DHB-Spielmacher Martin Strobel: Deutschlands Hirn spielt zweite Liga

Martin Strobel ist der Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft.
© getty

Mit dem Spiel gegen Russland (18 Uhr im LIVETICKER) geht es für das DHB-Team in die heiße Phase der WM-Vorrunde. Jetzt wird sich auch zeigen, ob Spielmacher Martin Strobel tatsächlich noch höchsten Ansprüchen genügt.

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Eigentlich hatte Martin Strobel das Kapitel Nationalmannschaft bereits beendet. Nach dem grandiosen Jahr 2016, als der Mann aus Rottweil mit Deutschland Europameister wurde und Bronze bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro holte, war es an der Zeit, einen Gang zurückzuschalten.

Strobel wollte während der kurzen Pausen im Handball-Alltag lieber durchschnaufen und sich um seine Familie kümmern, als irgendwo auf der Welt ein Turnier zu spielen. Der 32-Jährige hatte es sich längst in der Abgeschiedenheit des südlichen Baden-Württembergs, einem 34.000-Einwohner-Städtchen namens Balingen am Rande der Schwäbischen Alb, gemütlich gemacht.

Dorthin war er 2013 nach fünf Jahren beim TBV Lemgo, mit dem er den EHF-Pokal gewann, zurückgekehrt.

Strobel erhält überraschenden Anruf

Anfang Oktober beendete ein überraschender Anruf diese Ruhe. Am anderen Ende der Leitung war Christian Prokop. Der Bundestrainer war auf der Suche nach einem klassischen Spielmacher und fragte nun bei Strobel nach, ob sich dieser ein Comeback im DHB-Team vorstellen könne.

Der Rückraum-Mitte-Spieler musste nicht lange überlegen. Zu groß war die Verlockung, eine Weltmeisterschaft im eigenen Land zu erleben. Strobel gab Ende Oktober bei den EM-Quali-Spielen gegen Israel und im Kosovo sein Comeback und ist seither wieder fester Bestandteil der deutschen Auswahl.

Baur: "Strobel hat das Spiel verstanden"

"Er macht seine Sache super. Martin ist ein Mann, der das Spiel verstanden hat und in der Lage ist, eine Mannschaft zu führen und Ruhe reinzubringen", sagte Markus Baur, der beim Wintermärchen 2007 Deutschlands Spielmacher war, im Gespräch mit SPOX.

Fabian Böhm, der einst mit Strobel in Balingen zusammenspielte und sich bei der WM mit ihm ein Zimmer teilt, sieht es ähnlich: "Martin ist ein absoluter Ruhepol und ein Handball-Stratege. Er gibt unserem Spiel System und Sicherheit. Viele orientieren sich an ihm."

Es gibt Zweifel am Zweitligaspieler Strobel

Dabei sorgte die Meldung von Strobels Rückholaktion in Teilen der Szene für Verwunderung, teilweise auch Kopfschütteln. Der Grund: Der Rechtshänder spielt seit eineinhalb Jahren mit der HBW Balingen-Weilstetten lediglich in der zweiten Liga - und das nicht einmal überragend.

Strobel hat in der laufenden Saison für den Tabellenführer durchschnittlich 2,57 Tore pro Partie erzielt. Seine Trefferquote liegt bei 58,33 Prozent.

Kann ein Spieler, der sich Woche für Woche mit Gegnern wie Ferndorf, Coburg oder Emsdetten herumschlägt, tatsächlich die richtige Wahl sein, um das Hirn einer großen Handball-Nation wie Deutschland bei einer Heim-WM zu sein? Und das auch noch gegen die dicken Brocken?

"Es ist berechtigt, diese Frage zu stellen", meinte Baur dazu: "Denn es ist natürlich etwas anderes, ob man in der zweiten Liga oder gegen Teams wie Frankreich, Russland oder Spanien spielt. Es war für ihn sicherlich gut, jetzt erstmal in kleinen Schritten gegen nicht so überragende Gegner wie Korea und Brasilien auf das Niveau einer WM zurückzukehren."

