DFB-Shootingstar Lea Schüller: Wenn Träume fliegen lernen

Von SPOX
Lea Schüller will bei der WM in Frankreich mit dem DFB-Team den Titel holen.
© NIKE

Bereits mit 16 debütierte sie, Mitspieler nennen sie "rotzfrech". Dabei steht Lea Schüller ungern im Mittelpunkt - tut es jetzt aber mehr denn je.

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Um 17.48 Uhr stiehlt sich dann doch noch ein kleines Lächeln auf das Gesicht von Lea Schüller. Mit der über Halle untergehenden Abendsonne im Gesicht erwartet sie an der linken Eckfahne die erste Gratulantin Sara Däbritz. Ein kurzes Abklatschen und weiter. Dass da gerade eine 20-Jährige im erst sechsten Länderspiel ihr viertes Tor erzielt hatte, fiel einem nicht weiter auf.

Natürlich nicht. Lea Schüller steht auf sympathische Art und Weise nicht gern im Rampenlicht. Viel lieber zeigt sie auf dem Platz, was sie kann. Und das lässt Zuschauer, Mitspieler und Trainer staunen. Nicht nur wegen ihres Viererpacks beim 4:0 gegen die Tschechinnen gilt sie als Hoffnungsträgerin des deutschen Frauen-Fußballs. Aber von vorne.

"Auf dem Platz ist sie rotzfrech"

Geboren wird Schüller in der beschaulichen 26.000-Einwohner-Gemeinde Tönisvorst. Rathaus, Wasserturm und prächtige Herrenhäuser. Sie wächst in Krefeld auf, schon bald entdeckt sie ihre Liebe zum Fußball. Über den Hülser SV kommt sie bei SGS Essen unter - ein Glücksfall für beide. Im B-Jugend-Alter von nur 16 Jahren debütiert sie für die erste Mannschaft. Ihr Talent ist augenscheinlich, die Dynamik, der Drang, in die richtigen Lücken zu stoßen. Noch immer erst 16 Jahre alt, erzielt sie gegen den BV Cloppenburg ihre ersten Tore.

Sie orientiert sich schon damals an Marco Reus, ist Fan von Borussia Dortmund. Wie der BVB-Superstar hat sie ein ganz besonderes Gespür für Situationen - und immense Torgefahr. "Ich habe sie im Training gesehen. Sie hat viel Zug zum Tor", lobt Ex-Bundestrainer Horst Hrubesch in der für ihn typischen trockenen Art. Torhüterin Almuth Schult sagt: "Wir können uns auf das freuen, was noch kommt. Auf dem Platz ist sie rotzfrech."

Kometenhafter Aufstieg

"Ich musste nicht gepusht werden", erinnert sich Schüller im exklusiven Gespräch mit SPOX und Goal. In Essen so früh das Vertrauen bekommen zu haben, empfindet sie als "Ehre". So ist Schüller, sie will sich nicht in den Mittelpunkt stellen. Sie betont oft, sie habe "richtig gestanden" oder "eine perfekte Vorlage bekommen". Ganz so, als sei sie nur eine, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort steht und viel Glück hat.

Das erleben ihre Gegenspielerinnen ganz anders, von Glück bei der sie überlaufenden Schüller merken sie wenig. Sie legt einen kometenhaften Aufstieg hin, erzielt bis heute in ihren 83 Spielen für Essen 32 Tore. Im Juni 2017 folgte als Belohnung die erstmalige Einladung in die A-Nationalmannschaft. In den Kader für die EM 2017 schafft sie es noch nicht. Doch nach dem Viertelfinal-Aus der DFB-Damen soll ein Umbruch her - es ist völlig klar, dass Schüller Teil davon sein soll.

Schüller im Freundschaftsspiel gegen Frankreich im Februar 2019.
© getty
Schüller im Freundschaftsspiel gegen Frankreich im Februar 2019.

"Ich habe genug Selbstvertrauen"

Am 20. Oktober 2017 feiert sie ihr Debüt, die Westfälischen Nachrichten nennen sie "Küken". Nur neun Minuten nach ihrer Einwechslung trifft sie bei der Premiere, natürlich. Es folgt das dicke Ausrufezeichen an jenem Apriltag in Halle gegen Tschechien - und drei weitere Tore im DFB-Trikot. Mit acht Treffern in 13 Spielen und einer dicken Empfehlung für Einsätze geht es jetzt zur WM in Frankreich. "Ich habe genug Selbstvertrauen", macht Schüller klar und auch, dass für sie ein Traum in Erfüllung gehe.

Sie, die nie eine große Träumerin war, sondern immer harte Arbeit dem In-der-Zukunft-Schwelgen vorzog, erreicht ihn in Frankreich dann doch, ihren großen Traum, der sie von Tönisvorst bis in die WM-Stadien führt. Und vielleicht ja sogar bis ins Finale von Lyon.

Das Küken hat fliegen gelernt

So oder so: Schüller will auch bei der WM wieder das tun, was sie am besten kann: in Räume sprinten, zum Albtraum für ihre Gegenspielerinnen werden und Tore schießen. Und dann? Wird sie wieder abdrehen, mit ihren Gegenspielerinnen jubeln, als wäre dieser Moment etwas ganz Normales. Und nicht ein weiteres Kapitel beim Schreiben ihrer ganz persönlichen Erfolgsgeschichte.

Lea Schüller ist 21 Jahre alt und hat doch schon viel erreicht. Sie fährt zur WM, erzielte 2018 mit einem furiosen Distanzschuss das von Fans gewählte Frauen-Nationalmannschaftstor des Jahres. Das Küken hat fliegen gelernt - genau wie ihre Träume.

Was erwartet sie von der Zukunft? "Eine gute WM", sagt sie, klar. Und danach? "Irgendwann mal Champions League", um sich "weiterzuentwickeln". Denn obwohl sie noch so jung ist, will sie eines auf keinen Fall: Stillstand.

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