"Man ertrinkt im Selbstmitleid"

Yoan Pablo Hernandez (l.) kämpft am Samstag gegen Alexander Alekseev
© getty

He's back! Yoan Pablo Hernandez feiert am Samstag in Bamberg sein Comeback. Der IBF-Weltmeister im Cruisergewicht trifft auf den Russen Alexander Alekseev. Davor spricht er im Interview über seine Leidenszeit, das kubanische Temperament und seinen Bruder in der UFC.

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SPOX: Herr Hernandez, am Samstag kehren Sie nach über einem Jahr in den Ring zurück und verteidigen Ihren WM-Titel gegen Alexander Alekseev. Spüren Sie den Ringrost?

Yoan Pablo Hernandez: Ich hoffe nicht (schmunzelt). Aber im Ernst: Wenn man so lange im Geschäft ist wie ich, dann wirft dich eine lange Pause nicht mehr aus der Bahn. Natürlich verliert man ein wenig das Gefühl für die Distanz, aber das kommt zurück, sobald man wieder mit dem Training beginnt.

SPOX: Sie hatten sich beim Sparring im Januar zum zweiten Mal die Schlaghand gebrochen. Kamen Zweifel über die Fortsetzung Ihrer Karriere auf?

Hernandez: Es waren harte Momente, das will ich gar nicht leugnen. Ich war in der Vorbereitung auf den Kampf gegen Eric Fields und gut in Form, als ich mich verletzt habe. Danach fällt man erst mal in ein Loch und zweifelt ein wenig. Ich war kurz zuvor, komplett aufzugeben.

SPOX: Sie standen vor dem Karriereende?

Hernandez: Ich weiß nicht, ob ich wirklich diesen Schritt gemacht hätte. Aber man denkt in dieser Zeit über viele Dinge nach. Vielleicht ging es wirklich in diese Richtung. Für einen Boxer stürzt in diesen Momenten eine Welt zusammen.

SPOX: Wie sind Sie wieder auf die Beine gekommen?

Hernandez: Man muss versuchen, diese negativen Gedanken auszublenden. Ansonsten ertrinkt man im Selbstmitleid. Zum Glück stand mir meine Familie zur Seite und hat mich intensiv unterstützt. Außerdem habe ich mich mit anderen Sachen abgelenkt. Ich bin viel spazieren gegangen und habe mit ein paar Freunde an unseren Autos herumgeschraubt.

SPOX: Haben Sie nun wieder vollstes Vertrauen in Ihre Schlaghand?

Hernandez: Das muss ich haben, ansonsten würde ich nicht in den Ring steigen. Es macht keinen Sinn, nur mit halber Kraft zu schlagen. Deswegen werde ich am Samstag Vollgas geben. Ich habe keine Angst, dass wieder irgendetwas passiert.

SPOX: Wie schätzen Sie Ihren Gegner ein?

Hernandez: Er ist ein Boxer der alten russischen Schule mit einer guten Technik. Da muss ich aufpassen. Aber ich brauche mich nicht verstecken. Die kubanische Boxschule hat ja auch einiges zu bieten.

SPOX: Kubaner sind vor allem für Ihr Temperament berühmt. Kann Ihnen Ihr Gemüt einen Strich durch die Rechnung machen?

Hernandez: Nein, ich habe aus der Vergangenheit gelernt. Bei meinem letzten Kampf gegen Troy Ross war ich überhastet und wollte zu viel auf einmal. Das hätte mir fast den Titel gekostet. Wobei ich immer noch überzeugt davon bin, dass ich den Kampf trotzdem gewonnen habe.

SPOX: Sie müssen Ihr Temperament also kanalisieren.

Hernandez: Das wäre optimal. Das hat mir mein Trainer (Ulli Wegner, Anm. d. Red.) in den letzten Jahren auch versucht, einzutrichtern. Aber das ist leichter gesagt als getan. Ein kubanisches Temperament kann man nie komplett unterdrücken. Das ist nun mal eine Laune der Natur.

SPOX: Wie wichtig ist es, nach so einer langen Pause mit einem Paukenschlag zurückzukehren?

Hernandez: Erst einmal will ich gewinnen, das steht über allem. Aber natürlich gilt es auch, ein Ausrufezeichen zu setzen und mich standesgemäß zurückzumelden, gerade im Cruisergewicht. Keine andere Gewichtsklasse ist so ausgeglichen. Jeder kann jeden schlagen durch diesen Mix aus Schnelligkeit und Punching Power.

SPOX: Lassen Sie uns ein wenig zurückblicken: Sie gewannen 2002 den Schwergewichts-Titel bei der Junioren-WM in Ihrer Heimat. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Erfolg?

Hernandez: Das war ein unglaubliches Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Die Kämpfe fanden in Santiago de Cuba statt, in einer großen Basketballhalle. Die Arena war vom ersten bis zum letzten Tag immer ausverkauft, das war eine unvergleichbare Atmosphäre. Für die Kubaner hat das Boxen halt einen ganz anderen Stellenwert.

SPOX: Inwiefern?

Hernandez: Das ist schwer zu beschreiben, das muss man erleben. Um es mal so auszudrücken: Jeder verbindet mit Kuba Musik, Zigarren und Rum. Und gleich dahinter kommt das Boxen. Das gehört seit einer halben Ewigkeit dazu.

SPOX: Das sieht man auch bei Ihrem Bruder. Yoel Romero hat sich ebenfalls für den Kampfsport entschieden. Er ist aber kein Boxer geworden, sondern tritt in der UFC an. Wie sehen Sie seine Karriere?

Hernandez: Ich bin sehr stolz auf ihn, auch wenn ich mich in der UFC nicht wirklich gut auskenne. Aber ich freue mich immer, wenn er gewinnt. Mein Traum wäre es, wenn wir einmal gleichzeitig Champion wären. Davon könnten wir noch unseren Enkeln erzählen.

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