Thai, Teigschlacht, Trash-Talk

Tabellenführer der Premier League! Die Foxes sind der Stolz von Leicester
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Auch wenn sich Trainer Claudio Ranieri und einige Spieler dagegen wehren: Der Leicester City Football Club ist mehr denn je das Maß der Dinge in der Premier League. Und es gibt viele gute Gründe, dass das auch so bleiben wird.

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Wenn in einigen Jahren jemand nach dem großen Fußballmärchen Leicester City fragen wird, wird manches Elternteil in Erklärungsnot kommen. Denn im Grunde gibt es keine bessere Einleitung für das, was die Foxes Woche für Woche auf den Platz zaubern, als: "Alles begann mit einer Thai-Nutte."

James Pearson, seines Zeichens Rechtsverteidiger von Leicester City erhielt im Juni 2015 seine Kündigung. Der Sohn von Trainer Nigel Pearson hatte sich während einer vom Klub veranstalteten Reise mit mehreren thailändischen Prostituierten filmen lassen und mindestens eine von ihnen rassistisch beleidigt.

Es dauerte nicht lange, ehe der Klub die Reißleine zog. James ging, Nigel folgte wenig später. Spieler ausgetauscht, Trainer ausgetauscht und somit der Weg frei für den großen Macher des derzeitigen Tabellenführers: Claudio Ranieri.

Ranieri kommt, sieht, siegt

Als ehemaliger Trainer von Inter Mailand, dem FC Chelsea, AS Monaco oder Griechenland nahm der inzwischen 64-Jährige die kleine Stadt in den East Midlands im Sturm ein. Fünf Punkte Vorsprung hätte man im Februar 2016 wohl direkt unterschrieben. Fünf Punkte Vorsprung auf den Abstiegskampf wohl gemerkt - nicht auf den Tabellenzweiten.

Mit dem 3:1-Sieg über Manchester City sind die Foxes enteilt und leben derzeit ihren wahr gewordenen Traum. Die Tabellenspitze ist erobert und das nicht am 3. Spieltag, nicht am 6. Spieltag, sondern nach 25 ausgetragenen Partien. Leicester, mit einer Quote von 5000/1 gestartet, ist inzwischen Favorit der Buchmacher auf den Titel in der Premier League.

Ranieri rät allen Sportwetten-Fans, die es jetzt auf Leicester abgesehen haben, ab. "Glaubt den Buchmachern nicht! Sie haben am Anfang der Saison prophezeit, dass ich als erster Trainer entlassen werde", sagte Ranieri nach dem Coup bei den Skyblues.

Doch Leicester kann sich gegen eine gewisse Favoritenrolle auf dem Titel nicht länger wehren. Und die Foxes haben einen möglicherweise entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz. "Ich weiß, dass die Konkurrenz größere und bessere Kader hat, aber wir sind nur auf die Liga fokussiert", sagte Robert Huth.

"Das kann nur gut für uns laufen"

Während die Klubs im direkten Tabellenumfeld in Champions League oder Europa League kämpfen, hat Leicester nur Augen für die Liga und kommt mit seiner Personalpolitik bestens zurecht. "Sie denken an andere Spiele außerhalb der Liga. Das kann nur gut für uns laufen", schlussfolgert Huth.

Tatsächlich verfügt das Team von Ranieri trotz aller Mittel nicht über einen aufgepumpten Kader wie manch anderer Premier-League-Verein. Die Belastung in England ist immer hoch, selbst ohne internationales Geschäft. Dazu kommt das Fernsehgeld und schon schmücken sich manche Teams mit Ex-Stars aus Italien, Spanien, Frankreich oder Russland.

Leicester hielt sich im Vergleich zum Rest der Liga an altbekannte Regeln des Geschäfts: Qualität vor Quantität und diese ist schließlich auch ihr Geld wert. Geschätzte 50 Millionen Euro wurden in den 23-Mann-Kader investiert und so kann Mahrez inzwischen stolz sagen: "Wir werden weiter träumen und sehen, was passiert."

