"Die Hütte muss brennen"

SID
Uwe Rösler ist derzeit als Trainer beim englischen FC Brentford tätig
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Uwe Rösler (43) hat es als zweiter Deutscher nach Bert Trautmann zur Legende von Manchester City gebracht. Er spielte von 1994 bis 1998 für den Klub. Im Gespräch mit "dapd" spricht Rösler über Derbys gegen United damals und heute und das neue ManCity nach dem Verkauf 2008.

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Frage: Uwe Rösler, am Montag spielt Manchester City gegen Manchester United um Platz eins in der Premier League. Was bedeutet das Derby für die Stadt?

Rösler: Es ist das bedeutsamste Derby seit Jahrzehnten. Die Spannung kann nicht übertroffen werden, in der Stadt und in England.

Frage: Die meisten gehen am drittletzten Spieltag von einer Entscheidung im Titelkampf aus. Das wichtigste Derby bisher?

Rösler: Wissen Sie, man redet immer von "el clasico". Aber hier kämpfen zwei Mannschaften aus der gleichen Stadt in einer solch starken Liga drei Spiele vor Schluss um die Meisterschaft. Das gibt es wohl sonst nirgends auf der Welt. Mehr geht nicht.

Frage: Was bedeutet das Derby für die Fans von ManCity im Speziellen?

Rösler: Die Saison hat alles mit sich gebracht. Am Anfang sah es so aus, als ob wir davon ziehen würden. Im Januar haben wir den Vorsprung durch die Abstellungen beim Afrika-Cup und das Tevez-Theater verspielt. Jetzt sind wir wieder rangekommen. An Dramatik ist das kaum zu überbieten.

Frage: Wie stehen die Chancen?

Rösler: Jahrelang war es typisch City, es zu vergeigen, wenn es um etwas geht. Diese Mentalität war bei den Fans drin. Mit dem Sieg im FA-Cup, auch mit dieser Saison ist das Selbstvertrauen auch bei den Fans zurückgekommen. Beim ersten Champions-League-Spiel gegen Napoli war noch sehr verhaltene Stimmung. Das brauchen wir Montag nicht. Die Hütte muss brennen!

Frage: Stadion, Eigentümer, eigener Anspruch, alles scheint anders: Was hat das ManCity von heute mit dem von vor 15 Jahren zu tun?

Rösler: Manchester City ist Manchester City. Es ist ein Verein der arbeitenden Bevölkerung. Nach wie vor ist er auch sehr beliebt in ganz England, auch wenn der Neidfaktor durch die enormen Investitionen in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Von einem normalen Verein zum "global player". Aber "heart and soul", die Stadt, die Fans, das ist alles seit meiner Zeit gleich geblieben.

Frage: Sie galten als ehrlicher Kämpfer, als "no nonsense"-Typ im gegnerischen Strafraum. Was halten Sie von Mario Balotelli?

Rösler: Ich bin Fan von jedem Spieler, der unser Trikot trägt. Wir wissen alle, dass er ein hervorragender Fußballer ist, aber auch, was mit dem Namen Balotelli einhergeht. Ich sag's mal so: Seitdem er gesperrt ist, herrscht mehr Ruhe, die dem Team guttut.

Frage: Das Theater um Carlos Tevez hat monatelang die Presse gefüttert. Hat ManCity ein Charakterproblem?

Rösler: Nein. Manchester City würde nicht da stehen, wo es steht, ohne Charakter. Wie gesagt, der Neidfaktor ist hoch, es wird vieles von außen hineininterpretiert. Gut, diese "colourful stars" sind ab und zu für eine Schlagzeile gut. Aber es gibt auch einen guten Teamspirit.

Frage: Wie stehen Sie zum Millionen-Investment der Abu Dhabi United Group, die City im August 2008 für 250 Millionen Euro übernahm und für Außenstehende zum "Scheichklub" machte.

Rösler: Positiv. Sie haben das Geld nicht nur in Spieler, sondern auch in die Entwicklung rings um das Stadion und in der Stadt gesteckt, es sind 5.000 Arbeitsplätze entstanden, Apartments, ein neues Trainingsgelände. Die Investoren haben ihr Wort gehalten. Das wird Früchte tragen.

Frage: Von fünf Manchester-Derbys zwischen 1994 und 1996 haben Sie als Spieler in keinem einen Punkt geholt, unter anderem gab es ein 0:5. Gibt es trotzdem positive Erinnerungen?

Rösler: Also beim 0:5, da hab ich gar nicht gespielt. Insgesamt habe ich, glaube ich, drei Tore geschossen. Persönlich waren die Erfahrungen also gut. Wir waren einige Male sehr, sehr nah dran, den großen Rivalen geschlagen.

Frage: Sie wurden 2009 in die Hall of Fame von City aufgenommen, genießen bei den Fans Kultstatus und sprechen heute noch in der "wir"-Form vom Verein. Was ist ihr schönstes Erlebnis mit City?

Rösler: Es gibt sehr viele wunderschöne Erinnerungen. Besonders die Unterstützung, die ich bekam, als ich krank war.

Frage: Im Frühjahr 2003 wurde bei Ihnen im Alter von 34 Lymphknoten-Krebs entdeckt.

Rösler: Es war unglaublich, wie viel Zuspruch ich bekam. Die ganzen E-Mails und Faxe, ich habe jedes einzelne aufgehoben. Psychologisch war das für mich eine sehr große Unterstützung. Auch der Verein hat sich sehr um mich und meine Familie gekümmert, als wir nach acht Jahren Norwegen wieder nach England kamen.

Frage: Heute trainieren Sie den Londoner Drittligisten Brentford. Die Aufstiegsrunde werden sie dieses Jahr knapp verpassen. Wann spielt Uwe Rösler wieder gegen Manchester United?

Rösler: Der Aufstieg war nicht unsere Zielsetzung. Wir wollten unter die ersten zehn kommen. Für die erste Saison bin ich sehr zufrieden. Tja, und was United angeht (lacht), das ist ein langer Weg. Aber hier in England weiß man nie, wir haben ja zwei Pokalwettbewerbe. Mit etwas Losglück ...

Frage: Tun wir zum Abschluss so, als wäre es schon am Montag soweit. Was würde der Trainer Rösler den City-Spielern mitgeben?

Rösler: Ich würde versuchen, ihnen den Druck zu nehmen. Die Spieler wissen ja ohnehin, um was es geht. Ich würde locker und mit Humor rangehen und ihnen sagen, dass sie sich freuen sollen auf das Spiel. Sie sollen sich freuen, Geschichte zu schreiben.

Uwe Rösler im Steckbrief

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