Wie der Fußball in Nicaragua trotz der Coronakrise weiterläuft: Hinter niedrigen Stadiontüren

In Nicaragua wird trotz Corona-Krise Fußball gespielt.
© @1917Diriangen

Nicaragua ist eines der ganz wenigen Länder dieser Welt, in dem trotz der Coronakrise ein weitestgehend normaler Fußball-Betrieb stattfindet. Warum ist das so, wie ist die Lage vor Ort und wie gehen die Protagonisten damit um? Teil 2 eines kleinen Rundgangs durch die unbeirrbaren Länder. Hier geht es zu Teil 1: Tadschikistan.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Seit Mitte März müssen die Spiele der nicaraguanischen Primera Division wegen der Coronakrise hinter verschlossenen Stadiontüren ausgetragen werden. Da die verschlossenen Stadiontüren in diesem mittelamerikanischen Land zwischen Pazifik und Karibik, zwischen Honduras und Costa Rica aber nicht allzu hoch sind, änderte diese Vorschrift am allgemeinen Zuschaueraufkommen nur wenig.

"Bei einigen Stadien sind die Spielfelder von umliegenden Häusern oder Hügeln einzusehen und seit Beginn der Geisterspiele versammeln sich die Fans eben dort", erklärt Sportjournalist Nectali Zeledon von der führenden nicaraguanischen Tageszeitung La Prensa gegenüber SPOX und Goal. Es gibt Bilder, auf denen Menschen in Bäumen oder auf Mauern hängen oder gemütlich in Böschungen sitzen, um Fußball zu schauen.

Die Fußballfans scheinen in Nicaragua genau wie die Verbands- und Klubverantwortlichen ob der bisher geringen Verbreitung (lediglich neun bestätigte Fälle) wenig Angst vor dem Coronavirus zu haben. Ähnlich ist übrigens die Lage beim Volkssport Baseball, wo der Ligabetrieb sogar mit Zuschauern weiterläuft. Anders sehen all das offenbar nur die Fußballer selbst - und deshalb liegen die unterschiedlichen Parteien im Clinch.

Die ungefragten Spieler müssen spielen

Nachdem am 18. März in Nicaragua der erste positive Coronafall aufgetreten war, trafen sich Vertreter des Verbandes und der Klubs, um das weitere Vorgehen zu besprechen. "Bei einer Abstimmung votierten neun der zehn Klubs für eine Fortsetzung der Saison", erklärt Zeledon. Nach Beratungen mit dem Gesundheitsministerium entschieden sich die Parteien für Geisterspiele, die wegen der niedrigen verschlossenen Stadiontüren zu "Geisterspielen" wurden. Vor Anpfiff sollten die Vereine den Spielern immerhin ein Desinfektionsgel bereitstellen, sagt Zeledon. "Aber diese Vorgabe haben bisher nicht alle erfüllt."

Nicht einmal gefragt wurden bei den Entscheidungsprozessen die Spieler selbst, auch wegen Ermangelung einer Gewerkschaft als Interessensvertretung. "Die Spieler wollen nicht spielen, haben aber keine andere Wahl. Sollten sie nicht antreten, würden die Vereine die Gehaltszahlungen einfach aussetzen", erklärt Zeledon. "Aber die Spieler brauchen das Geld, um ihre Familien ernähren zu können." Nicaragua gilt nach Haiti als zweitärmstes Land Mittelamerikas, knapp die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut.

Die Geste von Diriangen, die Königlichen von Real Madriz

Und so spielen die Spieler eben ihre Spiele und versuchen, dabei wenigstens Zeichen zu setzen. Etwa vor der ersten Partie nach dem Beschluss zur Saisonfortsetzung: Beim Mannschaftsfoto stellten sich die Fußballer von Rekordmeister Diriangen, dem einzigen Verein, der gegen eine Fortsetzung gestimmt hatte, extra weit voneinander entfernt auf. Außerdem trugen sie Gesichtsmasken vor Mund und Nase.

Diriangen gewann im Anschluss mit 2:0 gegen Ocotal und untermauerte somit seine Ambitionen auf einen Playoff-Platz, der bis zum Ende der regulären Saison am vergangenen Wochenende auch souverän erreicht wurde. Ab Mittwoch duellieren sich die Klubs auf den Rängen drei bis sechs um zwei Halbfinalplätze. Dort geht es dann in Hin- und Rückspiel gegen den Ersten und Zweiten der regulären Tabelle, ehe das Finale ansteht.

Nicht erreicht hat die Playoffs übrigens Real Madriz, das nur rein zufällig fast genauso heißt wie Real Madrid. "Der Verein nannte sich erst Deportivo Madriz und dann FC Madriz. Um dem Namen mehr Bedeutung zu verleihen, kam später der Zusatz 'Real' dazu", erklärt Zeledon. Die Königlichen von Nicaragua also, die aber über kein allzu königliches Stadion verfügen: Das rustikal abgeranzte Estadio Solidaridad Augusto Cesar Mendoza gilt als besonders einsichtig und somit unter Fans als beliebter Austragungsort von "Geisterspielen".

Die Abschlusstabelle der nicaraguanischen Primera Division

PlatzKlubSpieleToreTordifferenzPunkte
1833:151842
1829:111835
1822:111135
1831:181330
1817:21-423
1824:23121
1818:31-1318
1815:28-1317
1814:25-1116
1811:31-2012
Artikel und Videos zum Thema