Trotz EM-Debakel: DHB hält an Bundestrainer Christian Prokop fest

SID
DHB hält an Bundestrainer Christian Prokop fest.
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Zweite Chance statt Blitzscheidung, der umstrittene Bundestrainer darf weitermachen: Der Deutsche Handballbund hält überraschend an Christian Prokop fest. Dieses Ergebnis einer eingehenden EM-Analyse teilte der Verband im Anschluss an eine außerordentliche Präsidiumssitzung am Montag mit. Prokop darf die Nationalmannschaft damit trotz der mit Platz neun enttäuschenden EM in Kroatien auf die Heim-WM im kommenden Jahr vorbereiten.

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Verbandsvize Bob Hanning, der ein weiteres persönliches Engagement vom Schicksal Prokops abhängig gemacht hatte, atmete nach der zweieinhalbstündigen Sitzung in Hannover tief durch.

"Es gibt eine zweite Chance, weil wir seiner Arbeit Vertrauen und zuversichtlich sind, dass sie mit einer erfolgreichen Heim-WM sie Früchte tragen wird", sagte er: "Der Trainer, aber auch die Mannschaft, kann es besser."

An den großen Zielen, Medaille bei der Heim-WM und Olympiasieg in Tokio 2020, hält der Verband fest. "Der Vertrauensbeweis heißt jetzt aber auch, dass wir bei der WM im eigenen Land dann auch liefern müssen", sagte Hanning. Alle hätten Fehler gemacht. Prokop sei dabei "Teil des Problems" gewesen, "aber nicht das Problem als ganzes".

Prokops Vertrag läuft noch bis 2022

Der Entscheidung pro Prokop ging eine wochenlange verbandsinterne Analyse voraus, in der die atmosphärischen Störungen zwischen Trainer und Mannschaft erörtert worden sind.

"Wir gehen ganz klar davon aus, dass weiterhin alle Spieler für Deutschland spielen wollen und das Projekt Heim-WM mit voller Kraft angehen werden", sagte Sportvorstand Axel Kromer, der bei den Gesprächen mit dem Team federführend war.

Prokop hatte die deutsche Mannschaft im März 2017 übernommen und besitzt beim DHB einen Vertrag bis 2022. In den bisherigen 17 Länderspielen unter seiner Regie gab es zehn Siege, drei Remis und vier Niederlagen. Von den sechs EM-Spielen gewann Deutschland allerdings nur zwei.

Prokop: Die Handball-Szene war gespalten

Dennoch wird Prokop die Bad Boys auf die großen Ziele WM-Medaille im eigenen Land und Olympia-Gold 2020 in Tokio vorbereiten dürfen. Das nächste Länderspiel steigt am 4. April in Leipzig gegen Serbien. "Wir haben uns dazu entschieden, den Weg bis 2022 nun gemeinsam gehen zu wollen", sagte Hanning.

Zuletzt wurde nicht bloß hinter verschlossenen Türen beim Verband eifrig diskutiert, ob Prokop noch der richtige Mann im wichtigsten Amt des deutschen Handballs ist. Die gesamte Szene war gespalten.

DHB-Präsident Andreas Michelmann betonte, dass es zuletzt eine "deutliche Entwicklung beim Trainer gegeben hat, die den DHB veranlasst hat, an eine erfolgreiche Zukunft zu glauben". Die Entscheidung würde aber auch "ein gewisses Risiko" bergen.

Hanning will Kräfte bündeln

Sogar Prokop-Fan Stefan Kretzschmar hatte zuletzt Zweifel an einer Zukunft des Coaches geäußert. Der Ex-Nationalspieler kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem den Aufstand aus Teilen der Mannschaft gegen Prokop. Es hätten sich Spieler ein wenig überschätzt, so der frühere Weltklasse-Linksaußen bei Sky. Einige Nationalspieler sollen vor der Entscheidung angekündigt haben, unter Prokop nicht weitermachen zu wollen.

"Jetzt geht es darum, dass wir die Kräfte bündeln müssen", sagte Hanning. Der charismatische Sportchef war es, der Prokop vor einem Jahr nach wochenlangem Pokern und Taktieren gegen etliche Widerstände und für die Rekordablöse von 500.000 Euro vom SC DHfK Leipzig losgeeist hatte. Mit dem Senkrechstarter der Szene sollte es nach dem Achtelfinal-Aus bei der WM 2017 in Frankreich zurück in die Weltspitze gehen.

Doch anstatt in Kroatien durch Leistung zu überzeugen, rückten Prokops überraschende Kaderzusammenstellung und unterschiedliche Auffassungen über die taktische Ausrichtung in den Fokus. "Das ist jetzt abgehakt. Wir alle haben die alternativlose Vision, eine Medaille in Deutschland zu holen", sagte Hanning: "Da werden wir jetzt alles dransetzen."

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