"Was soll ich denn anderes machen?"

Von Interview: Stefan Maurer
Fritz Sdunek ist auch mit mittlerweile 62 Jahren noch in bestechender körperlicher Verfassung
© Getty

Fritz Sdunek ist der Trainer von Vitali Klitschko. Zusammen mit Dr. Eisenfaust weilt der Erfolgscoach in Los Angeles, um den WBC-Weltmeister im Schwergewicht für seinen Kampf gegen Christobal "Nightmare" Arreola vorzubereiten.

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SPOX sprach mit Sdunek vor dem Kampf am 26. September über Vitalis Form, seinen Gegner und die Zukunft.

SPOX: In der Nacht von Samstag auf Sonntag kämpft Vitali Klitschko gegen Chris Arreola: Wie zuversichtlich sind Sie für den Kampf?

Fritz Sdunek: Ich bin optimistisch. Wir hatten bisher hier eine Vorbereitung, die optimal gelaufen ist. Körperlich ist Vitali in einer sehr guten Verfassung. Wir werden den Titel behalten.

SPOX: Vitali hat gesagt, er habe so hart trainiert wie nie zuvor. Haben Sie besondere Dinge gemacht?

Sdunek: Nicht unbedingt, aber es ist einfach so, dass Vitali jetzt nach seinem Comeback, nach den vier Jahren Pause, wieder voll im Saft steht und wir die Belastung entsprechend hochschrauben konnten. Was wir aber mal probiert haben, ist Zirkeltraining mit Eishockeyspielern. Da wurde sehr viel Wert auf Kraft und Ausdauer gelegt. Das war auch für mich hier eine Zeit, in der ich wieder sehr viel dazugelernt habe. Ich habe gesehen, was man nebenbei in Bezug auf die Athletik noch alles machen kann. Wenn man natürlich hier im Gold's Gym trainiert, bekommt man immer wieder neue Übungen mit, die man in ein Training einbauen kann.

SPOX: Der Champ selbst hat auch gesagt, dass wir den stärksten Vitali aller Zeiten erleben werden. Sehen Sie das auch so?

Sdunek: Ja, ich denke schon. Wir haben hier eine perfekte und sehr intensive Vorbereitung gehabt. So etwas habe ich mit Vitali überhaupt noch nie erlebt.

SPOX: Sie haben am Schauplatz des Kampfes, in der Sommerhitze von L.A. trainiert. Wie waren die Bedingungen?

Sdunek: Es war teilweise wirklich sehr heiß, aber inzwischen ist es etwas kühler geworden. Wir haben jetzt circa 26, 27 Grad und es ist angenehm. Aber beim Training hatten wir schon auch Mal zwischen 40 und 45 Grad. Da war es im Gym wie im Treibhaus.

SPOX: Wird Arreola durch den Kampfort in seiner Heimatstadt einen Vorteil haben?

Sdunek: Sicherlich ist das für Arreola ein Vorteil, aber Vitali bestreitet nun den dritten Kampf seiner Karriere hier im Staples Center und er hat sehr gute Erfahrungen gemacht. Wenn ich nur an seinen ersten Kampf hier gegen Lennox Lewis denke. Der wurde mit Gebrüll und wir mit Pfiffen empfangen. Aber am Ende wurde Vitali mit großem Applaus verabschiedet. Und dann hat er dort ja auch noch gegen Corrie Sanders gekämpft, gegen den er sich den Titel wieder geholt hat. Er wird also von den Fans hier angenommen. Entscheidend wird die Leistung im Ring sein. Dieser entsprechend wird das Publikum dann auch reagieren.

SPOX: Arreola wird in den USA teilweise mit Mike Tyson verglichen: Was halten Sie davon?

Sdunek: (zögert) Na ja, sicherlich ist er ein Mann mit großen physischen Fähigkeiten, der einen guten Kampfrekord hat. Aber wir werden im Kampf sehen, wie er mit dem halb-europäischen Stil von Vitali zu Recht kommt. Das wird für ihn sicherlich nicht so einfach werden.

SPOX: Wo sehen Sie Stärken und Schwächen des bisher ungeschlagenen Arreola?

