Kiel zerbricht am Löwen-Bollwerk

Rafael Baena Gonzalez (Mitte) wurde teilweise hart bearbeitet
© getty

Die Rhein-Neckar Löwen haben im HBL-Knaller des 9. Spieltags den THW Kiel mit einer Machtdemonstration mit 24:20 (13:7) aus der mit 13.200 Zuschauern besetzten Mannheimer SAP-Arena geschossen. Besonders die Abwehr der Gastgeber war herausragend, der personell gebeutelte Meister fand zu spät in die Spur - und ist fast schon raus aus dem Titelrennen.

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Für den THW, der Rang drei belegt, war es bereits die dritte Niederlage im neunten Saisonspiel. Die Löwen thronen ohne Minuspunkt an der Tabellenspitze und haben auch bereits einen satten Vorsprung auf Mitfavorit Flensburg (5 Minuspunkte). Die SG setzte sich zeitgleich mit 31:25 (14:13) bei Aufsteiger DHfK Leipzig durch.

Bester Löwen-Werfer war Uwe Gensheimer mit 7 Toren (5 Siebenmeter) gefolgt von Alexander Petersson (5). Die weiteren Treffer besorgten Kim Ekdahl Du Rietz (3), Andy Schmid, Rafael Baena, Patrick Groetzki, Gedeon Guardiola (alle 2) und Harald Reinkind (1).

Treffsicherster Kieler war Joan Canellas (5) vor Rune Dahmke, Christian Sprenger, Domagoj Duvnjak (alle 3), Steffen Weinhold, Niclas Ekberg und Marco Vujin (alle 2).

Reaktionen:

Alfred Gislason (Trainer THW Kiel): "Der Löwen-Sieg ist verdient. Wir haben im Angriff eine sehr schlechte erste Halbzeit gespielt, waren viel zu behäbig. Sieben technische Fehler und daraus resultierende Gegenstöße waren einfach zu viel. Die Abwehr stand gut, Niklas Landin hat gut gehalten. Aber leider hatten wir auch am Ende zu viele Fehlwürfe, wodurch wir eine Überraschung verpasst haben. Joan Canellas und Domagoj Duvnjak waren am Ende einfach müde."

Nicolaj Jacobsen (Trainer Rhein-Neckar Löwen): "In der ersten Halbzeit war die Abwehr richtig gut. Und Mikael hat sehr stark gehalten."

Uwe Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen): "In der ersten Halbzeit haben wir auf einem ganz hohen Niveau gespielt, sechs Tore Vorsprung sind gegen den THW Kiel eigentlich nicht normal. Nach der Pause hat sich der THW in der Abwehr gesteigert, und wir waren im Eins-gegen-Eins vielleicht zehn Prozent zu langsam. Wir brauchten Erfolgserlebnisse, und als wir uns die erarbeitet hatten, haben wir den Sieg geschafft."

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Vor dem Spiel: Gislason muss am Kreis auf den schwer am Knie verletzten Patrick Wiencek verzichten, Neuzugang Anic steht sofort im Kader. Zudem fehlen die beiden Linksaußen Klein und Jansen. Der THW beginnt mit Landin im Tor und Toft Hansen am Kreis. Canellas, Duvnjak und Weinhold bilden den Rückraum, Dahmke und Ekberg die Außen.

Jacobsen bringt Appelgren im Kasten, Ekdahl Du Rietz, Schmid und Petersson im Rückraum. Am Kreis darf Baena ran, die Außenpositionen besetzen natürlich Gensheimer und Groetzki. Auch Hendrik Pekeler taucht wieder auf dem Spielberichtsbogen auf.

8.: Petersson wird beim Wurf gefoult, doch die Schiris lassen laufen - eine sonnenklare Fehlentscheidung. Die Kieler blasen zum Tempogegenstoß. Weinhold bedient Ekberg auf Rechtsaußen, der Appelgren keine Chance lässt und auf 2:3 verkürzt.

12.: Super gemacht von Petersson. Der Isländer läuft die THW-Abwehr mit vollem Tempo an, steigt hoch und zündet die Fackel. Landin kann da nur staunen. 4:3-Führung Löwen.

18.: Der THW wackelt, nach einer Bude von Schmid führt der Spitzenreiter mit 7:4. Die Norddeutschen stehen zwar ebenso gut in der Deckung wie die Löwen, agieren im Angriff aber zu pomadig.

24.: Anic kommt rein und bekommt gleich am Kreis eine Wurfmöglichkeit. Doch der bisher starke Appelgren pariert einmal mehr. Die Löwen machen es erneut schnell, Petersson tankt sich auf halbrechts gegen zwei Mann durch und trifft - 11:6.

30.: Halbzeit in Mannheim. 13:7!!! Es ist bislang eine Demonstration der Stärke der Löwen. In der Deckung überragend, auch im Angriff stark. Die Kieler wirken teilweise ratlos, ja verzweifelt. Geht da noch was im zweiten Durchgang?

