HSV scheitert mit Ansage: Aus dem Abstieg nichts gelernt

Von Daniel Jovanov
Der Hamburger SV hat die Rückkehr in die Bundesliga verpasst.
© getty

Nach dem erstmaligen Abstieg seiner Vereinshistorie dachten viele beim Hamburger SV, dass sich endlich alles ändern würde. Befreit vom schweren Erbe der erfolgreichen Vergangenheit und alten Gewohnheiten schienen die Weichen für den Neuanfang gestellt zu sein. Mit einer Radikalkur auf der Führungsebene und einem jungen, sympathischen Trainer weckte der HSV im neue Euphorie bei Fans und Umfeld. Doch es kam anders.

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Selten wurde ein Absteiger derart wohlwollend in die Zweitklassigkeit begleitet wie in Hamburg. Die Fans haben ein feines Gespür entwickelt und den Abstieg nicht als Ende, sondern vielmehr als neue Chance verstanden.

Von Europa träumte in der Hansestadt schon lange niemand mehr. Der Traum vom Wiederaufstieg hingegen ist schon nach 33 Spieltagen ausgeträumt. Verspielt hatte ihn der HSV wegen einer desaströsen Rückserie mit nur 16 Punkten aus 16 Spielen.

Seither grübeln die Verantwortlichen über die Ursachen dieses sportlichen Desasters. Eine davon finden sie in der Vorbereitung auf die neue Saison vor einem Jahr.

HSV: Abstiegs-"Euphorie" vernebelte die Sinne

Fehler Nummer eins: Die Beförderung von U21-Coach Christian Titz zum dauerhaften Cheftrainer der Profis. So romantisch sich die Geschichte des 48-Jährigen auch angehört haben mag, von den Niederungen des Amateurfußballs hoch ins knallharte Profigeschäft - die Aufgabe Wiederaufstieg war für den unerfahrenen Fußball-Lehrer zu groß.

Seine zunächst hoch gelobte Taktik entpuppte sich schnell als ziemlich wackelig und führte sogar zu einer 0:5-Blamage vor heimischem Publikum gegen Jahn Regensburg.

Allerdings ließen sich die Verantwortlichen bei ihrer Entscheidung pro Titz zu stark von der Abstiegs-"Euphorie" in der Stadt leiten. Der Trainer genoss bei den Fans Kultstatus und galt als der entscheidende Faktor für die neue Hoffnung bei den Anhängern.

Ihn schon vor der Saison durch einen anderen Trainer zu ersetzen, hielten die Klubbosse der Öffentlichkeit als nicht vermittelbar. So gingen sie einen Kompromiss ein, der weitreichende Auswirkungen auf die Kaderplanung hatte.

HSV-Führungsspieler enttäuschten

Bei der Auswahl seiner Stützen im Team lag Titz mehrfach falsch: Vor allem Lewis Holtby, Gotoku Sakai und Aaron Hunt zeigten viel zu selten, warum der HSV ihre Verträge verlängerte.

Seinem Kapitän aus der U21, Matti Steinmann, den Titz in die erste Mannschaft zog und zum Stammspieler beförderte, wurde schon nach wenigen Spieltagen in der zweiten Liga die Profitauglichkeit abgesprochen. Auch Wunschtransfer Christoph Moritz vom abgestiegenen 1. FC Kaiserslautern war ein Flop und kam nie über Kurzeinsätze hinaus.

Gideon Jung hingegen, fest als Führungsspieler eingeplant, verletzte sich in der Vorbereitung schwer, fehlte ein halbes Jahr und fand anschließend nie mehr zu seiner Form.

Systemversagen beim Hamburger SV

Mit dem Trainerwechsel zu Hannes Wolf nahmen die Verantwortlichen nach zehn Spieltagen die dringend notwendige Kurskorrektur vor, die dem HSV bis zum Jahreswechsel die Tabellenführung und sechs Punkte Vorsprung auf die Nichtaufstiegsplätze brachte.

Warum die Mannschaft anschließend derart einbrach, versuchte der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann so zu erklären: "Es gibt nicht die eine Ursache, es handelt sich um ein Systemversagen. Unser gesamtes Sportsystem ist seit dem Januar kollabiert."

Die Gründe für dieses Versagen sind vielfältig. Sie reichen von Fitnessdefiziten bei einigen Spielern, Verletzungen, taktischen Fehleinschätzungen bis hin zu jeder Menge Leaks.

Gerüchte beförderten Unruhe im Team

Angefangen von der durchgesteckten Info über den vorzeitigen Verkauf von Sturmtalent Fiete Arp an den FC Bayern, den Entscheidungen gegen neue Verträge für Pierre-Michel Lasogga und Lewis Holtby, der Verlängerung des Vertrages von Leihspieler Orel Mangala bei seinem Heimatverein VfB Stuttgart oder der Kaufpflicht für den ebenfalls geliehenen Verteidiger Leo Lacroix im Falle eines Aufstieges - fast alles rund um die Zukunft dieser Mannschaft wurde nach alter HSV-Tradition öffentlich diskutiert.

Andere wiederum sollten unbedingt ins Schaufenster gestellt werden, weil der HSV im Sommer auf Einnahmen angewiesen ist. Eine gesunde Mischung ergab das nie. Und daran ist Hannes Wolf verzweifelt: "Irgendwann war es dann auch egal, wen du aufstellst."

Die Verantwortlichen müssen sich vorwerfen lassen, nicht rechtzeitig entgegengesteuert zu haben. Vielleicht wären viele interne Probleme besser zu managen gewesen.

Hecking gilt als heißester Kandidat

Der Nichtaufstieg ist allerdings nicht unverdient: Wer als Aufstiegsaspirant nur 42 Tore schießt - Köln liegt bei 83 Treffern - hat in der Bundesliga ohnehin nichts zu suchen. Die Lehren aus dieser Saison?

"Wir sind seit Jahren im permanenten sportlichen Krisenmodus, der immer im Austausch einzelner Personen endet. Das macht es kurzfristig besser, aber hat dauerhaft keinen Effekt gehabt. Wir müssen den Kreislauf irgendwann mal durchbrechen, dass wir immer alles auf den Trainer reduzieren", fordert Vorstandschef Hoffmann, während er gleichzeitig schon nach einem neuen Trainer sucht.

Dieter Hecking gilt als heißester Kandidat. Die Tage von Hannes Wolf sind längst gezählt. Das bestätigte Sportvorstand Ralf Becker der Bild-Zeitung: "Ich habe Hannes nach dem 0:3 gegen Ingolstadt gesagt, dass es für ihn hier im Sommer nicht weitergehen wird, dass wir etwas anderes machen wollen."

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