"Löw ist noch nicht am Ende"

Christoph Daum mit seiner Frau Angelica bei einem Boxkampf in Oberhausen
© getty

Christoph Daum führte Teams in Deutschland, Österreich und der Türkei zur Meisterschaft. SPOX traf den Erfolgscoach in Berlin. Daum über die glänzenden Perspektiven von Bundestrainer Joachim Löw, Marco Reus' Rolle nach der WM, die verpasste Blutauffrischung der Engländer und Xavis bitteren Abschied von der Bühne des Weltfußballs.

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SPOX: Herr Daum, schon vor der Weltmeisterschaft gab es immer wieder Gerüchte, Joachim Löw könnte sein Amt nach dem Turnier niederlegen. Was denken Sie als Trainer-Kollege darüber?

Christoph Daum: Zunächst muss man sagen, dass dies seine ganz persönliche Entscheidung ist. Ich gehe aber fest davon aus, dass Löw seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen wird. In dieser Mannschaft steckt unglaubliches Potenzial, sie ist immer noch ausbau- und steigerungsfähig. Viele junge Talente stehen vor dem Sprung und dann sind da noch die Spieler, die bei der WM verletzungsbedingt gefehlt haben.

SPOX: Einer dieser Spieler ist Marco Reus, dem eine große Rolle bei der WM zugetraut wurde und der dann zuschauen musste, wie seine Kameraden den Titel holten. Wird es für den Dortmunder nun schwieriger, seinen Platz in der Mannschaft zu finden?

Daum: Das denke ich nicht. Reus wurde von seinen Kollegen zum besten Spieler der vergangenen Saison gewählt und hat auch in der Nationalmannschaft geglänzt. Die Frage nach seiner Bedeutung für das Team erübrigt sich schon alleine dadurch. Reus würde die Qualität jeder Mannschaft erhöhen und wird sich mit Sicherheit auch zukünftig einen Stammplatz in der DFB-Elf erspielen.

SPOX: Während Reus das Tempo-Dribbling und die Räume hinter der Abwehr sucht, kam in der K.o.-Runde der WM mit Mesut Özil meist ein eher gestaltender Spieler über die linke Seite. Ist das Spiel der deutschen Mannschaft mit Reus anders?

Daum: Die grundlegende Spielweise ändert sich zwar nicht, dafür aber die Möglichkeiten. Özil und auch Mario Götze sind andere Typen, die nicht so sehr von ihrer Geschwindigkeit leben, sondern öfter den tödlichen Pass spielen oder von Außen flanken. Wenn man mit einem echten Mittelstürmer wie Miroslav Klose agiert, kann das sogar besser funktionieren.

SPOX: Löw gilt als internationales Vorbild, wenn es um die Förderung und die Integration junger Spieler in eine etablierte Mannschaft geht. Ist der WM-Titel die endgültige Bestätigung dafür, diese Philosophie über mittlerweile acht Jahre verfolgt zu haben?

Daum: Ja. Der Triumph der deutschen Nationalmannschaft ist der Beweis, dass man im heutigen Fußball nur so dauerhaft erfolgreich sein kann. Die Nachwuchsarbeit in Deutschland ist ausgezeichnet und vereinfacht es Löw, diesen Generationswechsel Stück für Stück voranzutreiben.

SPOX: Andere Länder wie Italien, Spanien und England haben diesen Schritt ein wenig verschlafen und mussten in Brasilien schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten.

Daum: Das gilt in erster Linie für Italien und England, wo es an Talenten mangelt, die die entsprechende Erfahrung mitbringen. In der Premier League werden immer noch zu viele Spieler aus dem Ausland geholt, statt sich vermehrt auf die Integration der eigenen Jugend zu konzentrieren. Das gilt auch für Italien. Schafft man es nicht, die jungen Spieler in der Liga zu positionieren, fehlt ihnen die Perspektive für die Nationalmannschaft und die notwendige Blutauffrischung bleibt aus.

Seite 1: Daum über Löw, Reus und die Engländer

Seite 2: Daum über Xavis Erbe und seine Zukunft

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