Zwischen Schampus und Träumereien

Von Gunnar Göpel
So feierten Trainer Ranieri und seine Mannen im Mai die Meisterschaft in der Ligue 2
© getty

Der AS Monaco sorgt in den letzten Wochen für Furore. Falcao, ein Porto-Duo - der Verein im Kaufrausch. Ein schwerreicher Investor will den Klub aus dem Fürstentum zu einem europäischen Schwergewicht machen. Doch mit Geld kann man sich nicht alles kaufen. Vor allem die bürokratischen Hürden liegen dem geheimnisvollen neuen Chef schwer im Magen.

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Geld. Fast jeder will es. Einige haben ein bisschen, wenige haben viel. 130.000.000 Euro. In Worten: Einhundertdreißig Millionen Euro! Für diese Summe bekommt man eine nagelneue Boeing 767, die 10.000 qm Bahamas-Insel Cave Cay samt Bediensteten oder 900 vollausgestattete Mercedes S-Klassen mit fast 500 PS. Oder eben drei Spieler.

Wenn ein Verein nach dem Wiederaufstieg in die höchste Spielklasse so viel Geld für neue Spieler ausgibt, dann ist das schlichtweg nicht normal. Und das Wort "normal" existiert im monegassischem seither nicht. Zwischen Prunk, Glanz und Gloria war der größte Sportverein des Stadtstaates bis vor kurzem noch am ehesten als "normal" zu bezeichnen. War.

"Falcao glaubt an unser Projekt"

Seit Dmitri Rybolowlew im Dezember 2011 zwei Drittel der Vereinsanteile übernahm und den Verein vor dem sicheren Schiffbruch rettete, plant der Verein in anderen Dimensionen. Der russische Multimilliardär legte den Grundstein für ein gigantisches Projekt. Das Duo James Rodriguez und Joao Moutinho wechselt im Sommer für knapp 70 Millionen Euro vom portugiesischen Meister FC Porto in das Fürstentum.

Doch spätestens am 31. Mai wurde auch dem letzten Fußballfan klar, dass es Monaco und Investor mit den ehrgeizigen Zielen ernst meinen: "Falcao hat für fünf Jahre unterschrieben!", teilte der Verein mit. Sportdirektor Vadim Vasilyev zeigte sich begeistert: "Radamel glaubt an unser Projekt." Der einstige Dünger-Oligarch Rybolowlew zückte für diesen Transfer das extragroße Scheckheft und überwies zwischen 60 und 70 Millionen Euro an Atletico Madrid. An dem Transfer soll auch eine Investment-Gruppe beteiligt sein.

Ein Kauf, der selbst dem medienscheuen Unternehmer ein Statement entlockte: "Wir sind glücklich, dass sich Falcao entschlossen hat, die Herausforderung in Monaco anzunehmen. Wir sind stolz, einen der besten Angreifer der Welt in unseren Reihen zu haben." Der Transfer von Ricardo Carvalho von Real Madrid ist nicht mehr als eine blasse Randerscheinung.

Mannschaft allein zu Haus

Mit aller Symbolgewalt wurde auch das Logo überarbeitet. Auf den ersten Blick ähnelt es dem alten Vereinssymbol. Neuerdings leuchten der Rahmen und die auf dem Logo thronende Krone in grellem Gold. Insgesamt wirkt es etwas dynamischer. Auch die Vereinshomepage wurde von Grund auf neu gestaltet. Monaco hat ein Imageproblem und will künftig mehr Menschen erreichen.

Die Promi- und Reichendichte im zwei Quadratkilometer kleinen Zwergenstaat ist extrem hoch. Die "Schönen und Reichen" sind stets auf der Suche nach dem nächsten Hotspot. Ein solcher war das Stade Louis II in den letzten zwei Jahren nicht. Das 1985 gebaute und 2002 renovierte Stadion hat eine Kapazität von 18.532 Plätzen.

Nach der Übernahme durch den russischen Investor und den Neueinkäufen in der Winterpause steigerte sich der Zuschauerschnitt auf gerade einmal 5200 Besucher pro Partie. Viele teure Logen blieben frei. Dmitri Rybolowlew? Er wurde im Stadion fast nie gesichtet.

