"Pleiß anscheinend ein Störfaktor"

Jan Jagla spielte einst gemeinsam mit Tibor Pleiß
© imago

Jan Jagla absolvierte 141 Spiele für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft. Der Forward kann nicht verstehen, warum es bei der EM-Qualifikation in diesem Jahr so viele Absagen gab. Im Interview spricht er über die Niederlagen gegen Basketball-Zwerge, Head Coach Chris Fleming, den Rauswurf von Tibor Pleiß und die Zukunft des DBB. Außerdem meint er: Wenn alle dabei sind, ist Deutschland ein Top-Team.

Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Jagla, Sie haben Samstag ein Bild bei Twitter veröffentlicht, wie Sie auf dem Oktoberfest das entscheidende Spiel gegen die Niederlande streamen. Zu welchem Zeitpunkt konnten Sie anfangen, Ihr Bier zu genießen?

Jan Jagla: Die Jungs haben am Samstag wirklich gut gespielt, sie waren von Anfang an konzentriert und spätestens zur Halbzeit hat man gesehen, dass sie das bessere Team waren. Nach der Pause haben sie sich dann abgesetzt. Sie haben ein starkes Spiel gemacht und sich damit im entscheidenden Moment gesteigert. Von daher konnte man das schon sehr schnell genießen.

SPOX: Insgesamt war die Quali aber ein Krampf. Wo sehen Sie die Gründe für die peinlichen Niederlagen gegen Dänemark und die Niederlande?

Jagla: Es gab auch um die Spiele herum viele Probleme, beispielsweise die Abreise von Tibor Pleiß. So eine Situation ist schwierig, denn die Entscheidung ist nicht über Nacht gefallen, das war also bei ihm schon lange im Kopf. Das macht sich dann auch in der Mannschaft bemerkbar. Ansonsten gibt es viele Aspekte: Man kann eine Mannschaft wie Dänemark, die man im Hinspiel noch schlägt, auch mal unterschätzen und dann nicht die nötige Spannung haben. Klar ist aber auch, dass es nicht sein kann, dass so viele Jungs in einem Sommer absagen.

SPOX: Stichwort Absagen: Können Sie einen Grund ausmachen, warum die Nationalmannschaft für die Spieler an Bedeutung verliert? Zu Ihrer aktiven Zeit hat es solch eine Absagenflut nie gegeben.

Jagla: Damals war die Situation mit der Anzahl unserer Spiele etwas einfacher. Trotzdem sollte das heute nicht als Ausrede gelten, man muss sich auch mal durch die Quali quälen. Selbst Dirk hat es früher gemacht, um sich mit der Mannschaft weiter zu entwickeln und um das Team zu sich finden zu lassen. Da müssen die Jungs einfach umdenken und auch mal sagen: Die Saison ist lang und schwer, aber ich muss trotzdem zur Nationalmannschaft fahren. Auch, weil man es dem Sport schuldet, für Deutschland aufzulaufen.

SPOX: Chris Fleming hat bereits reagiert und Tibor Pleiß für die EM 2017 gestrichen. War das die richtige Entscheidung?

Jagla: Es war klar, dass nach diesem Sommer mit den beiden Niederlagen und den vielen Absagen Konsequenzen gezogen werden mussten. Der Rauswurf von Pleiß war das erste Signal in diese Richtung, deshalb muss man das akzeptieren. Coach Fleming ist schon lange genug im Geschäft, um solche Entscheidungen treffen zu können. Er wurde von Pleiß enttäuscht. Er war im Team anscheinend ein Störfaktor, weshalb der Rauswurf konsequent ist.

SPOX: Ist der neue Vertrag bei Galatasaray ein Trost für Pleiß oder war das insgesamt ein Schuss in den Ofen?

Jagla: Hinterher ist man immer schlauer. Seine Situation, noch einmal alles für die NBA auf eine Karte zu setzen, kann ich verstehen. Aber wenn man im Nachhinein in der Türkei unterschreibt, wo ein Vertrag sicherlich auch ohne seine Abreise zustande gekommen wäre, dann war das die falsche Entscheidung. Sein Rauswurf hat jetzt hoffentlich eine Signalwirkung für alle anderen, die sich jetzt doppelt überlegen müssen, ob sie die Konsequenzen einer Absage tragen wollen.

SPOX: Was kann der Verband denn tun, damit die Spieler gerne wiederkommen?

