Großangriff im Brasilien-Look

Von Christian Bernhard
Ihm wird bei Juventus Turin eine wichtige Rolle aufgetragen: Spielmacher Diego
© Getty

Am Samstag startet die Serie A in die neue Saison. Titelverteidiger Inter Mailand ist der Gejagte - und Juventus Turin der große Jäger. Die Bianconeri haben sich mit Diego, Felipe Melo und Fabio Cannavaro gut verstärkt und wollen nach zwei titellosen Jahren wieder einen Triumph einfahren. Dabei baut Coach Ciro Ferrara erstmals in der Geschichte des italienischen Rekordmeisters auf eine brasilianische Achse.

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"L'effetto Guardiola" - der Guardiola-Effekt. Seit seiner triumphalen Barca-Saison mit drei Titeln steht Pep Guardiola in Italien für den Aufbruch in eine neue Trainer-Ära: Jung, eng mit dem Verein verbunden und einen Traditionsklub führend.

Der 1. Spieltag der Serie A im Überblick

Juves Guardiola heißt Ciro Ferrara. Der 42-Jährige übernahm die Bianconeri am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison und erhielt im Sommer einen Zweijahresvertrag. Elf Jahre spielte der Neapolitaner für Juve, danach übernahm er den Jugendsektor - so ähnlich wie Guardiola bei den Blaugrana.

"Zwei titellose Jahre sind sehr lang"

In den Träumen der Juve-Verantwortlichen und Tifosi fehlen jetzt nur noch die Erfolge a la Guardiola. "Der Vergleich mit Guardiola beunruhigt mich. Wir sprechen hier von einem Coach, der in seinem ersten Jahr bei einem Traditionsverein alles gewonnen hat. Ich bin Ciro Ferrara, jeder hat seine eigene Geschichte", stellte der Ex-Verteidiger im Gespräch mit der Turiner Tageszeitung "La Stampa" klar.

Der Vergleich mit Guardiola ist einer der wenigen Momente, in denen Ferrara unsicher wirkt. Ansonsten weiß er ganz genau, was er will. "Der Trainer hat uns gesagt: Zwei titellose Jahre sind für einen Prestigeklub wie Juve sehr lang. Dieses Jahr können und müssen wir etwas gewinnen", so David Trezeguet.

Sturmpartner Amauri fügte an: "Ferrara war von Anfang an sehr deutlich. Jedes Spiel muss gewonnen werden, auch die Freundschaftsspiele. Es ist egal, gegen wen gespielt wird, wir sind hier bei Juve und müssen gewinnen." "Spirito Juve" - den Juve-Geist nennen das die Italiener.

Auf Diego zugeschnittenes System

Die Aufbruchsstimung bei den Turinern ist allerorts spürbar. Diese Saison soll der Großangriff auf Meister Inter und den Scudetto erfolgen. Mitverantwortlich dafür ist ein kleiner brasilianischer Neuzugang namens Diego.

24,5 Millionen Euro ließ sich die Alte Dame den Ex-Bremer kosten. Seine Aufgabe: Juve auf ein neues spielerisches Niveau hieven, denn Ferrara plant mit einem auf Diego zugeschnittenen 4-3-1-2-System.

Erstmals seit Zinedine Zidane setzen die Bianconeri wieder auf einen klassischen Spielmacher - dementsprechend groß sind die Erwartungen an den 24-Jährigen. In der Vorbereitung wurde er ihnen gerecht: Diego hat bereits alle überzeugt und begeistert - zuletzt bei der "Coppa Berlusconi" gegen Milan, wo er auch traf.

Melo fürs Grobe zuständig

"Er hat beeindruckende Qualitäten, auch wenn wir nicht in Ballbesitz sind. Außerdem ist er kräftig und hat bewiesen, dass er hart im Nehmen ist", sagte Ferrara.

Für den harten Part ist eigentlich Felipe Melo, Juves zweiter brasilianischer Millionen-Neuzugang zuständig. Der Nationalspieler, der für die stolze Summe von 25 Millionen Euro vom AC Florenz gekommen ist, soll im defensiven Juve-Mittelfeld für Stabilität sorgen.

In der Nationalmannschaft hat der 26-Jährige bewiesen, dass er das kann - leichte Ballverluste und der Hang zu Disziplinlosigkeiten gehören aber auch noch zu seinem Repertoire.

Cannavaro-Wechsel umstritten

Ganze 13 Brasilianer trugen in der 111-jährigen Geschichte der Turiner bisher das Juve-Trikot, der Ex-Leverkusener Emerson war von denen, die nicht im aktuellen Kader stehen, der Letzte.

Jetzt baut Juve auf seine brasilianische Achse Diego, Melo und Amauri - ein Novum. "Den einen oder anderen Hackentrick mehr werden wir jetzt wohl sehen", so Torhüter Gigi Buffon schmunzelnd.

Juves dritter namhafte Neuzugang Fabio Cannavaro war gleichzeitig auch der umstrittenste. Viele Fans haben dem Rückkehrer aus Madrid immer noch nicht seinen Abschied im Jahr 2006, als die Bianconeri nach dem Manipulationsskandal in die Serie B verbannt wurden, verziehen.

Brazzo mit neuer Perspektive

Der Verein baut aber auf Cannavaros Erfahrung - und auch Nationaltrainer Marcello Lippi wird sich freuen: Mit Buffon, Cannavaro und Chiellini ist das Herzstück seiner Defensive in Turin vereint. Ebenfalls neu ist Martin Caceres. Der ausgebildete Innenverteidiger, der von Barcelona ausgeliehen wurde, kann auch rechts hinten spielen.

Unter Ferrara bekommen auch die bei Ex-Coach Claudio Ranieri keine Rolle spielenden Trezeguet und Tiago wieder ihre Chance. Und noch etwas hat sich in der Vorbereitung herauskristallisiert: Hasan Salihamidzic hat gute Chancen auf regelmäßige Einsätze.

Der Ex-Bayer überzeugte Ferrara mit seiner Hingabe und Vielfältigkeit. Egal ob als Außenverteidiger oder im Mittelfeld: So viele Positionen wie Brazzo kann keiner im Juve-Kader spielen.

Mourinho kontra Lippi

Durch Siege gegen Real Madrid, den FC Sevilla und Milan (45-Minuten-Partie) holten sich die Bianconeri eine ordentliche Portion Selbstvertrauen. Einzig das 1:4 gegen Villarreal tanzte aus der Reihe. Buffons Eindruck: "Mir war klar, dass wir uns verbessert haben. Gleich um so viel, hätte ich allerdings nicht gedacht."

Die Vorzeichen stehen gut - so gut, dass Lippi auf die Frage, wer denn Meister werde, kurz und knapp antwortete: "Juve". Das gefiel Inters Meistercoach Jose Mourinho überhaupt nicht: "Das ist respektlos, in seiner Position darf er so etwas nicht sagen."

Kleine Psychospielchen oder spürt der Portugiese bereits den weiß-schwarzen Atem in Nacken? Schwer zu beurteilen. Sepp Herberger würde sagen: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Gut, dass es am Samstag los geht.

Der Kader von Juventus Turin im Überblick