Die Bestie lümmelt auf der Couch

Von Andreas Lehner
Ribery, Franck, Getafe, Bayern
© Getty

München - Es gab Zeiten, da wurden die Bayern in Spanien voller Ehrfurcht nur "la bestia negra", die schwarze Bestie, genannt.

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Es waren Zeiten, in denen Stefan Effenberg das Mittelfeld dominierte und selbst die Stars von Real Madrid schon zitterten, wenn sie nur den Namen Bayern München hörten.

Diese Angst ist in Spanien mittlerweile verschwunden. Die spanische Sportzeitung "As" bildete deshalb nach der Viertelfinalauslosung im UEFA-Cup auf seiner Internetseite ein Foto ab, auf dem sich Kahn, Toni und Co. bei Werbeaufnahmen auf einer Couch räkeln. Eine Bestie sieht anders aus.

Sündige Stürmer

Beim Spiel gegen den FC Getafe machten die Bayern in ersten halbe Stunde aber den Anschein, als könnten sie wieder in ihre alte Rolle schlüpfen. "Wir haben 35 Minuten sehr gut gespielt, in dieser Phase hätten wir aber das 2:0 machen müssen", befand Ottmar Hitzfeld. Luca Toni hatte die Bayern wieder einmal in Führung gebracht (der Treffer von Toni im SPOX-Replay). Doch außer dem Italiener, der sein achtes UEFA-Cup-Tor erzielte, ließ der designierte deutsche Meister zu viele Chancen liegen.

"Für die Abwehr ist das nicht gut, wenn die Stürmer oder die Mittelfeldspieler sündigen. Da weiß die Abwehr, dass es am Ende eng wird", kritisierte Hitzfeld die Fahrlässigkeit.

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Leichtfertig und überheblich

Seine Spieler machte das allerdings nicht unruhig, sondern selbstsicher. Nach schwungvoller Anfangsphase holten sie Getafe ohne Not zurück ins Spiel - eine Mannschaft immerhin, die in dieser Saison bereits bei Real Madrid und den Tottenham Hotspur gewonnen hat. Der Rekordmeister ließ es dagegen ruhiger angehen und machte es sich auf seinem Vorsprung bequem. Die Couch-Bayern kamen zum Vorschein.

Den Bayern scheint ihre Unantastbarkeit in der Bundesliga nicht gut zu bekommen. Schon gegen Nürnberg spazierten sie nach 20 starken Minuten nurmehr über den Platz.

Auch gegen Leverkusen ließen sie eine Vielzahl von Chancen ungenutzt und mussten am Ende noch zittern. In der Liga geht das in den meisten Fällen gut, doch "international wird's dann eng", wie Oliver Kahn feststellte.

Die Bayern müssen sich deshalb die Frage stellen, warum sie ihre spielerische Überlegenheit zu selten in Tore ummünzen und ihre Spielweise so schnell in Leichtfertigkeit und zum Teil auch in Überheblichkeit vor dem Tor ausartet.

Das Tor schon kommen sehen

Besonders gut zu beobachten in der zweiten Hälfte, als Getafe mehr Risiko im Spiel nach vorne nahm, hinten damit Räume offenbarte und die Bayern mehrere gute Konterchancen hatten, diese aber schlecht ausspielten. "Wir machen einfach das Spiel nicht zu. Wir machen zu selten die Tore, die man machen muss", kritisierte Kahn.

Die Redensart, dass es sich oft rächt, wenn man seine Torchancen nicht nutzt, bewahrheitete sich dann. "Man hat das Gegentor schon kommen sehen", meinte auch Lukas Podolski.

Jansen völlig überfordert

Doch warum wehrten sich die Bayern gegen das drohende Unheil dann nicht mit mehr kämpferischer Leidenschaft und warum wartete Hitzfeld so lange, bis er neue Impulse von der Bank brachte?

Erst spät erlöste er den auf der linken Seite völlig überforderten und nach 50 Minuten erschöpft wirkenden Marcell Jansen. Auch im Sturm hätte sich der nur anfangs starke Podolski für eine Auswechslung angeboten. So trabten die Bayern aufreizend lässig ihrem Schicksal entgegen.

Lell an Arroganz kaum zu überbieten

Vor dem Ausgleich vertändelte der ansonsten souveräne Martin Demichelis im Mittelfeld den Ball, so dass die Bayern in der 90. Minute mit einer 1:0-Führung im Rücken in einen Konter liefen.

Diesen konnte Kahn zunächst entschärfen, was für seine Mitspieler offenbar das Signal war, sich in Ruhe auf den Abpfiff zu konzentrieren, denn keiner der sieben Bayernspieler im Strafraum fühlte sich bemüßigt, dem von Kahn abgewehrten Ball hinterherzugehen und die Spanier zu stören.

Einen völligen Blackout hatte Christian Lell, der schimpfend Richtung eigenes Tor marschierte und mit seinen Stollen gegen den Pfosten donnerte, während Getafe durch Cosmin Contras feinen Lupfer den Ausgleich erzielten (den Ausgleich der Spanier im SPOX-Replay anschauen).

Eine an Arroganz kaum zu überbietende Aktion von Lell, der erst in der 80. Minute eingewechselt worden war.

Endspiel in einer Woche

Durch ihre mangelnde Einstellung und fehlende Konzentration haben sich die Bayern ein echtes Endspiel in Getafe in der nächsten Woche eingehandelt.

"Vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht. Wenn wir gewonnen hätten, hätten wir dort vielleicht nur mit 90 Prozent gespielt. Da haben wir jetzt eine richtige Europapokalnacht vor uns. Mit allem drum und dran. Aber wir sind hundertprozentig von uns überzeugt und werden da auch weiterkommen", offenbarte Kahn. Immerhin hat sich der Oldie einen Hauch von Bestie bewahrt.

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