"Es wurden falsche Entscheidungen getroffen"

Von Felix Götz
Florian Kehrmann spielt seit 1999 für den TBV Lemgo
© Getty

Kleinerer Etat, kleinere Ziele und eine neu gestaltete Mannschaft: Der TBV Lemgo hat innerhalb von nur einem Jahr eine ziemliche Wandlung vollzogen. Eine Wandlung, die nicht ganz freiwillig vonstatten ging, die aber auch Chancen mit sich bringt - wie die beiden Weltmeister Holger Glandorf und Florian Kehrmann im Gespräch mit SPOX verraten.

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Es ist gerade mal ein gutes Jahr her, dass der TBV Lemgo mit aller Macht in die Champions League stürmen und in der Liga möglichst die Topteams Hamburg und Kiel ärgern wollte. Das Verpassen der Königsklasse durch schwache Auftritte beim Qualifikationsturnier war Grund genug, zu Beginn der Saison 2009/2010 Trainer Markus Baur und den Sportlichen Leiter Daniel Stephan vor die Tür zu setzen. Eine Entscheidung, die bis heute für viele nur schwer nachvollziehbar ist.

Es folgte eine Spielzeit voller Höhen und Tiefen, in der Konstanz beim TBV vor allem eines war: ein Fremdwort. In der Bundesliga reichte es gerade mal für den siebten Platz. Die Enttäuschung war derart groß, dass der Sieg im EHF-Pokal beinahe untergegangen wäre.

Ziel ist ein internationaler Wettbewerb

Seither hat sich einiges getan, beim zweimaligen deutschen Meister wurden die Ansprüche gezwungenermaßen nach unten geschraubt. Der Etat wurde laut "Handballwoche" um 1,2 Millionen Euro auf etwa sechs Millionen Euro gesenkt. Die Sponsoren dämmten aufgrund der allgemein angespannten wirtschaftlichen Lage ihr Engagement ein.

"Wir können nicht mehr so stark investieren wie einige andere Vereine. Ich denke, dass die neuerliche Qualifikation für einen Platz im internationalen Wettbewerb das Ziel sein sollte", sagte Coach Volker Mudrow zu Saisonbeginn. Dabei scheint es keineswegs sicher, dass dieses Ziel tatsächlich erreicht wird.

Auch Holger Glandorf und Florian Kehrmann lehnen sich im Gespräch mit SPOX nicht allzu weit aus dem Fenster. "Alle wissen, dass es nicht einfach wird. Es wäre ein großer Erfolg, wenn wir einen internationalen Wettbewerb erreichen würden", so Glandorf.

Kehrmann pflichtet bei: "Das wird eine ganz enge Sache. Es wird auch davon abhängen, wie weit die deutschen Teams im Europapokal kommen und wie viele Plätze dann zur Verfügung stehen." Zur Einordnung: In der vergangenen Saison sprang Großwallstadt als Achter als letztes Team auf den Zug nach Europa auf.

Lemgo bald eine graue Maus?

Grund zur Skepsis liefert auch der durchwachsene Saisonstart der Lemgoer - 8:6 Zähler, Rang neun. Wobei vor allem das 24:24 bei der bis dato punktlosen HSG Wetzlar bitter aufstößt. "Insgesamt glaube ich, dass wir ein bis zwei Punkte zu wenig geholt haben. Einige Teams, die mit uns auf Augenhöhe sind, haben einen etwas besseren Start erwischt", meint Kehrmann, mit 33 Jahren einer der Routiniers beim TBV.

In nur einem Jahr vom Champions-League-Anwärter ins Mittelmaß. Und das, obwohl der Kader sicherlich nach wie vor nicht schlecht besetzt ist. Allerdings kann der TBV zu selten seine volle Leistungsstärke im Spiel abrufen.

Sinnbildlich dafür steht Glandorf, von dem manche sagen, dass sie ihn in Lemgo in Sachen Konstanz nie so gut gesehen hätten, wie es der 27-Jährige zu seiner Zeit in Nordhorn war.

"Ich kann die Kritik schon nachvollziehen", sagt Glandorf dazu. Verweist zu recht aber auch auf Verletzungen, die ihn ab und an ausgebremst haben. Die schleichende Lemgoer Rückentwicklung ist natürlich ohnehin nicht nur am Rückraumspieler festzumachen.

Wurden grundsätzliche Fehler gemacht?

Viel mehr stellt sich die Frage, ob in der Vergangenheit nicht grundsätzliche Fehler gemacht wurden. Wollte der TBV womöglich zu hoch hinaus? War es für einen Verein wie Lemgo nicht schlichtweg unrealistisch, sich mit Kiel, Hamburg oder den Löwen messen zu wollen?

"In der Vergangenheit waren Mittel da, um das Ziel Champions League zu formulieren. In der heutigen Wirtschaftslage ist es aber ganz normal, dass Sponsoren sagen, sie wollen das nicht mehr in dem Umfang machen. Dann muss man eben die Konsequenzen ziehen und beim Etat einsparen. Das hat man in Lemgo richtigerweise gemacht", meint Weltmeister Glandorf.

Falsche Entscheidungen getroffen

Kehrmann hingegen gibt unumwunden zu: "Es wurden sicherlich in der Vergangenheit ein paar Entscheidungen falsch getroffen." Wobei der Rechtsaußen auch anmerkt: "Man sollte nicht alles schlechter machen, als es ist. Lemgo spielt seit zwölf Jahren kontinuierlich im Europapokal. Es gibt nicht so viele Vereine, die das geschafft haben."

Der Faden nach ganz oben ist dennoch abgerissen. Kehrmann sagt ganz klar: "Man muss schon sehen, dass der HSV, Kiel und mittlerweile auch die Rhein-Neckar Löwen in einer anderen Liga spielen. Auch was die finanziellen Möglichkeiten betrifft."

Der TBV versucht nun, seinen Platz in der Liga zu finden. Dazu wurde die Mannschaft von Geschäftsführer Volker Zerbe und Co. umgekrempelt. Sechs Spieler kamen, sechs Spieler haben die Lipperstädter verlassen. Darunter Michael Kraus, der nach langem Hin und Her nach Hamburg wechselte.

Glandorf sieht im Umbruch eine "Chance für den Verein". Und auch Kehrmann blickt optimistisch in die Zukunft: "Mir ist da nicht bange. Ich glaube, dass wir in dieser Saison noch aufhorchen lassen."

Umbruch wird honoriert

Die Fans in Lemgo scheinen erleichtert zu sein, dass nun ein Umbruch stattfindet. Was damit zu tun hat, dass in der vergangenen Saison eher selten eine echte Mannschaft auf der Platte stand. Innerhalb des Teams soll nicht immer die beste Stimmung geherrscht haben.

"Ich glaube den Fans ist es lieber, wenn sie eine Mannschaft sehen, die füreinander kämpft, als wenn man ein Team hat, das keine große Lust hat", sagt Glandorf. Und Kehrmann fügt hinzu: "Die Leute honorieren, dass ein neues Team aufgebaut wird, das alles gibt. Die Fans in Lemgo haben da schon Spaß dran. Das merkt man."

Entscheidend ist allerdings, was am Ende dabei herauskommt - in Punkten. Denn ein Umbruch muss zwangsläufig zu Erfolgen führen, sonst wäre er gescheitert. Sollte dies nicht gelingen und die Entwicklung weiter nach unten zeigen, dann werden auch die Topspieler nach und nach aus Lemgo verschwinden. Mimi Kraus könnte nur ein Anfang gewesen sein.

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