Der 60-Millionen-Euro-Tiger

Von Thomas Gaber
Radamel Falcao führt mit Messi und Ronaldo die Torjägerliste in Spanien an
© Getty

Radamel Falcao von Atletico Madrid ist einer der begehrtesten Stürmer der Welt. Seine Trefferquote ist beeindruckend, viele vergleichen den Kolumbianer schon mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. In seinem Heimatland wird er wie ein Gott verehrt. Dabei verlief Falcaos Karriere nicht immer nach Plan.

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Miguel Angel Gil Marin ist kein Freund von übertriebener Publicity. Wann immer der Boss von Atletico Madrid in den Medien auftritt, spricht er dezidiert, das Poltern überlässt er lieber anderen.

Nach dem 4:1 im europäischen Supercup-Finale gegen den FC Chelsea Ende August sagte Gil über Atleticos Dreifach-Torschützen Radamel Falcao: "Es gibt ihn nur einmal. Und er gehört uns."

"Ihr könnt mich alle am Arsch lecken"

Es lässt sich nur spekulieren, was Angel Gils berühmter Vater nach der Gala des kolumbianischen Stürmers gesagt hätte, aber Jesus Gil y Gil wäre sicherlich etwas eingefallen. Zwischen 1987 und 2003 war der 2004 verstorbene Gil y Gil Präsident von Atletico und aus dieser Zeit stammen jede Menge Anekdoten des Politikers und Bauunternehmers.

Gil y Gil hat mit Vorliebe Stadtrivale Real Madrid unflätig beschimpft, Journalisten verprügelt oder ihnen ins Mikrofon gerülpst. Spaniens Presse hat Gil y Gil geliebt; der Exzentriker lieferte wöchentlich Verkaufsschlager-Headlines.

Ein Atletico-Fan schrieb bei "Marca.com" nach Falcaos Hattrick, dass er mehr denn je Atleticos Ex-Patron vermisse und verfasste ein Zitat, das Gil y Gil wohl sehr nahe gekommen wäre: "Ob Real Madrid, Barcelona oder wer auch immer: Ihr könnt mich alle am Arsch lecken! Falcao ist Spieler von Atletico und er wird es auch die nächsten verdammten Jahre bleiben."

Fast auf einer Stufe mit Messi und Ronaldo

Sohnemann Miguel sieht die Dinge etwas nüchterner, vor allem aber realistischer. Radamel Falcao über die laufende Saison hinaus zu halten, betrachtet der Chef der Rojiblancos als nahezu unmöglich.

"Wenn wir im nächsten Jahr nicht Champions League spielen, können wir nicht das bezahlen, was Falcao verlangt. Und dann können wir auch nicht mit dem mithalten, was ein Verein wie Real Madrid bezahlen kann", sagte Gil Marin nach Atleticos 2:1-Last-Minute-Sieg gegen den FC Malaga, dem sechsten Dreier im siebten Ligaspiel für Madrid.

Mit acht Treffern führt Falcao die Torjägerliste in Spanien an, gemeinsam mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Nicht wenige Experten trauen Falcao zu, den beiden Megastars der Szene langfristig Paroli bieten zu können, wenn es um den Pichichi, den besten Torjäger der Saison in Spanien, geht.

"Falcao hat Atletico zum Europa-League- und zum Supercup-Titel geschossen. Und er ist verantwortlich dafür, dass Atletico Tabellenzweiter ist. Man kann ihn nicht genug loben. Messi und Ronaldo sind von einem anderen Stern, aber Falcao hat gezeigt, dass er mithalten kann", sagte Bernd Schuster "Radio Marca".

60 Millionen Euro und Falcao darf gehen

Die Liste der Interessenten für Falcao wird immer länger. Der FC Chelsea war im August schon nah dran. Nach dem verlorenen Supercup-Finale war aber keine Zeit mehr, den Transfer voranzutreiben. "Wir können froh sein, dass das Spiel am 31. und nicht schon am 25. August stattfand", sagte Atletico-Trainer Diego Simeone damals.

Der Coach hält Falcao für einen der besten Stürmer, die je in Europa gespielt haben. "Er ist genial. Er ist schnell, trickreich, laufstark. Beidfüßig und vor allem: er weiß wo das Tor steht und trifft es auch. Ich kann momentan keinen besseren Stürmer in Europa erkennen."

