Einmal Himmel und zurück

Ex-Präsident Agapito Iglesias hat viel an Sympathien eingebüßt
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Einst gewann Real Saragossa den Europapokal der Pokalsieger. Jahre später steht der Verein finanziell vor dem Ende, der Ex-Präsident sieht sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.

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Alles sah schon nach Elfmeterschießen aus. Gunners-Coach Stewart Houston hatte bereits Stift und Zettel organisiert, Victor Fernandez auf der anderen Seite erging es nicht anders. 120 Minuten waren in einer rassigen Partie gespielt. Hin und her ging es, Juan Esnaider hatte den Außenseiter aus Spanien in Führung gebracht, John Hartson zur Verlängerung ausgeglichen.

Referee Piero Ceccarini hatte die Pfeife schon fast im Mund, da nahm sich der eingewechselte Nayim ein Herz. Vor 15 Minuten hatte er noch die Gelbe Karte gesehen, unter die ersten Elfmeterschützen wäre er wohl nicht gekommen. Ein gebrauchter Tag hätte es werden können für den ehemaligen Spurs-Spieler.

Dann kam die 120. Minute und das vielleicht beste Tor der UEFA-Cup-Geschichte. Andy Linighan klärt in die Füße von Nayim und weicht sofort zurück.

Sein Gegenspieler kommt jedoch nicht näher, sondern schweißt aus gut 40 Metern von der rechten Seitenlinie den Ball über Kult-Keeper David Seaman zum 2:1 in die Maschen. Houston ließ den Zettel fallen, Fernandez rannte mit ausgestreckten Armen und hoch angezogenen Knien auf den Platz.

Durchschnittliche Ligaplatzierungen

19 Jahre später spricht man in Saragossa noch gerne von diesem einen Spiel an einem warmen Mai-Abend in Paris. Denn die Realität sieht düster aus, die Fans schwelgen in Erinnerungen, um nicht an die Zukunft denken zu müssen. Aus einem Europapokalsieger ist im besten Fall eine Fahrstuhlmannschaft geworden, Opfer der eigenen Misswirtschaft und der sportlichen Erfolge.

Auf den ersten und bislang letzten europäischen Erfolg der Klubgeschichte folgten große Pläne. Savo Milosevic kam von Aston Villa, Diego Milito und Pablo Cesar Aimar schnürten ihre Schuhe für den Klub aus Aragonien.

In der Liga blieb es beim Durchschnitt, in Pokalwettbewerben ging es jedoch mehr als einmal hoch hinaus. 2006 führte Torjäger Ewerthon das Team zu Siegen über Real Madrid (6:1) und den FC Barcelona (4:2) ins spanische Pokalfinale.

Der damalige Eigentümer Alfonso Solans witterte das Geschäft seines Lebens und verkaufte den Klub, den er einst von seinem Vater übernommen hatte. Als erster spanischer Verein, der sich zu einer AG umwandelte, gehörten gut 85 Prozent fortan Agapito Iglesias, einem Unternehmer aus derselben Stadt, der gleich seine Personalwünsche umsetzte.

Nachdem die Amtszeit des ehemaligen Wirtschaftsministers Eduardo Bandres nur bedingt erfolgreich verlief, übernahm Iglesias schließlich im Dezember 2008 endgültig das Zepter - nun auch als Präsident.

Fahrstuhlmannschaft mit großen Sorgen

Der Abstieg hatte jedoch schon begonnen. Auch Feuerwehrmann Manuel Villanova konnte die Mannschaft nicht vor dem Gang in die zweite Liga bewahren, nur um zusehen zu müssen, wie sein Nachfolger Marcelino Toral gleich in der folgenden Saison der Wiederaufstieg gelang. Es war noch nicht das letzte Kapitel im steten Auf und Ab: Zum Ende der Saison 2012/13 ging es bereits wieder in die Segunda Division.