Aufholjagd in Europa?

Binnen kürzester Zeit soll sich der siebenmalige französische Meister zur zweiten Speerspitze neben Paris Saint-Germain entwickeln. Das Monaco-Projekt wird in Frankreich überraschend positiv gesehen. Künftig wird nicht nur PSG Akteure von internationalem Format anlocken können und Spieler wie Falcao werten die Liga enorm auf - das Renommee steigt.

Zwei Glanzlichter, die nicht nur in der Gruppenphase des internationalen Geschäftes mitwirken, sondern auch in den KO-Phasen bestehen können. Frankreich könnte den Rückstand auf die Top-4-Ligen Europas wahrscheinlich rasant verkürzen. Die Schattenseite: Eine von zwei Investorenklubs dominierte Ligue 1 drängt Traditionsmannschaften wie Lyon, Marseille oder St. Etienne in den Hintergrund.

Der Mann im Schatten

Doch wer ist dieser Mann, von dem vorher kaum jemand gehört hat und der die Medien scheut wie kein Zweiter? Dmitri Rybolowlew ist Sohn einer Arztfamilie und machte nach dem Ende des Kommunismus ein Vermögen mit dem Düngemittelhersteller "Uralkali", welchen er 2010 weiterverkaufte.

Der 47-Jährige wurde als "Kali-König" bekannt. Einen dunklen Fleck bekam seine Erfolgsweste nach einer Verurteilung im Jahr 1996. Rybolowlew wurde als Auftraggeber eines Mordes an einem Konkurrenten schuldig gesprochen. Nur zehn Monate später wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Ein Belastungszeuge hatte seine Aussage widerrufen.

Mit diversen Geschäften im Handels- und Finanzsektor erwirtschaftete er ein geschätztes Vermögen von 7,3 Milliarden Euro. Dem undurchsichtigen Geschäftsmann wird nachgesagt, dass sein analytisches, vorsichtiges Verhalten die Wurzeln in seinem Medizinstudium hat.

Monaco statt Minsk

Er meidet Öffentlichkeitsauftritte und gibt selten Interviews, stellt seinen Reichtum aber gerne zur Schau. Zwei Privatflugzeuge und das teuerste Apartment New Yorks (88 Millionen Euro) als Geschenk für die Tochter sind nur ein Bruchstück seines extravaganten Lebensstils. In seinen vielen Immobilien soll er zudem eine Kunstsammlung mit Originalen von Picasso und van Gogh im Wert von 600 Millionen Euro horten.

Statussymbole hin oder her - der Kauf des AS Monaco soll für ihn von größerer Bedeutung sein: "Das ist kein reines Erwerbsgeschäft, sondern der Beginn einer schlagkräftigen und effizienten Partnerschaft." Der Vorwurf, dass sich sein Geld in der Steueroase Monaco effektiver verwenden lasse, ist sicher nicht unberechtigt.

Fakt ist, dass Rybolowlew eigentlich den weißrussischen Verein Dinamo Minsk kaufen wollte. Der Deal scheiterte. Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtete einst, dass im Büro des Russen jede Menge Bücher über Fußballtaktik und Analyse liegen sollen. Die Sportbegeisterung scheint echt. Warum der Multimilliardär den Verein aus seinem fast 500 Kilometer entfernten Hauptwohnsitz am Genfersee kontrolliert, ist nicht bekannt.

Machtkampf befleckt neuen Glanz

Das zweitkleinste Land der Welt gibt seine Einwohnerzahl mit 38.000 Menschen an. Einer Statistik zufolge sind 78 Prozent davon keine Monegassen. Dieser extrem hohe Ausländeranteil lässt sich mit dem Steuerrecht erklären. In Monaco gibt es keine Einkommenssteuer.

Diese Rahmenbedingungen machen den Stadtstaat auch für Sportler interessant. Im Nachbarland Frankreich sollen Einkommen von über einer Million Euro künftig mit 75 Prozent besteuert werden. Aktuell liegt der Spitzensteuersatz bei über 40 Prozent. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen gefallen dem französischen Profiligaverband (LFP) nicht. Der LFP hat daher im März 2013 beschlossen, dass ab der Saison 2014/2015 alle Vereine der beiden höchsten Profiligen ihren steuerlichen Sitz in Frankreich haben müssen.

