Wie die FIFA, Berlusconi und der FC Bayern Maradonas Transfer nach Sevilla ermöglichten

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Um Diego Armando Maradona nach seiner Kokainsperre in den Profifußball zurückzubringen, bildete sich 1992 eine von Eigeninteressen angetriebene unverhoffte Allianz. FIFA-Generalsekretär Sepp Blatter, Silvio Berlusconi und der FC Bayern München ermöglichten das Comeback des 2020 verstorbenen Maradona beim FC Sevilla. Doch auch der HSV spielte eine kleine Rolle dabei.

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Da lief er also über den Rasen des Estadio Sanchez Pizjuan im blütenweißen Sevilla-Trikot, das seine pechschwarze Mähne nur noch dunkler erscheinen ließ. Diego Armando Maradona war kleiner und dicker als die anderen Spieler auf dem Platz, aber das war er ja schon immer. Am 28. September 1992 feierte er bei einem Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern München sein lange ersehntes Comeback.

Rund eineinhalb Jahre zuvor war Maradona in Diensten des SSC Neapel des Kokain-Missbrauchs überführt und verhaftet worden. "Ich kann nicht mehr, ich will sterben", sagte er damals. "Ich habe den Rummel nicht mehr ertragen. Nur das Kokain machte mein Leben im goldenen Käfig erträglich." Seine Sperre saß Maradona in der argentinischen Heimat ab, nach Neapel wollte er anschließend unter keinen Umständen zurückkehren. Doch sein Ex-Klub verwies auf einen gültigen Vertrag bis 1993.

Maradona war teuer, vorbestraft und mit 31 Jahren mutmaßlich über seinen Zenit. Was nun? Welcher Klub wollte und konnte ihn sich leisten? Sein Comeback ermöglichte schließlich eine von Eigeninteressen angetriebene unverhoffte Allianz, der es weniger um den Fußballer als um den Star Maradona ging.

Diego Armando Maradona feierte nach seiner eineinhalbjährigen Sperre wegen Kokain-Missbrauchs am 28. September 1992 bei einem Freundschaftsspiel mit dem FC Sevilla gegen den FC Bayern München sein Comeback.
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Diego Armando Maradona feierte nach seiner eineinhalbjährigen Sperre wegen Kokain-Missbrauchs am 28. September 1992 bei einem Freundschaftsspiel mit dem FC Sevilla gegen den FC Bayern München sein Comeback.

Vermittler Blatter und Vermarkter Berlusconi

Weniger als zwei Jahre vor der WM in den USA hatte der Weltverband FIFA berechtigte Sorge, dass mit Maradona der berühmteste Fußballer des Planeten seine Karriere beenden könnte. Bei den beiden vorangegangenen Turnieren hatte er Argentinien unter Trainer Carlos Bilardo jeweils ins Finale, 1986 sogar zum Titelgewinn geführt. Als Werbefigur, Vermarktungstreiber und Fanmagnet war Maradona für die FIFA unerlässlich.

Bilardo übernahm im Sommer 1992 das Traineramt beim spanischen Erstligisten FC Sevilla. Er wollte sich dem gefallenen Maradona annehmen und ihn nach seiner langen Spielpause für eine WM-Teilnahme aufbauen. Kaum ein Trainer hatte ihn im Laufe seiner Karriere dermaßen gut im Griff wie Bilardo. Das Problem: Sevilla konnte Maradona nicht bezahlen. Also schaltete sich der damalige FIFA-Generalsekretär Sepp Blatter als Vermittler in die festgefahrenen Verhandlungen zwischen den beiden Klubs ein. Tatsächlich erwirkte er eine Lösung - und zwar dank der Hilfe von Silvio Berlusconi.

Der Präsident des AC Milan und Inhaber der Mediengruppe Mediaset witterte großes Vermarktungspotenzial bei einem Maradona-Comeback und lieferte entscheidende finanzielle Mittel. Die Idee war ein kurzfristig anberaumtes Freundschaftsspiel gegen einen europäischen Top-Klub, an dem sich Berlusconis Mediaset die Übertragungsrechte sichern sollte. Als passender Gegner auserwählt wurde der FC Bayern: Nach der wohl verheerendsten Saison ihrer Klubgeschichte waren die Münchner international nicht vertreten und hatten somit Zeit für ein lukratives Extra-Spiel unter der Woche.

Dank der Zahlungen von Mediaset sowie Sevillas Brustponsor Nintendo und anderen Bandensponsoren, die von der Reichweite des Freundschaftsspiels profitieren wollten, refinanzierte Sevilla vorab schon fast die Hälfte der Ablösesumme von umgerechnet 5,7 Millionen Euro. Den Rest bezahlte Maradona kurzerhand selbst - und lief nur sechs Tage nach Verkündung des Transfers gegen den FC Bayern auf.

Sevilla gewann 3:1 gegen den FC Bayern München

Maradona genoss das Ambiente förmlich, endlich stand er wieder als Fußballer im Zentrum der Aufmerksamkeit und nicht als Verbrecher. Er spielte, als sei er nie weggewesen und leitete beim 3:1-Sieg zwei Treffer ein. Olaf Thon hatte die Gäste per direkt verwandeltem Freistoß in Führung gebracht, Bruno Labbadia sah später die Rote Karte. "Es war kein Spiel, es war eine große Show", sagte Maradonas damaliger Sevilla-Kollege Jose Miguel Prieto.

In der restlichen Saison kam Maradona in 27 Pflichtspiele auf fünf Tore für Sevilla, das in der Primera Division auf Platz sieben landete. Diego spielte ordentlich, obgleich nicht immer so spektakulär wie bei seinem Debüt gegen den FC Bayern. Dank explodierender Zuschauerzahlen und weiterer exzellent vermarkteten Freundschaftsspielen - unter anderem gegen Paul Gascoignes Lazio Rom und Maradonas Jugendklub Boca Juniors - refinanzierte Sevilla auch das üppige Jahresgehalt des Superstars von umgerechnet 2,25 Millionen Euro problemlos.

Der HSV hatte mit Maradona einen ähnlichen Plan

Einen ähnlichen Plan mit Maradona gab es übrigens auch für den Hamburger SV, ausgeheckt von einem Kieler Bauunternehmer namens Johnny Solterbeck. Er wollte Maradona nur bei Heimspielen im Volksparkstadion einsetzen - und für die übrigen Auftritte Auflaufprämien aushandeln. "Bei Auswärtsspielen hätte er nur gespielt, wenn wir an den Einnahmen der Gastgeber beteiligt worden wären. Denn zum HSV mit Maradona kommen auch in anderen Stadien automatisch 15.000 Zuschauer mehr", sagte Solterbeck damals.

Der später notorisch chaotische HSV ersparte sich durch das Scheitern des Transfers immerhin einen Haufen Ärger. Solterbeck war anschließend in mehrere Betrügereien involviert und musste schließlich vorbestraft Insolvenz anmelden. "Solterbeck war ein Träumer, der nicht einmal die Rechnungen für seine HSV-Tickets begleichen konnte", sagte der damalige HSV-Manager Heribert Bruchhagen später 11Freunde.

Maradona zerstritt sich im Laufe der Saison unterdessen mit Sevillas Klubführung und sogar mit Trainer Bilardo und verließ den Klub schon im darauffolgenden Sommer. Anschließend kickte er noch etwas bei den Newell's Old Boys in Argentinien, ehe er den Wunsch der FIFA von einer WM-Teilnahme erfüllte. Nach dem zweiten Spiel in den USA legte er aber eine weitere positive Dopingrobe hin und wurde für den Rest des Turniers gesperrt.

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