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34.: Die Löwen leisten sich zu Beginn der zweiten Hälfte einige Leichtsinnsfehler. Sprenger und Canellas nutzen das zu zwei schnellen Treffern aus und verkürzen auf 9:13.

39.: Schmid vernascht Weinhold, der den Schweizer nur stoppen kann, indem er im Kreis verteidigt. Es gibt eine Zwei-Minuten-Strafe und Siebenmeter. Gensheimer tritt im ersten Heimspiel nach der Bekanntgabe seines Wechsels nach Paris an und macht das 15:11. Trotzdem: Der THW ist nun etwas besser im Spiel.

43.: Gibt's doch gar nicht. Landin hält jetzt plötzlich bockstark und auch im Angriff läuft es für Kiel. Vujin packt einen ansatzlosen Wurf aus und erzielt seinen zweiten Treffer zum 13:15. Im nächsten Angriff erzielt der bisher sehr mäßige Duvnjak aus dem Rückraum das 14:15. Was ist nur mit den Löwen los?

48.: Reinkind knallt die Kugel an den Pfosten. Ekdahl Du Rietz setzt hervorragend nach und holt zumindest den Siebenmeter raus. Gensheimer versenkt den dritten von vier Versuchen und beruhigt seine Teamkollegen und das in den letzten Minuten aufgrund des kleiner werdenden Vorsprungs etwas nervös werdende Publikum - 19:15.

54.: Einmal mehr versucht es Duvnjak völlig unnötig mit der Brechstange - kein Problem für Appelgren, der nach wie vor auf aller höchstem Niveau agiert. Die Chance zum möglichen 18:19 werfen die Zebras damit einfach weg. Im Gegenzug holt Büffel Baena den nächsten Siebenmeter raus. Gensheimer gegen Katsigiannis - ganz lässig über den Torhüter zum 20:17 abgerollt. War es das?

60.: Ja, das war es. Hochverdient setzen sich die Löwen durch, die im 24. Bundesliga-Spiel gegen den THW den sechsten Sieg bei 17 Pleiten und einem Remis feiern.

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Der Star des Spiels: Mikael Appelgren. Die großartige Abwehr der Löwen wurde nur noch durch den 26-jährigen Schweden zwischen den Pfosten übertroffen. Er spielte konstant stark, war mental permanent auf der Höhe und parierte 42,4 Prozent der Würfe. Chapeau!

Der Flop des Spiels: Domagoj Duvnjak. In der ersten Halbzeit war der THW an sich eine einzige Enttäuschung. Und auch in der Folgezeit kam praktisch kein Kieler an seine Topleistung ran. Weinhold? Schwach! Vujin? Schwach! Noch einen Ticken schlimmer lief es für Duvnjak. Er nahm einige wilde Würfe, kam deshalb auf eine Trefferquote von nur 33,3 Prozent und streute auch noch den einen oder anderen haarsträubenden Fehlpass ein.

Das fiel auf:

  • Gislason wartete mit einem überraschenden taktischen Kniff auf. Der Isländer brachte im Angriff von Beginn an immer wieder einen siebten Feldspieler, um die extrem offensive und aggressive Deckung der Gastgeber zu knacken. Sprenger machte zumeist den Springer mit dem Leibchen. Das Problem: Die Variante blieb wirkungslos.
  • Wieder einmal erwies sich die Abwehr als das Prunkstück der Löwen (gerade einmal etwas mehr als 20 Gegentore im Schnitt pro Partie in der laufenden Spielzeit). Die 6:0-Deckung stand wie eine Wand. Egal, ob es Kiel mit dem siebten Feldspieler oder einem 4:2-System ohne echten Kreisläufer versuchte: nichts ging. Allerdings lag der schwache Angriff der Gäste auch am sehr langsamen Spiel des THW. In den zweiten 30 Minuten spielte die Gislason-Truppe mit wesentlich mehr Tempo, war viel mehr in Bewegung.
  • Landin erlebte bei seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte eine Partie mit Höhen und Tiefen. Nach einer schwachen ersten Hälfte machte der Däne seine Sache im zweiten Durchgang wesentlich besser und war mit dafür verantwortlich, dass die Zebras zumindest kurzzeitig wieder ran kamen. Letztlich parierte er 36,4 Prozent aller Würfe.
  • Wer ist eigentlich nochmal Bjarte Myrhol? Ach ja, richtig: Die Kreisläufer-Legende der Löwen, die den Klub im Sommer verlassen hat. Zugegeben: Der Vergleich mit Myrhol hinkt. Aber was Baena mit seiner Masse für Lücken in der Abwehr der Zebras gerissen hat, war aller Ehren wert und ein wichtiger Faktor.

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