Teodosic: A Beautiful Mind

Von Für SPOX in Siauliai: Haruka Gruber
Frustriert den Ball weggeschossen: Teodosic nach dem WM-Halbfinal-Aus 2010 gegen Türkei
© Imago

Er ist ein genialer Sonderling und der beste Spielmacher Europas. Und zugleich ein Wüterich und ein scheues Reh. Eine Frage spaltet die Basketball-Welt: Wer ist dieser Milos Teodosic? Der serbische Point Guard im Porträt.

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Es gibt Menschen, die gesegnet sind. Genies, überbordend mit Kreativität und Schaffenskraft. Der Umgang mit ihrer Außergewöhnlichkeit gestaltet sich für die meisten jedoch als schwierig. Albert Einstein gehörte zu den Ausnahmen und hatte ein entspanntes Verhältnis mit der eigenen Einzigartigkeit: "Ordnung braucht nur der Dumme, das Genie beherrscht das Chaos", merkte er ironisch an.

Der ebenfalls hochbegabte Mathematiker John Nash wiederum verzagte an seinem selbst auferlegten Druck: "Eine wahrhaft eigene Idee zu entwickeln ist der einzige Weg, sich zufriedenzustellen. Es ist der einzige Weg, jemals von Belang zu sein", sagt er in seiner Film-Biografie.

Auch der Basketball hat seine Genies, die sich und andere zum Verzweifeln bringen - und eines der jüngsten Mitglieder des exklusiven Klubs heißt Milos Teodosic, Point Guard der Serben und der vielleicht faszinierendste Spieler der EM in Litauen.

Wunderbar und wundersam zugleich

Wer ihn einmal in Aktion gesehen hat, wie er die Sportart zu einer Kunstform erhebt und die irrwitzigsten Pässe spielt, wird sich seinen Namen für immer einprägen. Einen Basketballer zu finden, der ähnlich wunderbar und wundersam zugleich ist, fällt schwer. Im Handball gibt es einen: den Kroaten Ivano Balic, Olympiasieger und ebenfalls Spielmacher.

"Milos ist einfach der beste Point Guard Europas", sagt sein Mitspieler Ivan Paunic und bringt es auf den Punkt. Oder eben auch nicht. Kein Spieler bei der EM polarisiert derart wie Teodosic.

Seine Art des Basketballs ist spektakulär, unberechenbar und von Erfolg gekrönt. 7,3 Assists bedeuten Platz eins unter den EM-Vorlagengebern, demgegenüber stehen akzeptable 2,3 Turnover. Beim Sieg über Italien gab er gleich viele Assists wie das gesamte gegnerische Team (8). "Die Zukunft gehört Milos Teodosic", lobt Serbiens Nationaltrainer Dusan Ivkovic, sonst ein bärbeißiger Trainer alter Schule.

Legendärer Dreier gegen Spanien

Der ehemalige Olympiakos-Mitspieler Patrick Beverley twitterte: "Milos gehört jetzt schon zu den größten europäischen Basketballern aller Zeiten. Er wurde letztes Jahr der MVP der Euroleague - mit 23 Jahren."

Teodosic gewann vor seiner Profi-Karriere bereits hintereinander weg mit Serbien die Europameister-Titel der U 16, U 18 und U 20, bevor er mit der A-Nationalmannschaft EM-Silber 2009 holte und bei der WM 2010 Vierter wurde.

Vor einem Jahr erlebte er seine Sternstunde: Der entscheidende Dreier im WM-Viertelfinale gegen Spanien ins Gesicht von Jorge Garbajosa ist schon jetzt eine Legende. Teodosic traf den Wurf, obwohl er drei Meter von der Dreier-Linie weg stand und einen elf Zentimeter größeren Gegenspieler vor sich hatte. "Einer der abgezocktesten und cleversten Spieler, die es in Europa auf dieser Position gibt", sagt Bundestrainer Dirk Bauermann.

