50 minus Hasan

Hasan Ismaik stieg 2011 beim TSV 1860 München als Investor ein
© imago

Der TSV 1860 München schafft es mit einer erstaunlichen Ausdauer, sich von Tiefpunkt zu Tiefpunkt zu hangeln. Die Vorgänge der vergangenen Tage mit der Entlassung von Trainer Kosta Runjaic sowie der Entmachtung und späteren Freistellung von Geschäftsführer Thomas Eichin zeigen, dass Investor Hasan Ismaik gänzlich die Kontrolle über die Löwen übernommen hat - die 50+1-Regelung ist in München-Giesing praktisch nicht mehr wirksam. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Nino Duit.

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Das soziale Medium Facebook hat mit seinen Kollegen twitter und Co. in den vergangenen Jahren bekanntlich klammheimlich großen Einfluss auf den Lauf des Weltgeschehens erlangt. Es kann mittlerweile Wahlen entscheiden, oder zumindest mitentscheiden, es kann Menschen durch Falschinformationen in Massenpaniken versetzen und sogar live sein. Ursprünglich wurde es aber mal dazu geschaffen, Menschen zu unterhalten und ihnen Zerstreuung zu liefern.

"Back to the roots", wird sich Hasan Ismaik, Investor des TSV 1860 München, vor einem knappen Jahr wohl gedacht haben oder auch nicht. Er eröffnete jedenfalls seinen Facebook-Account Ismaik1860. Der deutschen Fußball-Öffentlichkeit wird seitdem Realsatire vom feinsten geboten, gleichzeitig liefert Ismaik1860 in der heutigen verpresseabteilungisierten Welt des Profifußballs tiefe und einmalige Einblicke in die Gedankengänge des wohl kuriosesten Vereinsverantwortlichen Deutschlands. Verstörende Einblicke.

Die Fesseln des Löwenvereins

"Wie kann es sein, dass ein traditionsreicher Verein, wie der Löwenverein, sich quasi permanent in einer gefesselten Lage befindet", schrieb Ismaik in einem seiner ersten Beiträge im Januar dieses Jahres. Damit kreierte er nicht nur den wunderbaren Begriff "Löwenverein", sondern machte auch neugierig. Welche Fesseln?

In den kommenden Wochen und Monaten wurde immer deutlicher, was Ismaik als Fessel erachtet: Die 50+1-Regelung der DFL, wonach keine Einzelperson per Handstreich einen deutschen Profiverein übernehmen darf. "Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, und dennoch steht die 50+1-Regel unserer Entwicklung im Weg", schrieb er etwa und sagte später im kicker, dass "der Fußball ohne 50+1 gesünder wäre".

Sollte die Regelung abgeschafft werden, so würde Ismaik gar "200 Millionen Euro für Stars" zur Verfügung stellen. Seine Vision mit dem TSV 1860 nicht nur in einem eigenen Stadion mit angrenzenden Löwenkäfigen (alle Löwenrassen sollen vertreten sein), sondern auch in der Champions League zu spielen, wäre wohl zum Greifen nahe. Für mehr Macht große Versprechungen machen. Ein alter Trick, der aber eigentlich nie alt wird.

Erzieherische Maßnahmen

Der TSV 1860 hängt am Tropf seines Investors. 2011 stieg Ismaik bei den Löwen ein und rettete sie somit vor der Pleite, seitdem muss Jahr für Jahr gezittert werden in München-Giesing, ob Ismaik die alljährlichen Defizite des chronisch misswirtschaftenden Vereins ausgleicht und den Klub so am Leben hält. Gerne reizt Ismaik das bis zur letzten Minute aus und riskiert gar Strafen der DFL. Erzieherische Maßnahmen eben.

Erwirken will er mit diesen erzieherischen Maßnahmen die absolute Macht und sein Spiel funktioniert. Immer mehr treue Gefolgsleute hievte er im Klub in verantwortungsvolle Positionen. Aus Angst vor einem Ende der finanziellen Zuwendungen schaute der Verein ebenso erstarrt wie schweigend zu. Die absolute Kontrolle übernahm Ismaik dann vor zwei Wochen im Rahmen der Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern. Sie endet 1:1, doch das Ereignis war ohnehin irrelevant.

Narrenfreiheit in München-Giesing

Bereits vor der Partie wurde beschlossen, Thomas Eichin im Anschluss als Geschäftsführer abzubestellen. Ersetzt wurde er durch Ismaiks Bekannten Anthony Power. Erstmals hatte der Investor nun die absolute Kontrolle über den Klub inne. Gleichzeitig entließ Ismaik kurzerhand Trainer Kosta Runjaic, Eichin bekam davon schon nichts mehr mit.

Der vierköpfige Beirat, der mit zwei Vertretern von Ismaik und zwei des Vereins besetzt ist, ist nun das einzige Gremium, das die Einhaltung der 50+1-Regel theoretisch noch gewährleistet. Doch auch dort heißt es: Wer zahlt, bestimmt - bestens zu begutachten beim Umgang mit Eichin. "Unwahr ist, dass der TSV 1860 Thomas Eichin entmachtet hätte", schrieb Ismaik nach Eichins Entmachtung. Mittlerweile ist er nicht nur entmachtet, sondern auch entlassen.

Die kritische Medienberichterstattung ob dieser Vorgänge sanktionierte Ismaik konsequent. "Ich respektiere die Pressefreiheit in Deutschland, aber das geht eindeutig zu weit", schrieb er, respektierte sie eher nicht und sprach in der Folge ein Medienboykott aus. "Mit ihrer Lügenkampagne bringen die Medien mich jeden Tag noch näher an 1860 als weg davon", hieß es in einem Facebook-Beitrag, der als drohend aufgefasst werden darf. "Der TSV 1860 ist zum Spielball von dunklen Interessen geworden", schrieb Ismaik auch und lieferte so aus eigener Tastatur (oder der seiner Social-Media-Verantwortlichen) eine Zusammenfassung, die treffender kaum sein könnte.

Der Klub lässt Ismaik tun und lassen und zeigt somit, dass er keine Handhabe mehr gegen das Handeln seines Investors hat. Hasan Ismaik genießt beim TSV 1860 München absolute Narrenfreiheit. Eine andere Interpretation lassen die Geschehnisse der vergangenen Wochen nicht zu.
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