Die Modernisierung des 4-4-2

Gerade die hohe Belastung macht einigen Teams Probleme. "Die Liga ist komisch gerade", stellte Coach Ranieri fest und witterte direkt darin die große Chance: "So weiß keiner, wer sie gewinnen kann." Tatsächlich wäre es ihm zu gönnen. Der Italiener hat vieles, vieles richtig gemacht in seinen Wochen und Monaten beim Klub.

Leicesters Erfolg basiert auf keiner herausragenden Strategie, keinem spektakulären Offensivfußball sondern auf guter, englischer Qualitätsarbeit. Das flache 4-4-2 wird im Mutterland des Fußballs noch immer bei vielen Vereinen gepredigt, Ranieri bietet in diesem Jahr die modernisierte Fassung an.

Die stabile Abwehr erlaubt auch Ballbesitzzahlen rund um die 30 Prozent, steht sie doch kompakt und gut organisiert. Weil jeder verteidigt und die Defensivarbeit bereits beim Stürmer beginnt, ist das Team nur schwer zu knacken. Im Umschaltmoment spielen die Foxes dann ihre Stärken aus.

Vardy & Mahrez

Warum auch sollte ein Team wie dieses sich an großem Ballbesitzspiel vergreifen? Die Top-Spieler sind mit Jamie Vardy und Ryad Mahrez zwei Männer, die Platz brauchen für ihre Aktionen. Wenn der Gegner drückt, erhalten sie nach Ballgewinn eben diese Räume, um mit Tempo zu attackieren, schnell in die Tiefe zu gehen und den unkomplizierten Weg zum Tor einzuschlagen.

Ranieri hat es geschafft, ein starkes Kollektiv zu formen und dabei die individuellen Fähigkeiten seiner Spieler nicht zu verlieren. Beinharte Defensive mit Lufthoheit, reaktions- und handlungsschnelle Mittelfeldspieler mit gutem Auge im Konterspiel und blitzschnelle Stürmer mit intelligentem Positionsspiel.

Perfektioniert wird all das nicht nur von der derzeitig brillanten Form, sondern auch ganz besonders von der tollen Stimmung im Team. Einmal veranstaltete Ranieri einen Pizzaabend als Teambuildingmaßnahme. Die Spieler sollten Pizza backen - der Abend endete in einer wilden Teigschlacht. "Es war schwer, den Teig richtig auszufalten, also nutzten wir ihn eben als Schneeball", sagte Christian Fuchs.

Egal ob Teigschlachten, Mannschaftsausflüge nach Dänemark oder Trash-Talk während dem Spiel - die 23 Mann, die dem Coach zur Verfügung stehen, sind ein eingeschworenes Team, das die Gesamtsituation nicht zu ernst nimmt.

Der Spirit greift über

Viele der Akteure sind heraus aus dem Fußballeralter, in dem es noch stets etwas zu beweisen gilt, in dem man noch große, (über)ambitionierte Pläne hat. 28 Jahre alt war die Startelf gegen City im Schnitt, viele der Spieler erleben gerade den Höhepunkt ihrer Karriere. Andere haben diesen vielleicht noch vor sich, genießen aber doch den Moment.

Der Trainer lässt sie es bewusst tun. Wo andere Trainer schon lange mit Geldstrafen um sich geworfen hätten, um das Team zu disziplinieren, vertraut Ranieri auf seine Spieler und deren eigenen Ehrgeiz. "Die Spieler hatten eine schöne Reise, ich bin glücklich mit dieser Tradition. Sie waren nur einen Tag weg, kamen sofort zurück und waren bereit zu rennen, rennen und rennen."

Der "Spirit" ist so ein Thema, von dem der 64-Jährige gerne spricht. Er mag den englischen Spirit und er mag ganz besonders den Spirit seines Teams. Eben dieser wird mit jedem Sieg größer, das Team wächst Spiel für Spiel und hat so bisher einen Absturz wie manch anderes Überraschungsteam ausgelassen. Leicester ist ernst zu nehmen. Nicht umsonst sangen die Fans gegen City: "We're gonna win the league!"

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