Monacos Verantwortliche fühlen sich in ihrem Projekt bedroht und haben beim Exekutivkomitee des Französischen Fußballverbandes "FFF" Widerspruch eingelegt. Ein Kompromissvorschlag von Verbandspräsident Noel Le Graet wurde von der Liga abgelehnt. Die Idee lautete: Als "Freikauf" aus der Steuerschuld sollte der Verein in den nächsten vier bis sieben Jahren 200 Millionen Euro an die Liga zahlen.

Aktuell droht die Liga mit einem Boykott der nächsten Spielzeit. Eine Drohung, die wohl eher symbolischen Charakter hat. Weder Verband, noch Vereine könnten sich den Ausfall einer ganzen Spielzeit nicht leisten. Vereinspräsident Rybolowlew kündigte juristische Schritte gegen die Verbände an, und beruft sich auf ein Abkommen von 1869, demzufolge Ausländer mit Wohnsitz in Monaco nicht steuerpflichtig sind.

Gefahr Kaufrausch?

Stagnation wäre ein Fiasko, und würde wohl das sichere Aus für die Sportliche Leitung um Claudio Ranieri bedeuten. Der renommierte Italiener sitzt auf einem Pulverfass. Trotz der kostspieligen getätigten Einkäufe fordert der 61-Jährige mehr Neuzugänge. Laut der französischen Sportzeitung "L'Equipe" soll Claudio Marchisio den italienischen Meister Juventus Turin für 25 Millionen Euro in Richtung Ligue 1 verlassen.

Des Weiteren sollen die Monegassen nach Informationen von "The Independent" einen Transferrekord anstreben. Für Superstar Cristiano Ronaldo soll bei Einvernehmen der Vereine eine Ablöse von 100 Millionen Euro nach Madrid fließen. Käme das Geschäft zustande, dann würde Rybolowlew den Portugiesen mit einem Jahresgehalt von 20 Millionen Euro Netto zum bestbezahlten Spieler der Welt machen.

Ebenso soll Ranieri ein Auge auf Ex-Porto-Star Hulk geworfen haben. Der Berater des Brasilianer bestätigte gegenüber "Le 10 Sport": "Ich habe Kontakte in Monaco. Ihr Interesse ist real." Falcao und Hulk - das Traumduo steht vor der Reunion. Auch Eric Abidal soll mit einem fürstlichen Gehalt zu den "Rouge et Blanc" gelockt werden. Versagen? Verboten! Verpasst Ranieri das Ziel "internationales Geschäft", dann dürfte seine 14. Trainerstation ein schnelles Ende finden.

Harmonie oder Intrigen?

Monaco versucht sich mit aller Gewalt den verlorenen Glanz zurückzukaufen. Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille. Der Kaufrausch birgt Risiken.

Sollte künftig für den 1919 aus einer Fusion von fünf Sportvereinen gegründeten Klub eine komplett neue Startelf auflaufen, dann droht eine längere Findungsphase, die im Widerspruch zu den verkündeten Zielen steht. Ein Komplettumbruch in allen Mannschaftsteilen würde eine Abkehr von den Aufstiegshelden bedeuten.

Ranieri steht vor der vielleicht schwierigsten Aufgabe seiner Karriere. Innerhalb kürzester Zeit muss er aus einer Vielzahl von hochbezahlten Neuzugängen und einer erfolgreichen Aufstiegself eine Einheit schmieden. Er wäre nicht der erste Trainer, der daran scheitert.

Die Richtung für die "Association Sportive de Monaco Football Club" ist allerdings klar. Seit der Saison 2003/2004 stand kein Klub aus der Ligue 1 im Finale der Königsklasse. Damals unterlag Monaco dem FC Porto mit 0:3. Erneut soll der beschwerliche Weg zu Europas wichtigstem Endspiel beschritten werden. Dieses Mal mit feinen Lederstiefeln statt unbequemen Strohsandalen - Fundament und Mittel sind nun andere.

AS Monaco in der Übersicht