"Ich habe mir den Arsch aufgerissen"

Von Bärbel Mees
Andre Dirrell (r.) unterlag Carl Froch in der ersten Runde des Super-Six-Turnieres nach Punkten
© Getty

Für Arthur Abraham geht es in die zweite Runde des Super-Six-Turniers. Noch führt er mit seinem K.o.-Sieg das Teilnehmerfeld an, doch nun wartet Andre Dirrell. Der US-Amerikaner verlor seinen Auftakt-Kampf gegen Carl Froch, doch die Hoffnung auf den Gewinn des Turniers hat Dirrell noch lange nicht aufgegeben. Er hat schon ganz andere Rückschläge erlebt.

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Wenn Andre Dirrell am Samstag im Rahmen des Super-Six-Turniers die zweite Runde gegen Arthur Abraham bestreitet, dann wird vor allem einer am Ring mitfiebern: Anthony Dirrell. Der kleine Bruder boxte selbst, bis er am Hodgkin-Lymphom erkrankte und sich einer Kombinationstherapie aus Chemo und Bestrahlung unterziehen musste. Immer an seiner Seite: Andre Dirrell.

Mit Rückschlägen umzugehen - das hat Andre Dirrell damals gelernt. Nicht nur im Ring, sondern auch im Leben. Keine einfache Zeit für die beiden Brüder, die sich gemeinsam die Karriereleiter hinaufgeboxt haben und auch heute noch immer in der Ringecke stehen und sich gegenseitig unterstützen.

Überhaupt: Der Familiensinn wird bei den Dirrells großgeschrieben. Der Weg zum WM-Titel: ein Familien-Projekt. Die Trainer: Onkel Leon Lawson Jr. und der Großvater Leon Lawson Sr. Andres größter Fan: sein kleiner Bruder Anthony.

Aufgeben kommt nicht in Frage

"Das Schlimmste war, zu sehen, wie er mit der Chemotherapie umgeht. Er musste sich oft übergeben und war ständig müde. Ich habe es vermisst, ihn im Ring zu sehen. Aber immer wenn er konnte, ist er ins Gym gekommen und hat trainiert", sagt Andre Dirrell auf "doghouseboxing.com".

Doch aufgeben kam für keinen der beiden Brüder jemals in Frage: "Wir haben die Hoffnung bewahrt und gebetet. Und dann wurde Anthony immer stärker. Er ist rumgesprungen wie ein Känguruh. Man konnte sehen, dass Anthony noch immer derselbe ist. Das war ein Segen", gibt der große Bruder zu.

Die Karriere der beiden ist untrennbar miteinander verknüpft. Sieben Mal bestritten sie ihre Kämpfe am selben Abend, jedesmal standen sie in der Ringecke und fieberten mit. 2003 wurde Andre Dirrell US-amerikanischer Landesmeister im Mittelgewicht und gewann im Jahr darauf die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Athen. Gold holte Super-Six-Konkurrent Andre Ward.

Anthony folgte seinem großen Bruder und Vorbild und gewann 2004 und 2005 den US-amerikanischen Landestitel. Mit einer Kampfbilanz von 214-22 wechselte Andre inzwischen ins Profilager. Am 27. Januar 2005 gab er sein Debüt gegen Carlos Jones und gewann in der vierten Runde durch technischen K.o.

Große Namen bleiben aus

Von seinem ersten Honorar bezahlte er seine Mietschulden und hoffte auf eine rasante Karriere. Doch die großen Namen blieben aus. Er ist kein begnadeter Boxer, kein Jahrhundert-Talent. Oft wird ihm vorgeworfen, zu schlampig zu boxen, zu leichtsinnig.

Mag sein. Aber er ist verdammt schnell. Und ein Switchhitter. Mit seinen Auslagewechseln hat er schon so manchen Gegner auf dem falschen Fuß erwischt. Vor allem aber hat er Leidenschaft, Herz und ein großes Ziel: Weltmeister zu werden.

"Ich bin bereit. Ich bin dazu bestimmt, hier zu sein. Ich werde alles für den WM-Titel tun. Ich gehe, wohin auch immer. Ich kämpfe, gegen wen auch immer. Inzwischen bin ich bereit, alles dafür zu tun."

Eine Niederlage im Gepäck

Doch damit sein Traum wahr wird, muss jetzt ein Sieg her. Ins Super-Six ist er denkbar schlecht gestartet. Die Auftakt-Niederlage in England gegen Carl Froch war knapp und hat für viel Wirbel unter den Boxfans gesorgt. Wilde Schlägerei statt ausgeklügelter Taktik und eine Entscheidung zugunsten Carl Froch, die wohl weniger auf Fairness sondern vor allem auf Frochs Heimvorteil gründete.

Dirrell selbst reagierte mit Unverständnis ob der Kampfrichter-Entscheidung: "Ich habe mir den Arsch aufgerissen. Er war in der letzten Runde zwar richtig stark, aber ich weiß noch immer nicht, warum mir der Kampfrichter Punkte abgezogen hat."

Eine Niederlage also hat er schon im Gepäck. Und die Gegner werden nicht leichter. Mit Arthur Abraham trifft er auf einen Favoriten auf den Gesamtsieg. Und den Fehler, ihn zu unterschätzen, macht er nicht.

Dirrell: "Ich bezeichne es als 'Do-or-die-Situation'. Ich trainiere härter und cleverer als sonst. Ich habe mit vielen Jungs trainiert, die wie Abraham boxen. Er hat eine fantastische Verteidigung, ist sehr explosiv und gefährlich. Aber ich bin bereit."

Abraham: "Im Ring gibt es nur ihn und mich"

Zweimal wurde der Kampf verschoben. Zuerst gab es Probleme mit dem Austragungsort, dann mit Dirrells Rücken.

Im Training hatte er sich verletzt. Statt am 6. findet der Kampf nun am 27. März statt. Zudem wurde der Kampf von Palm Beach in Dirrells Heimat-Bundesstaat Michigan nach Detroit verlegt.

Für Abraham dennoch kein Grund zur Sorge: "Ich glaube, er wird einen leichten Vorteil haben, weil er zuhause vor seinen Fans boxt. Aber im Ring gibt es nur ihn und mich. Wir sind auf uns alleine gestellt, also sollte der Heimvorteil kein Problem sein."

Gewinnt Dirrell das Turnier, will er sich vom Preisgeld ein Haus in seiner Heimatstadt Flint kaufen. Doch dafür muss er erstmal Abraham besiegen. Verliert Dirrell aber am Samstag - dann wird trotzdem keine Welt zusammenbrechen. Weder für die anderen, noch für ihn. Denn wenn er eins gelernt hat, ist es Rückschläge wegzustecken und dadurch stärker zu werden.

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