Jagla: Die Einstellung vom DBB war immer: Wir zwingen niemanden, es soll den Jungs Spaß machen, sie sollen gerne hierher kommen. Das ist für mich der richtige Weg. Wenn die Spieler dann trotzdem ausbleiben, muss sich der DBB fragen, was die Beweggründe sind und dann darauf reagieren. Es gibt sicherlich Mittel und Wege, um die Spieler zum Kommen zu bewegen. Aber irgendjemanden sperren lassen oder zwingen, das ist auch nicht der Sinn der Sache.

SPOX: Was muss sich in der Nationalmannschaft generell ändern?

Jagla: Es muss über die Jahre ein Kern heranwachsen, der eingespielt ist. Das geht mit so vielen Absagen aber nicht. Wenn man sich zum Beispiel die Spanier anguckt: Die spielen seit Jahren mit dem gleichen Mannschaftskern. Ich glaube, dass wir auch in Deutschland eine sehr gute Generation an Spielern haben, vor allem unterm Korb. Wenn wir es schaffen würden, unsere vier oder fünf Besten aufzustellen, dann wären wir international vorne mit dabei.

SPOX: Ist Chris Fleming für Sie der richtige Trainer in den letzten zwei Jahren gewesen?

Jagla: Ich glaube, Chris ist ein guter Trainer. Seine Erfolge mit Bamberg stehen außer Frage. Er hat gezeigt, dass er auf hohem Niveau gewinnen kann, warum dann nicht auch mit der Nationalmannschaft? Ich glaube aber, dass es sehr wichtig ist, ständig mit den Spielern in Kontakt zu stehen und zu kommunizieren. Das ist mit seinem Engagement in der NBA zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Zudem ist Henrik Rödl ständig da...

SPOX: ...der ja schon als Nachfolger früher oder später in den Startlöchern steht...

Jagla: ...der das ganze Jahr über Nationaltrainer ist und mit allen den Kontakt halten kann. Zusammen mit ihm denke ich schon, dass der Chris da der Richtige ist und war - ob es so jetzt weiter klappt, muss man sehen.

SPOX: Sie haben schon erwähnt, dass die spielerische Qualität eigentlich vorhanden ist. Gefühlt wird aber schon seit Jahren gesagt, dass die Starting Five der Zukunft gut aussieht. Werden wir diese Starting Five jemals sehen?

Jagla: Das glaube ich schon. Ich gehe davon aus, dass bei den Jungs nach diesem Sommer ein Umdenken stattfinden wird. Es werden in der Zukunft viele, die diesmal gefehlt haben, wieder dabei sein. Dennis beispielsweise hat sich mal eine Auszeit genommen, aber sehr klar kommuniziert, dass er noch oft für Deutschland spielen wird. Jetzt hat er seine neue Rolle als Starter bei den Hawks vor der Brust, da kann man verstehen, dass er da topfit reingehen will. Zukünftig wird er aber wieder dabei sein, genau wie die anderen Spieler auch.

SPOX: Wie würde Ihre Starting Five aussehen, wenn alle zur Verfügung stünden?

Jagla: Dennis ist auf der Eins unumstritten. Zipser ist auf der Drei gesetzt, während ich auf der Fünf eher zu Zirbes als zu Pleiß tendiere. Er strahlt einfach mehr Aggressivität aus. Auch die Vier wäre mit Maxi Kleber hervorragend besetzt, ebenso kann Daniel Theis jederzeit starten. Auf der Zwei gibt es auch viele Möglichkeiten - auch ein Heiko Schaffartzik kann dort mit seinem Shooting und seiner Erfahrung gut spielen.

SPOX: Wäre es aufgrund der hohen Belastung nicht sinnvoll, wie beim Fußball nur alle zwei Jahre ein großes Turnier stattfinden zu lassen?

Jagla: Ich glaube, dass es schon in diese Richtung geht. Der Sommerfahrplan wurde etwas entzerrt, Qualifikationen werden im Winter stattfinden und ich denke auch, dass die Europameisterschaften früher oder später nur noch alle vier Jahre steigen werden. Andererseits: Ich persönlich fand es immer toll, jedes Jahr ein großes Turnier zu spielen. Ich glaube, der Körper kann das trotz der vollen Spielpläne mitmachen - wenn man wirklich will, geht es immer.

Die deutsche EM-Qualifikationsgruppe in der Übersicht

Artikel und Videos zum Thema