnson der BBC: "Er hat sich keinen Gefallen getan, wie er mit dieser Situation umgegangen ist."

Coleman sei als "das nächste große Gesicht des Sports" gehandelt worden, als jemand, "der Usain Bolt als Star beerben sollte. Ich denke nicht, dass das jetzt noch passieren wird", sagte Johnson, Olympiasieger über 200 und 400 m sowie ehemaliger Weltrekordhalter über beide Strecken.

Coleman wittert Kampagne: "Hass" auf einen "schwarzen Jungen"

Seitdem die Affäre hochkochte, hatte Coleman bis zur WM kein Rennen mehr bestritten, kämpfte vielmehr um seinen Ruf - zuletzt mit einem 22 Minuten langen Video bei Youtube.

"Die Menschen verstehen nicht, wie leicht es passieren kann, einen Test zu verpassen", sagte er darin: "Manchmal vergisst du, die App zu aktualisieren, aber das hat nichts mit Doping zu tun oder dem Versuch, einem Test auszuweichen."

Nach seinem Triumph in Doha legte Coleman nach, er sieht sich als Opfer einer Kampagne: "Ich bin nur ein junger schwarzer Mann, der seinen Traum lebt. Es ist enttäuschend, dass jemand Informationen preisgibt, um meinen Ruf zu beschmutzen."

"Einige Leute interessieren sich nicht für die Wahrheit, sie erzählen nur Geschichten", sagte Coleman und sprach von "Hass" auf einen "schwarzen Jungen". Er habe "keine Ahnung, warum sie das tun" und betonte immer wieder, "nichts falsch gemacht" zu haben.

Die schnellsten 100-m-Finals bei Weltmeisterschaften

  • 9,58 Usain Bolt/Jamaika - 2009 Berlin
  • 9,76 Christian Coleman/USA - 2019 Doha
  • 9,77 Usain Bolt/Jamaika - 2013 Moskau
  • 9,79 Usain Bolt/Jamaika - 2015 Peking
  • 9,80 Maurice Greene/USA - 1999 Sevilla
  • 9,82 Maurice Greene/USA - 2001 Edmonton
  • 9,85 Tyson Gay/USA - 2007 Osaka
  • 9,86 Carl Lewis/USA - 1991 Tokio
  • 9,86 Maurice Greene/USA - 1997 Athen
  • 9,87 Linford Christie/Großbritannien - 1993 Stuttgart
  • 9,88 Justin Gatlin/USA - 2005 Helsinki
  • 9,92 Yohan Blake/Jamaika - 2011 Daegu
  • 9,92 Justin Gatlin/USA - 2017 London
  • 9,93 Carl Lewis/USA - 1987 Rom
  • 9,97 Donovan Bailey/Kanada - 1995 Göteborg
  • 10,07 Carl Lewis/USA - 1983 Helsinki
  • 10,07 Kim Collins/St. Kitts und Nevis - 2003 Paris
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