Böhm ist in diesem Punkt anderer Ansicht: "Das sehe ich anders, das sieht meiner Meinung nach die ganze Mannschaft anders. Wir stehen voll hinter ihm und trauen ihm total zu, auch gegen Topnationen sein Spiel durchzuziehen. Nur weil er jetzt eineinhalb Jahre in der zweiten Liga spielt, heißt das nicht, dass er an Qualität verloren hat."

Strobel mit deutlicher Steigerung gegen Brasilien

Beim Auftaktspiel gegen Korea konnte man in diesem Punkt zu einem anderen Schluss als der linke Rückraumspieler kommen. Strobel, der von Fabian Wiede oder Paul Drux vertreten werden kann, wirkte im Spielaufbau nicht souverän und erzielte gegen den krassen Außenseiter keinen einzigen Treffer.

Gegen Brasilien sah es schon wesentlich besser aus, als Strobel zwei Mal einnetzte, vor allem aber ganz abgeklärt Struktur in die Angriffe brachte und das Team führte. So ähnlich, wie er es schon unter Dagur Sigurdsson getan hatte, als er bei der WM 2015 in Katar, der EM 2016 in Polen und den Olympischen Spielen in Rio bei drei großen Turnieren in Folge ein zentraler Baustein war - genau deshalb hat Prokop ihn zurückgeholt.

"Martin hat eine hohe Akzeptanz innerhalb der Mannschaft, macht kaum Fehler und ist charakterlich einwandfrei. Er verfügt über eine hohe Spielintelligenz, ist selbst in Stresssituationen bei ausgeglichenem Spielstand in den letzten Minuten in der Lage, taktische Vorgaben umzusetzen", erklärte der Bundestrainer vor der Weltmeisterschaft im SPOX-Interview.

Das Torewerfen ist nicht Strobels Spezialität

Das Torewerfen war ohnehin noch nie die Spezialität des Baden-Württembergers. "Er ist nicht der Spieler, bei dem die Gegner sagen: ‚Oh, oh, jetzt kommt der Strobel. Da müssen wir aber aufpassen.' Er hat andere Qualitäten, man kann sich zu 100 Prozent auf ihn verlassen. Wenn er was ansagt, weiß man genau, dass es auch so auf dem Platz passieren wird", sagte Böhm.

"Martin ist torgefährlich genug, damit der Gegner nicht sagt, dass man den jetzt mal machen lässt", findet derweil Baur: "Gegen Brasilien hatte er zwei Tore bei zwei Versuchen, das war absolut okay. Grundsätzlich sind Tore nicht seine Hauptaufgabe. Martin soll das Spiel steuern."

WM 2019: Die weiteren Spiele der deutschen Mannschaft

DatumUhrzeitPaarungFree-TVSPOX
Montag, 14. Januar18.00 UhrRussland - DeutschlandARDLiveticker
Dienstag, 15. Januar20.30 UhrDeutschland - FrankreichZDFLiveticker
Donnerstag, 17. Januar18.00 UhrDeutschland - SerbienARDLiveticker

Strobel die Ruhe in Person

Strobel selbst sind die Zweifel an ihm als Spieler egal. Er ist auf dem Feld und als Mensch viel zu unaufgeregt, als dass er sich von derartigen Diskussionen beeindrucken lassen würde. "Damit habe ich mich nie beschäftigt", sagte der Rookie des Jahres 2008, der bereits 2007 sein Länderspiel-Debüt gab.

Dass er sich in den folgenden Spielen weiter verbessern muss, ist ihm dennoch bewusst: "Für mich ist es wichtig, jede Gelegenheit - seien es die beiden Spiele gegen Korea und Brasilien oder im Training - zu nutzen, um mich optimal für die kommenden Aufgaben zu wappnen."

"Denn eines ist klar", erklärte Strobel weiter: "Jetzt geht das Turnier erst richtig los."

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