EM-Debakel: Jones vor Aus?

SID
Die deutschen Damen waren bei der EM als klare Titelfavoriten gestartet
© getty

Als die Spielerinnen fassungslos zu Boden sanken und die Tränen kullerten, stapfte Steffi Jones mit düsterer Mine über den Platz - die krachend gescheiterte Mission Titelverteidigung hinterließ vor allem bei der Bundestrainerin tiefe Spuren. Die erschreckend schwache Vorstellung der deutschen Fußballerinnen beim 1:2 (1:0) im EM-Viertelfinale gegen Dänemark nährt die Zweifel an der Trainer-Novizin, deren Berufung bereits viel Kritik hervorgerufen hatte.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Natürlich hinterfrage ich jetzt meine Entscheidungen. Wir werden die EM analysieren, dann werden wir sehen, ob es vom System her passte, ob wir anders entscheiden hätten müssen", gestand Jones bereits wenige Minuten nach dem Abpfiff ein: "Die Enttäuschung ist sehr groß. Man fragt sich, was schiefgelaufen ist und was wir nach den Gruppenspielen nicht verstanden haben."

Trotz des Scheiterns will die Trainerin ihr Amt nicht zur Verfügung stellen. "Die Entscheidungsträger sitzen im DFB. Die werden in den nächsten Tagen mit mir zusammensitzen und entscheiden, wie es weitergeht", sagte Jones: "Meine Motivation ist da. Ich möchte gerne weitermachen."

Ob sie das darf, scheint offen. DFB-Präsident Reinhard Grindel vermied in seinem Statement jedenfalls ein Bekenntnis zu Jones. "Natürlich sind wir beim DFB alle sehr enttäuscht über das frühzeitige Ausscheiden unserer Frauen-Nationalmannschaft und vor allem über die spielerische Leistung, die unsere Mannschaft heute gegen das dänische Team gezeigt hat", postete Grindel am Sonntagnachmittag bei Facebook: "Es war sicher nicht alles schlecht bei dieser Europameisterschaft. Wir werden nunmehr in aller Ruhe, unabhängig von der aktuellen Enttäuschung über das Ausscheiden, mit allen Beteiligten analysieren und überlegen, was zu tun ist, damit unsere Frauen-Nationalmannschaft wieder an frühere Erfolge anknüpfen kann."

Durch die Pleite in dem mit über 15-stündiger Verspätung angepfiffenem Spiel verpasste der Olympiasieger nach zuletzt sechs EM-Triumphen in Serie zum ersten Mal seit 1987 den Einzug in eine EM-Vorschlussrunde.

Dabei erwischten die Deutschen einen Blitz-Start. Doch nach dem frühen Treffer per Distanzschuss von Isabel Kerschowski (3.), bei dem die ungeschickte dänische Keeperin Stina Petersen kräftig mithalf, glich erst Nadia Nadim (49.) per Kopf aus. Theresa Nielsen (83.) machte ebenfalls per Kopf das deutsche Debakel perfekt. Dänemark trifft in seinem sechsten EM-Halbfinale am Donnerstag in Breda auf den Sieger des Duells zwischen Österreich und Spanien am Sonntagabend.

Regen-Chaos sorgte für Verschiebung

Am Samstag war das deutsche Spiel um 21.55 Uhr, 70 Minuten nach dem geplanten Anstoß, absagt und verlegt worden. Dauerregen hatte für denkwürdige Szenen im Sparta Stadion gesorgt: Die Trainerbänke standen unter Wasser und Jones half selbst in der Eimer-Kette mit, um ihren Arbeitsplatz trocken zu legen. TV-Moderatoren standen barfuß im knöcheltiefen Wasser, während Helfer versuchten, die Lachen vom Rasen zu schieben.

Beim zweiten Aufwärmversuch ließ Jones einen weiblichen Volunteer einen Ball auf dem durchtränkten Rasen schießen, die junge Frau legte sich fürchterlich auf den Rücken. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Jones, die hinter den Kulissen mit dem dänischen Trainer Nils Nielsen auf eine Absage drängte: "Es geht hier auch um die Gesundheit der Spielerinnen." Und die saßen so am späten Abend auf dem Hotelflur und trockneten ihre Fußballschuhe mit Klo- und Zeitungpapier.

Jones blieb am Sonntag ihrer Aufstellung vom Vorabend treu. Vorne stürmte Linda Dallmann anstelle der glücklosen Mandy Islacker neben Anja Mittag. Links in der defensiven Viererkette setzte Jones auf Geschwindigkeit und gab Kerschowski den Vorzug vor Carolin Simon.

Frühe Führung gab Deutschland keine Sicherheit

Und die Wolfsburgerin brachte das deutsche Team, dass sich nach drei Spätspielen auf einen ungewohnt frühen Anstoß umstellen musste, gleich mit dem ersten Torschuss in Führung. Dänemark glich beinahe postwendend aus, doch nach einem Konter setzte Kapitänin Pernille Harder (6.) den Ball aus spitzem Winkel knapp am langen Pfosten vorbei.

Offensiv war die DFB-Auswahl vor 5251 Zuschauern anfangs spielbestimmend und zeigte teils schöne Ballstafetten, lud den Gegner mit Fehlpässen aber immer wieder zu gefährlichen Gegenstößen ein. So musste Torhüterin Almuth Schult gegen Katrine Veje (38.) eingreifen.

Nach dem Seitenwechsel drehte Dänemark auf und ließ den großen Favoriten immer wieder alt aussehen. Beim Ausgleich pennten Dzsenifer Marozsan und Kerschowski, als sie auf einen Freistoßpfiff der Schiedsrichterin warteten, diese aber Vorteil laufen ließ.

Anschließend traf Veje aus kurzer Distanz vor dem leeren Tor die Latte (57.), Schult klärte in höchster Not gegen ihre Klubkollegin Harder im Eins-gegen-Eins (58.). Die DFB-Frauen verloren komplett den Faden und kamen nur noch selten zu konstruktiven Angriffen. Die immer größer werdenden Lücken in der Abwehr bestrafte Nielsen. Die Schlussoffensive des Olympiasiegers verlief plan- und erfolglos.

Artikel und Videos zum Thema