"Ich esse bei keinem Rangers-Fan"

SID
Celtic vs. Rangers: Andreas Hinkels Leben steht im Zeichen der großen Glasgower Rivalität...
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Andreas Hinkel berichtet in seiner Kolumne von Schottlands Fußball-Tristesse, einem Auswärtsspiel auf dem Land  - und von einer ungewöhnlichen Einladung zum Spätzle-Essen.

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Die schottischen Fußball-Fans erleben derzeit auf internationalem Parkett keine ganz so einfachen Tage. Es läuft nicht rund - weder mit dem Nationalteam noch mit den Klubs. Das erste Problem hat gerade erst Nationaltrainer George Burley den Job gekostet. Die verpasste WM-Qualifikation hätte man ihm wohl noch verziehen, aber das 0:3 im Freundschaftsspiel in Wales war dann doch etwas zu viel für die Geduld der Verantwortlichen.

Aber auch die Klubs schwimmen in den internationalen Wettbewerben nicht auf der Erfolgswelle. Leider, wie ich ganz eigennützig gestehen muss. Wir mit Celtic Glasgow haben in der Europa League zwar teilweise ganz gute Leistungen gebracht, wurden aber nicht belohnt und haben so gut wie keine Chance mehr aufs Weiterkommen.

Und unser Stadtrivale, die Rangers, sind in der Champions League noch ohne Sieg und schon ausgeschieden. Die anderen Klubs sind bereits in der Qualifikation zur Europa League gescheitert. Lange Rede, kurzer Sinn: Es läuft nicht gut.

Fan-Kontakt in Hamiltons "Stadion"

Das sind Ergebnisse, die in jedem Land der Welt zwangsläufig zu Diskussionen führen. Hier in Schottland wurde umgehend eine Task Force eingerichtet, die für schnelle Besserung sorgen soll. Ein Problem, dem sie sich ganz annehmen muss: Der Liga ist im Zuge der Wirtschaftskrise ein großer Teil der TV-Gelder weggebrochen, was vor allem die großen Klubs im internationalen Vergleich zu spüren bekommen.

Ich persönlich glaube allerdings, dass die schottischen Fans bald wieder mehr Grund zur Freude haben. Der Fußball hier hat Potenzial - und das sportliche Niveau der Liga ist weitaus höher, als es vor allem in Deutschland landläufig angenommen wird.

In Punkto Infrastruktur hat der eine oder andere Klub natürlich noch etwas Nachholbedarf. Kürzlich beispielsweise hatten wir ein Auswärtsspiel bei Hamilton Academical. Die Stadt hat keine 50.000 Einwohner und der New Douglas Park ein Fassungsvermögen von 6000 Zuschauern.

Die Atmosphäre dort ist, sagen wir es so: sehr familiär. Es gibt eine Haupttribüne, ein paar Sitzplätze hinter einem der beiden Tore - und der Rest ist sehr naturbelassen. Wenn du auf der Seite ohne Tribüne spielst, hörst du jede Unterhaltung der Fans am Spielfeldrand. Aber das gehört in kleinen Ländern dazu und ist weit entfernt von den Voraussetzungen wie wir sie beispielsweise bei Celtic haben.

Linsen und Spätzle-Time

Unser Zuschauerschnitt in der vergangenen Saison betrug knapp 58.000, die Stimmung im Celtic Park ist fantastisch und das ganze Umfeld absolut professionell. Ich fühle mich auf jeden Fall sehr wohl, was auch an den fantastischen Fans liegt. Die kommen aus Glasgow - und aus meiner Heimat.

Ich hatte da neulich erst ein ganz nettes Erlebnis. Als ich nach dem Training zum Auto kam, klemmte ein kleiner Zettel hinter dem Scheibenwischer. Darauf stand ein Name, eine Telefonnummer und auf Deutsch der freundliche Hinweis: "Wenn Sie mal wieder richtig gut Linsen und Spätzle essen wollen - einfach melden."

Ich habe relativ zügig dort angerufen. Denn erstens bin ich ein neugieriger Mensch. Und zweitens ein absoluter Liebhaber der schwäbischen Küche. Ich wurde nicht enttäuscht. Die Spätzle waren handgeschabt und die Gastgeber sehr nett.

VfB und Celtic - das passt

Sie kam aus der Region Stuttgart, er aus Glasgow und war natürlich ein riesiger Celtic-Fan. Alles andere wäre auch undenkbar gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass mich ein Rangers-Supporter jemals zum Essen einladen würde, schätze ich dann doch als sehr gering ein. Außer, er kann nicht kochen... Ich würde bei keinem Rangers-Fan essen gehen.

Nette Anekdote am Rande: Kennen gelernt hatte sich das Pärchen beim Fußball. Und zwar 2003 als Celtic im damaligen UEFA-Cup auf den VfB traf. Sie fieberte für Stuttgart mit, er für Celtic, am Ende entstand eine Fanfreundschaft der besonderen Art.

Ich spielte damals übrigens noch für Stuttgart. Über das Ergebnis hüllen wir in diesem Fall einfach mal den Mantel des Schweigens. Nur so viel: Zumindest daran hatten die schottischen Fans ihre Freude.

Bis zum nächsten Mal

Euer Andy

 

 

 

 

 

Andreas Hinkel, geboren am 26. März 1982 in Backnang, gehört zu den besten Rechtsverteidigern Deutschlands. Von 2000 bis 2006 spielte er als Profi für den VfB Stuttgart, danach wechselte er in die Primera Division zum FC Sevilla. Seit Januar 2008 trägt Hinkel nun das Trikot von Celtic Glasgow. Für die Nationalmannschaft war er bislang 21 Mal im Einsatz. Mehr Informationen über Andreas Hinkel gibt es unter www.andreashinkel.com.

Andreas Hinkel im Steckbrief