Ex-St.-Pauli-Profi nahm Bestechungsgeld an

SID
Mittelstürmer Rene Schnitzler stand zwischen 2007 und 2009 beim FC St. Pauli unter Vertrag
© Getty

Der ehemalige St.-Pauli-Spieler Rene Schnitzler hat zugegeben, über 100.000 Euro Bestechungsgeld angenommen zu haben. Der DFB und die DFL wollen den Fall prüfen. Wie inzwischen bekannt wurde, erhielt Schnitzler Morddrohungen.

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Todesangst am Flughafen, Morddrohungen im Strandcafe, Geheimtreffen im Luxushotel: Der frühere Zweitliga-Profi Rene Schnitzler hat mit einem umfassenden Geständnis einen erschütternden Einblick in die Abgründe des Wettskandals im Fußball gegeben.

Der 25 Jahre alte Stürmer gab im Magazin "Stern" zu, von einem Wettpaten mehr als 100.000 Euro angenommen zu haben, um fünf Auswärtsspiele des FC St. Pauli zu verschieben. Allerdings bestreitet der Stürmer, wirklich eines der Zweitliga-Spiele im Jahr 2008 manipuliert zu haben.

Morddrohungen gegen Schnitzler

Das Geständnis des vereinslosen Spielers liest sich dennoch wie ein Krimi. Unter anderem habe ein Begleiter des mutmaßlichen Wettpaten Paul R. gedroht, den spielsüchtigen Schnitzler "an einen Pfosten in der Elbe zu binden und auf die Flut zu warten".

Ein Schuldeneintreiber habe Schnitzler eine Pistole an die Schläfe gehalten; er habe in der Angst gelebt, entführt oder getötet zu werden. Spiele verschoben habe er dennoch nicht: "Ich habe Geld genommen, ja, aber ich habe nicht manipuliert", behauptet er, "ich habe nicht einmal daran gedacht."

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) reagierten relativ gelassen und kündigten Prüfungen an.

St.-Pauli-Verantwortliche geschockt

Die Offiziellen des FC St. Pauli, für den Schnitzler bis 2009 spielte, waren dagegen tief betroffen. "Das war ein Schock. Mit so etwas hätten wir nie und nimmer gerechnet", sagte Teammanager Christian Bönig. "Die Tatsache, dass man mit der Wettmafia in Berührung kommt, ist allein schon ein Schlag ins Gesicht. Da wird der Sport mit Füßen getreten. Unfassbar."

Der Verein habe die Spiele, die Schnitzler manipulieren sollte, bereits überprüft. "Sie waren alle nullkommanull auffällig. Rene Schnitzler hat wohl einen Betrüger betrogen. Hätte er die fünf Spiele manipuliert, hätten wir alle verloren", sagte Bönig und nannte ein entlastendes Beispiel.

"Wir haben in Mainz (beim 2:2 am 23. November 2008, d. Red.) in der 90. Minute den Ausgleich gemacht. Das sagt doch schon alles." Es sei bekannt gewesen, dass Schnitzler "viel gespielt" habe: "Ich glaube, er hat eine gewisse Suchtstruktur in sich getragen."

Hain: "Das ist Hochverrat!"

Auch Torhüter Mathias Hain reagierte mit Fassungslosigkeit. "So etwas ist Hochverrat, das Schlimmste, was ich mir für eine Mannschaft vorstellen kann", sagte der Schlussmann dem Hamburger Abendblatt, dessen Name indirekt auch genannt worden war.

Schnitzler soll zusätzlich 10.000 Euro erhalten haben, um Hain zu bestechen. Den Torwart habe er aber nicht angesprochen. "Auch wenn jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich niemals bestechen lassen würde, ist für mich die Tatsache, dass mein Name in einem solchen Zusammenhang auftaucht, extrem schlimm. Man kann es auch eine Höchststrafe nennen", sagte Hain dazu.

Die Staatsanwaltschaft Bochum, die im größten Wettskandal der europäischen Fußball-Geschichte ermittelt, steht mit dem Verein in Kontakt. St. Pauli will laut Bönig "alles mitteilen, was wir wissen". Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek verweigerte genauso wie Schnitzlers Anwalt Rainer Pohlen eine Stellungnahme.

"Mein Gott, ist das einfach!"

Paul R., der den Profi anwarb, bezahlte und schließlich bedrohte, ist in Bochum kein Unbekannter: Laut "Stern"-Recherchen handelt es sich um einen 51 Jahre alten Niederländer, der eine zentrale Figur des Skandals ist. Auch mit dem mutmaßlichen Drahtzieher Mario C. hatte Schnitzler Kontakt - unter anderem am Flughafen von Amsterdam, den der Spieler angeblich in Todesangst verließ.

Der Profi behauptet, in einer Zwickmühle gesteckt zu haben. Seit einem Kasino-Besuch in Aachen 2003 sei er spielsüchtig. Um seine Verluste auszugleichen, setzte er schließlich seine Karriere aufs Spiel. Am 15. Mai 2008 sei er von Paul R. in einem Hotel in Noordwijk angeworben worden; ab diesem Tag war die Spirale nicht mehr aufzuhalten.

Nach und nach verzockte Schnitzler das Geld des Paten, wurde bedroht, stimmte weiteren Manipulationen zu, dann begann alles wieder von vorn. Dabei habe er, als am Anfang eine Begegnung nach Wunsch mit einer Niederlage geendet habe, gedacht: "Mein Gott, ist das einfach!"

Wie im Rausch

Dann lief es nicht mehr, und der Pate machte Druck. Schnitzler erhielt weiteres Geld, um Mitspieler zu bestechen - er leugnet, wirklich etwas davon ausbezahlt zu haben. Angeblich hat er alles verspielt, teilweise im Rausch, 36 Stunden am Stück.

Das Problem: Paul R. wollte nun Spieler sehen, die eingeweiht sind. Zwei Kollegen spielten das Theater für Schnitzler mit. Dennoch wird diesem mit dem Tod gedroht. Schnitzler lässt sich "überreden", ein Spiel in Mainz zu verschieben, doch es endet 2:2.

Danach erhält Schnitzler einen Anruf eines Wettbüro-Betreibers, der auch in die Deals involviert gewesen sein soll. "Sieh zu, dass du abhaust", sagt er, "Paul hat zwei Millionen Euro verloren." Am 8. Dezember wird Schnitzler von der Polizei aus dem Bett geholt, die einen Tipp bekommen hat - von Mario C.

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