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Keine Awards, kein Stammplatz - aber viel Talent!

Von Jochen Rabe
In Deutschlands U-Mannschaften hat Samed Yesil (l.) eine starke Quote
© Getty

Zu dünn? Zu schwach? Zu eindimensional? Trotz Top-Quote in der Jugend - Bayer Leverkusen ließ Samed Yesil für kleines Geld ziehen. Für den FC Liverpool steht der 18-Jährige jetzt vor dem Debüt in der Europa League. Die Chancen bei den Reds werden kommen, Yesil muss jedoch auch den nächsten Schritt in seiner Entwicklung gehen.

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Eigentlich sollte er in kleinen Schritten an das Profiteam herangeführt werden, jetzt geht plötzlich alles ganz schnell. Der FC Liverpool fliegt zum Europa-League-Auftakt nach Bern - und Stürmer Samed Yesil ist mit an Bord. Gegen die Young Boys (19 Uhr im LIVE-TICKER) könnte der 18-Jährige früher als erwartet zu seinem Europapokal-Debüt für die Reds kommen.

Noch am Wochenende kickte Yesil für die zweite Mannschaft des englischen Traditionsklubs. Beim 4:1 gegen die Reserve von Chelsea blieb der 18-Jährige allerdings ohne Tor und wurde bereits nach 58 Minuten für den Engländer Michael Ngoo ausgewechselt. Nun sieht es aus, als sei schon sein nächstes Spiel von einem ganz anderen Kaliber: in der ersten Mannschaft, in der Europa League.

Stürmermangel als Chance

Der Grund: Nach dem Abgang von Andy Carroll (West Ham) stehen dem FC Liverpool mit Luis Suarez und Fabio Borini aktuell nur zwei gelernte Zentrumsstürmer zur Verfügung. Statt noch einmal neue Spieler wie den zuletzt vereinslosen Michael Owen zu verpflichten, setzt Trainer Brendan Rodgers bewusst auf die Jugend.

Für Yesil findet Rodgers bereits lobende Worte: "Samed wird beim Europa-League-Spiel dabei sein. Ich habe ihn vor zwei Wochen bei der U 19 für Deutschland gegen England spielen sehen. Er erzielte zwei fantastische Treffer und bereitete ein weiteres vor."

Der schnelle Aufstieg des 17-jährigen Raheem Sterling kann Spielern wie Yesil Hoffnung geben, sich auch durchsetzen zu können. "Alles, was ich getan habe, war, ihm eine Chance zu geben", sagte Brendan Rodgers zum "Guardian". "Diese Chance wird für Yesil und ein, zwei andere Jungs über die nächsten Monate auch kommen."

Leverkusen ließ ihn ziehen

Bis zum Sommer stand der Angreifer, den viele für eines der größten Sturmtalente Deutschlands halten, bei Bayer Leverkusen unter Vertrag. Kurz vor Ende der Transferperiode ließ ihn die Werkself jedoch ziehen. Und das nicht etwa zur Leihe oder für eine saftige Ablösesumme. Nein, der FC Liverpool überwies dem Bundesliga-Klub lediglich 1,3 Millionen Euro für Yesil.

"Es war der Wunsch des Spielers, diese Chance zu ergreifen. Dem wollten wir nicht entgegenstehen", sagte Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser zur "Bild". Eine Aussage, die nicht danach klingt, als hätte man mit allen Mitteln um den Deutsch-Türken gekämpft.

Warum ließ Leverkusen Samed Yesil ziehen? Werden Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser den Verkauf des 18-Jährigen eines Tages bereuen?

Top-Quote im Junioren-Bereich

Ein Blick auf seine Quote in Deutschlands U-Mannschaften jedenfalls lässt das vermuten. Bei der U 17 erzielte er 19 Tore in 21 Spielen.

Besonders während der U-17-WM 2011 in Mexiko konnte Yesil überzeugen. Mit sechs Treffern in sieben Spielen wurde er zweitbester Torjäger des Turniers und schoss Deutschland zum dritten Platz. Zuletzt setzte der Angreifer seinen Lauf in der U 19 fort.

Auch in der Leverkusener A-Jugend konnte das Talent in der vergangenen Saison eine vorzeigbare Quote vorweisen. In 23 Spielen traf er 19-mal.

Yesil ohne Stammplatz in Bayers U 23

Auf der großen Bühne Bundesliga hatte der Knipser allerdings wenige Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen. Für Bayer Leverkusen spielte Yesil erst zehn Minuten in der höchsten deutschen Spielklasse.

Der Sprung vom Junioren- in den Erwachsenen-Bereich fiel dem 18-Jährigen bei der Werkself ohnehin nicht leicht. Nicht einmal in Leverkusens U 23 unter Trainer Ralf Minge war der Angreifer unumstrittener Stammspieler.