Simeones Kollege von Manchester City, Roberto Mancini, machte sich letzten Sonntag im Vicente Calderon persönlich ein Bild von Falcao. Angeblich 55 Millionen Euro ist dem englischen Meister eine Verpflichtung des Kolumbianers wert. Bei einem Betrag in dieser Größenordnung könnte Gil Marin schwach werden.

"Ich muss bei aller Liebe unserer Fans zu Radamel und bei allem sportlichen Wert, den er für uns hat, auch an unsere finanzielle Situation denken. Wenn wir Falcao für 60 Millionen Euro verkaufen, wären wir mit einem Schlag saniert", sagte Gil, der einen großen Anteil der Klubaktien hält.

Zwei Kreuzbandrisse

Dass Falcao mal einer der begehrtesten Spieler der Welt wird, war nicht abzusehen. 2006 hing seine Karriere am seidenen Faden. Im November 2005 hatte er sich als 19-jähriger Spieler von River Plate Buenos Aires das vordere Kreuzband gerissen. Falcao stieg zu früh wieder ins Training ein, das Kreuzband riss erneut. Elf Monate lang war an Fußballspielen nicht zu denken.

"Ich war down und habe mich immer gefragt, warum Gott mir das angetan hatte", blickte der gläubige Christ, der sich schon als Jugendlicher in diversen kirchlichen Organisationen engagierte, zurück.

"Doch dann erkannte ich, dass das alles einen Grund hatte. Diese Dinge sollten mir helfen zu wachsen und zu reifen. Ich sollte das alles nicht so ernst nehmen und immer daran denken, dass Ruhm sehr vergänglich sein kann."

Schon vor der ersten bösen Verletzung seiner Karriere musste Falcao negative sportliche Erfahrungen machen. Als hoffnungsvoller Teenager von River Plate musste er mitansehen, wie mehrere Teamkollegen in den Profikader geholt wurden, während er außen vor blieb.

Erst mit 19 bekam Falcao die Gelegenheit, sein Können in einem wichtigen Spiel unter Beweis zu stellen. "Als ich mich vor dem Spiel umgezogen hatte, zitterten meine Beine, doch als ich das volle Stadion mit all den schreienden Menschen betrat, war ich wie verwandelt. Ich spürte das Adrenalin, den Torhunger, das Selbstvertrauen", erinnert sich Falcao an seinen ersten großen Auftritt. Er machte zwei Tore und war ein gefeierter Star.

Beeindruckende Trefferquote

Nur der Name Falcao störte die River-Fans. Radamels Vater hatte ihm diesen Namen gegeben, weil er großer Anhänger des ehemaligen brasilianischen Stars Falcao war. Fortan hieß Falcao bei den River-Fans nur noch "El Tigre", der Tiger.

Nach vier Jahren in Argentinien kam der Tiger nach Europa zum FC Porto, bevor er 2011 zu Atletico Madrid wechselte. Seine Torquote ist beeindruckend: 41 Tore in 51 Ligaspielen für Porto, 32 Treffer in 40 Primera-Division-Spielen, 29 Tore in 29 EL-Spielen, vier Treffer in acht CL-Spielen, dazu sein Hattrick gegen Chelsea.

Und auch für sein Land trifft Falcao regelmäßig. In der laufenden WM-Quali in Südamerika hat er drei Tore erzielt, Kolumbien ist hinter Argentinien Tabellenzweiter nach sieben Spieltagen.

Ein Gott in Kolumbien

In seinem Heimatland wird Falcao wie ein Nationalheld verehrt. "Wir haben lange auf einen wie ihn gewartet. Wir hatten Spieler wie Carlos Valderama, Rene Higuita, Faustino Asprilla oder unseren Rekordtorschützen Arnoldo Iguarán. Aber Falcao ist eine andere Hausnummer. Er ist der einzige Spieler auf der Welt, der es mit Messi und Ronaldo aufnehmen kann. Das kriegen die Leute hier mit. Er ist wie ein Gott für alle Kolumbianer", schrieb "El Tiempo", die größte Zeitung Kolumbiens.

Mitte nächster Woche wird Falcao nach Madrid zurückkehren. Das soll auch noch länger so bleiben. "Ich kann versichern, dass Radamel die komplette Saison für Atletico spielen wird. Da können sich alle Vereine, die ihn schon im Winter verpflichten wollen, auf den Kopf stellen", sagte Miguel Angel Gil Marin. Dieser Satz hätte auch von seinem Vater stammen können.

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