Beinahe wäre es für den sechsmaligen Pokalsieger noch ein Geschoss tiefer gegangen. Plötzlich musste man nicht nur noch ein Leck stopfen im sinkenden Schiff. 113 Millionen Euro Verbindlichkeiten drückten den Klub Richtung Auflösung, alleine 29 Millionen Euro waren an Steuern fällig. Tatsachen, die man zuvor ignoriert hatte. Tatsachen, die von der sportlichen Krise noch überschattet worden waren.

Von "Alarmstufe Rot" sprach Liga-Präsident Javier Tebas, bis Ende Juli setzte er die Frist für Saragossa, Besserung zu geloben und diesmal vor allem mit Taten zu unterstreichen.

"Wenn nicht eine Serie von Dingen passiert, die uns zufrieden stellt, können wir nicht garantieren, dass man im nächsten Jahr Zweitliga-Fußball sehen wird. Die Lage ist sehr, sehr dramatisch", machte Tebas weiter Druck.

Jahreskarte für 100 Euro

Zuvor waren bereits zahlreiche Panikversuche gescheitert. Iglesias verkaufte einen Großteil seiner Anteile an mehrere Investoren aus Aragonien und England.

Weil die Mitglieder daraufhin absprangen, wurden die Kosten dramatisch gesenkt. Den fast 6000 Fans, die dem Verein den Rücken kehrten, wurden Jahreskarten im Wert von 100 Euro versprochen - keine fünf Euro pro Spiel.

Knapp 16.000 Mitglieder waren es noch Mitte der Saison 2013/14, das ehrwürdige Romareda umfasst 34.000 Plätze. Vor zehn Jahren hatte man es noch ausbauen wollen, ehe die Pläne von der spanischen Bauaufsicht gekippt wurden. Nun gab es nicht genug Fans, um das Stadion auch nur zur Hälfte zu füllen. Mitten in die sportliche und finanzielle Krise platzte die "Marca".

Motivationszahlungen und Bestechung?

Ein Bericht der spanischen Tageszeitung enthüllte Ermittlungen rund um eine Erstligapartie zwischen Levante und Saragossa von 2011. 1,2 Millionen Euro sollen geflossen sein, um den letztlich mit 2:1 erfolgreichen Aragoniern den Sieg und damit den Klassenerhalt gesichert zu haben.

Hauptverdächtiger: Agapito Iglesias. An neun Spieler und Coach Javier Aguirre habe er demnach 85.000 Euro überwiesen, weitere 350.000 Euro verschwanden an jenem Tag von seinem Konto.

Das Geld landete wieder beim Klub. Doppeltorschütze Gabi, heute bei Atletico Madrid, gab zu Protokoll, dem "Verein aushelfen" gewollt zu haben. Dabei machen nicht nur die "Motivationszahlungen" Sorgen, im Anschluss an die Partie seien die Käufe von Luxusartikeln im Levante-Lager merklich angestiegen, nachweisbar ist bisher noch nichts.

Ein letztes Mal

Iglesias tat seinem Verein somit im Juli 2014 einen letzten Dienst. Er kaufte die Aktien, die er einst selbst verkauft hatte, zurück, nur um sie direkt für einen einzigen Euro an die "Fundacion Zaragoza 2032" weiterzugeben.

Der Präsident zog sich nach den Vorwüfen aus der "Marca" zurück und übergab die Leitung des Klubs in die Hände von Cesar Alierta, Präsident des Telekom-Konzerns Telefonica, dessen Vater einst selbst die Geschicke Saragossas leitete.

"Wenn Iglesias darauf nicht eingeht, wird der Klub verschwinden", hatte Sprecher Jose Antonio Martin Peton gedroht - wenig später landeten 8,1 Millionen Euro beim spanischen Finanzamt.

Die Fundacion Zaragoza hat den Verein vorerst davor bewahrt, von der Bildfläche zu verschwinden. Allerdings bleiben noch immer über 100 Millionen Euro Schulden, ehe man wieder von warmen Abenden in Paris träumen kann.

Der Kader von Real Saragossa

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