An den ersten fünf Spieltagen der neuen Regionalliga-Saison spielte er nur einmal durch. Zweimal wurde er aus-, einmal eingewechselt, in der Partie gegen die U 23 von Borussia Mönchengladbach saß er gar 90 Minuten auf der Bank.

Keine Fritz-Walter-Medaille

Zu 100 Prozent überzeugt schienen sie bei Leverkusen von dem Youngster also nicht gewesen zu sein. Auch der DFB stufte Yesil zumindest nicht als absolutes Top-Talent ein.

Trotz seiner starken Quote in Deutschlands U-Mannschaften gewann er nie eine Fritz-Walter-Medaille. Im Jahr der U-17-WM zeichnete der DFB in Yesils Altersklasse stattdessen Emre Can mit Gold, Robin Yalcin mit Silber und Torhüter Odisseas Vlachodimos mit Bronze aus.

Auch in diesem Jahr bekam der 18-Jährige keine der begehrten Auszeichnungen.

Bei Bayer sah Samed Yesil also nicht die Perspektive, um den nächsten Schritt zu machen und bei den Profis Fuß zu fassen. Aus seiner Sicht war ein Wechsel die logische Konsequenz.

Berater Fazeli als Vermittler

Es ging nach England: Schon im Vorjahr soll laut der "Sun" Arsene Wenger von Arsenal ein Auge auf ihn geworfen haben, jetzt hat der FC Liverpool sich die Dienste des Angreifers gesichert.

Dass er ausgerechnet an der Anfield Road unterschrieb, ist vor allem ein Verdienst seines Beraters. Reza Fazeli ist ein Fachmann, wenn es darum geht, deutsch-türkische Spieler bei ausländischen Topklubs unterzubringen.

So fädelte Fazeli im die Transfers von Mesut Özil, Hamit Altintop und Nuri Sahin zu Real Madrid ein. Letzteren vermittelte er in diesem Sommer zum FC Liverpool - genau wie Yesil.

Hyypiä "hat mir sehr geholfen"

Neben dem Berater hat auch Leverkusens Teamchef Sami Hyypiä seinen Anteil am Transfer des Youngsters. Der Finne spielte zehn Jahre für die Reds, bevor er 2009 zu Bayer wechselte. "Er hat mir sehr geholfen und wichtige Dinge über Liverpool erzählt", erläutert Yesil.

Er erwartet nicht sofort, von Null auf Hundert durchzustarten, deshalb sind die Ziele des Talents langfristig angelegt: "Ich will mich Schritt für Schritt an die erste Mannschaft heranarbeiten. Ich hoffe, dass ich in ein oder zwei Jahren in der ersten Mannschaft spielen kann", sagt er.

Einsatz-Chancen bei Liverpool

Auf dem Weg von den Liverpool Reserves ins A-Team hat Yesil Gesellschaft von Stephen Sama. Der deutsche Innenverteidiger wechselte 2009 als 16-Jähriger auf die Insel, wartet aber bis heute auf seinen ersten Premier-League-Einsatz.

Gegenüber seinem Landsmann hat Yesil einen entscheidenden Vorteil: der Stürmermangel bei den Reds. Immer wieder könnte ein Angreifer aus der zweiten Mannschaft in den 18er-Kader der Profis rücken. Seine größten Konkurrenten um einen Platz bei den Profis sind der Spanier Suso und Ngoo. Um sich für Einsätze in der A-Mannschaft zu empfehlen, müssen Yesils Leistungen bei den Reserves stimmen.

Leverkusen mit Rückkauf-Option

Zweifelsohne hat Yesil viel Potenzial. Der Torinstinkt ist da, zudem hat er eine gute Ballbehandlung. Will er jedoch wirklich einhalten, was sich viele Experten nach seinen starken Leistungen im Junioren-Bereich von ihm versprechen, muss er beim FC Liverpool den nächsten Schritt machen.

Mit 72 Kilo fehlt es Yesil an Masse und damit an Durchsetzungsfähigkeit im Zweikampf. Gegen wuchtige Innenverteidiger kann er sich als Mittelstürmer so nur schwer behaupten. Auch läuferisch muss der Youngster zulegen. Gut möglich, dass ein Wechsel in die englische Liga mit ihrem körperbetonten Spiel genau das Richtige ist, damit aus dem Talent ein gestandener Profi wird.

Für den Fall, dass ihm der Durchbruch gelingen und Leverkusen den Verkauf doch noch bereuen sollte, hat Bayer vorgesorgt: Wie der Klub bestätigte, sicherte man sich eine Rückkauf-Option für Yesil. Details sind jedoch nicht bekannt.

Samed Yesil im Steckbrief

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