Bei der zweigeteilten Wahl zu "Europas Basketballer des Jahres 2010" lag Teodosic nach einer Umfrage unter Experten zunächst auf Platz zwei hinter NBA-Star Pau Gasol, doch durch eine überwältigende Mehrheit beim Votum der Fans bekam er den Award. Für den Zweiten Gasol und den Dritten Dirk Nowitzki stimmten zusammengerechnet nicht so viele ab wie für Teodosic.

Körpersprache sorgt für Kritik

Die Zuneigung der Massen ist ihm gewiss. Weil keiner so kreativ seine Mitspieler einsetzt. Aber auch, weil er so mitfühlbar unperfekt ist. Sein Geist ist eine Macht, sein Körper hingegen überaus menschlich.

Die fehlende Athletik ist eines Weltklassespielers genauso unwürdig wie der wackelige Dreier (EM: 23,5 Prozent) und die nachlässige Defense. Sein "schläfriger Gesichtsausdruck" (Bauermann) wird ihm vom einen als Arroganz, vom anderen als Beweis fehlender Leidenschaft ausgelegt.

Er ist nur selten jemand, der mit seiner Körpersprache seine Mannschaft mitzureißen versteht, zu sehen etwa beim Israel-Spiel, als er die erste Halbzeit vor allem mit Lamentieren zubrachte (2 Assists, 2 Turnover). Wer so unfassbar talentiert ist, muss mehr aus sich herausholen, so der häufigste Vorwurf.

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Teodosic: seine Liebe zum Spiel

Doch statt sich zu erklären, verschließt er sich all den Fragen, die seinen Charakter ergründen wollen. Serbische Journalisten beschreiben ihn als zurückhaltend. Er gebe zwar Interviews und sei in der Regel freundlich, aber so recht wissen auch sie nicht, wie ihr Volksidol denn tickt.

"Basketball ist mein Leben. Auf dem Court zu stehen und zu dribbeln: Etwas Schöneres gibt es nicht", sagt Teodosic.

Aber so scheu er sich gibt - in ihm brodelt auch ein Vulkan, der unkontrolliert auszubrechen droht, wann immer es hoch hergeht. Seine Beteiligung an der Massenschlägerei im Testspiel gegen Griechenland vor der WM 2010 wurde mit einer Zwei-Spiele-Sperre geahndet, weswegen er nur zusehen konnte, wie Serbien in der Vorrunde gegen Deutschland unterlag.

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"Ich bin kein böser Junge"

Im Mai 2011 warf er während des Derbys gegen Panathinaikos mit einer Flasche auf einen gegnerischen Fan, zwei Jahre zuvor hatte er bereits mit dem Zitat "Scheiß auf Griechenland" für Empörung in seiner Wahlheimat gesorgt.

Teodosic: "Ich bin dennoch kein böser Junge. Ich will einfach nur gewinnen. Zwar nicht um jeden Preis, aber ich kann nichts daran ändern, dass ein Basketball-Spiel auch eine Schlacht ist und dass man auf dem Schlachtfeld alles dem Erfolg unterzuordnen hat."

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In Europa ein Star, in der NBA ein Nobody

Sein bisheriger Klub Olympiakos sah generös über Teodosics Wahnsinn hinweg, zu wertvoll war er für die Mannschaft. Nach der EM jedoch verlässt er nach vier Jahren Piräus, weil Olympiakos wie das gesamte Griechenland vor dem finanziellen Ruin steht und seine Stars ziehen lassen muss. Teodosic lag ein Angebot des FC Barcelona vor.

Den Zuschlag gab er jedoch ZSKA Moskau - gemeinsam mit seinem Freund und Nationalmannschafts-Kollegen Nenad Krstic, ehemals bei den Boston Celtics in der NBA.

Anders als an Krstic zeigte die beste Liga der Welt jedoch nie Interesse an Teodosic. Vergangenen Sommer sollen Houston und San Antonio über ihn nachgedacht haben, doch das Urteil fiel offenbar genauso aus wie bei den anderen Scouts: zu unathletisch, zu europäisch.

Ob er enttäuscht ist über die mangelnde Resonanz aus der NBA oder selbst keine Ambitionen dahingehend hegt, mag er nicht beantworten. Teodosic sagt nur: "Die NBA ist nichts für mich."

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