Sdunek: Er hat eine ganz gute Struktur im Ring und hat die Kämpfe, die wir analysiert haben, diktiert. Aber er ist manchmal auch zu offen und man kann ihn treffen.

SPOX: Er hat eine K.o.-Quote von fast 90 Prozent. Auf was muss Vitali besonders achten?

Sdunek: Vor allem auf den von unten gezogenen linken Haken des Amerikaners. Das ist seine Spezialität, mit der er viele seiner Gegner ausgeknockt hat.

SPOX: Arreola hat erstmals intensiv mit einem Fitnesscoach zusammengearbeitet und sogar das Bier-Trinken aufgegeben. Das wird für Vitali aber nicht reichen, oder?

Sdunek: Ganz genau so sehe ich das. Wenn man das ein paar Wochen vor einem Kampf macht, dann reicht das sicherlich nicht aus, um einen Mann wie Vitali zu schlagen. Er verlässt sich letztlich auf seine Kampfkraft und seinen Willen. Das sind Dinge, die alle Boxer mit mexikanischen Wurzeln auszeichnen.

SPOX: Sie sind länger im Geschäft, als Arreolas Trainer Henry Ramirez Jahre auf dem Buckel hat. Was halten sie von seiner Arbeit?

Sdunek: Er hat bisher sicherlich einen guten Job gemacht. Die Kämpfe, die ich ausgewertet habe, hat er sehr gut gecoacht. Aber im körperlichen Bereich gibt es sicherlich noch Nachholbedarf. Jeder sieht ja, dass Arreola keinen Body wie Witali hat.

SPOX: Sie haben ja schon gesagt, dass Sie von einem Sieg ausgehen - durch K.o.?

Sdunek: Ja, ich denke schon.

SPOX: Was kommt für Vitali nach dem Sieg gegen Arreola?

Sdunek: Das wird sich zeigen. Zuerst einmal liegt der Fokus auf der Gestaltung dieses Kampfes.

SPOX: Gibt es für Vitali noch Boxer, die er unbedingt vor die Fäuste bekommen will?

Sdunek: Das wird sich alles ergeben. Derzeit verschwenden wir noch keine Gedanken an die Zeit nach diesem Kampf.

SPOX: Trotzdem muss ich sie natürlich nach dem Bruderkampf Vitali gegen Wladimir fragen...

Sdunek: Diesen Kampf hat es bisher nicht gegeben und das wird auch in Zukunft so sein. Das muss auch nicht sein. Es wird schon noch genug interessante Boxer geben. Es kommen immer wieder gute junge Leute nach, da müssen die beiden nicht gegeneinander kämpfen.

SPOX: Lassen Sie uns trotzdem über die Zukunft sprechen. Sie sind seit über 30 Jahren als Box-Trainer aktiv. Was treibt sie immer noch an?

Sdunek: Die Zusammenarbeit mit den Jungs macht einfach Spaß. Ich bin seit 15 Jahren Profi-Trainer und arbeite seit 14 Jahren mit Vitali zusammen. Trotz all dieser Zeit, haben wir hier jetzt wieder fünf tolle Wochen verbracht. Wenn, wie in der Vorbereitung hier, alles optimal läuft, motiviert das natürlich auch. Ich werde dann von L.A. nach Hause, zu meinen anderen Boxern, zurückkehren und in ihr Training neue Ideen einbringen, um sie weiter nach oben zu bringen.

Spox: Also noch kein Ende in Sicht?

Sdunek: Solange ich gesund bin, die Belastung gut wegstecke und meine Boxer nach vorne bringe, werde ich weiter machen. Eine große Rolle spielt natürlich auch, dass ich die Trainingsarbeit körperlich weiter selbst machen kann. Solange das geht, werde ich als Trainer arbeiten. Was soll ich denn auch anderes machen? Ich habe ja mein Hobby zum Beruf gemacht und verdiene gutes Geld damit. Es könnte keine bessere Situation geben.

Spox: Gibt es einen Boxer, den Sie in Ihrer Karriere gerne trainiert hätten oder noch trainieren würden?

Sdunek: Ich habe sehr viele tolle Boxer unter meinen Fittichen gehabt und alles erreicht, was man erreichen kann. Und einen interessanteren Boxer als Vitali Klitschko gibt es für mich auch gar nicht.