EM

Fünf Minuten Bangen

Von Für SPOX bei der EM: Stefan Rommel
Mit neun Punkten aus drei Spielen ziehen Lukas Podolski und Co. ins Viertelfinale ein
© Getty

Deutschlands Viertelfinaleinzug war ein hartes Stück Arbeit in einem Spiel mit einem eigenartigen Innenleben. Die deutsche Elf erklärte ihre Leistung nüchtern - vom Gegner gab es dagegen ausschließlich großes Lob.

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Die ersten 45 Minuten des letzten Spieltags zeigten noch einmal, wie eng - einige würden sagen: todesgruppig - diese Gruppe B denn nun wirklich war: Überall stand es Remis, in Lwiw bei der Paarung Deutschland gegen Dänemark, ebenso wie in Charkiw, wo sich Portugal und die Niederlande um den Viertelfinaleinzug stritten. Jede Mannschaft hatte ein Tor erzielt, auch das passte.

Am Ende musste es dann aber doch zwei Teams treffen, die in ein paar Tagen das Turnier nicht in Polen weiterführen dürfen, sondern dann wohl schon in den Sommerferien weilen.

Zu viele Chancen vergeben

Als dann die Nachricht von Cristiano Ronaldos Treffer im fernen Charkiw bis ins Innere des Stadions in Lwiw drang, war es Morten Olsen, der als Erster reagierte.

Einer seiner Assistenten flüsterte ihm das portugiesische 2:1 ins Ohr, Olsen holte sich prompt Christian Poulsen zur Seite und wechselte den frischen Spieler wenige Augenblicke später ein. In Lwiw lief da die 78. Minute und vieles deutete darauf hin, dass es eine sehr ungemütliche Restspielzeit für die deutsche Mannschaft werden würde.

Die hatte es in der ersten Halbzeit versäumt, früh für klare Verhältnisse zu sorgen. Eine stattliche Zahl bester Möglichkeiten blieb da ungenutzt, lediglich Lukas Podolskis 44. Tor im 100. Länderspiel sorgte ein paar Minuten für Entspannung. Da dummerweise kurz darauf Michael Krohn-Dehli für die Dänen ins Tor köpfelte, war die alte Ausgangslage Mitte der ersten Halbzeit wieder erreicht.

"Uns hat der Killerinstinkt gefehlt. Das hätte die Aufgabe heute erleichtert", monierte Joachim Löw deshalb auch zu Recht.

Schlaue Dänen

Die Dänen waren im Vorfeld als der Punktelieferant der Gruppe abgestempelt worden, offenbar wollte aber nur Bundestrainer Joachim Löw immer und immer wieder vor dem unbequemen Gegner warnen - der sich in Lwiw auch als solcher entpuppte.

Dänemark spielte ein schlaues Spiel, raubte der deutschen Mannschaft immer wieder das Tempo in deren Angriffsaktionen und bekämpfte das Dreieck Schweinsteiger-Khedira-Özil mit einer Mischung aus reiner Manndeckung und intensiver Laufarbeit im Zentrum.

"Es gab große Lücken im Mittelfeld. Wir haben dem Gegner zu viel Platz gelassen. Das hätten wir besser in den Griff bekommen müssen", moserte Löw und fügte an: "Nach dem Ausgleich war klar, es darf nicht mehr viel gegen uns passieren. Alle Gegner ziehen sich extrem zurück. Bei Dänemark wussten wir das, das Ergebnis scheint ihnen völlig egal zu sein."

Eigenartiges Spiel

In der Tat lief alles irgendwie nach Wunsch der Skandinavier und weniger nach dem der deutschen Mannschaft.

Die beeilte sich immer wieder, wollte das Spiel antreiben, führte Einwürfe, Freistöße schnell aus. Ganz so, als gelte es, selbst einen Rückstand aufholen zu müssen. Im Gegensatz dazu verschleppte Dänemark das Spiel, drehte bei jedem Abstoß an der Uhr. Dabei mussten die Dänen ja schon durch das zwischenzeitliche 1:1 im Parallelspiel gewinnen, weil sie den direkten Vergleich gegen Portugal verloren hatten.

"Es ist immer einfacher, wenn der Gegner mitspielt. Die Dänen haben das nicht gemacht, obwohl sie gewinnen mussten", wunderte sich deshalb Sami Khedira ein bisschen.

Nur fünf Minuten gezittert

Nach Ronaldos 2:1 verlagerte sich der Bezugspunkt plötzlich nach Lwiw, auf den Gegner, den die Dänen hier leibhaftig vor der Brust hatten. Jetzt sollte der teuflische Plan vollends aufgehen mit einem späten Tor in den letzten Minuten der Partie. Bis sich Simon Poulsen einen Fehlpass erlaubte und die deutsche Mannschaft endlich das tun konnte, was sie offenbar immer noch mit am besten kann: Schnell kontern.

Die richtig schlimme Zitterphase hatte nur rund fünf Minuten gedauert, dann zog Lars Bender mit seinem Tor allen dänischen Hoffnungen den Stöpsel. Es war der erste Sieg über Dänemark seit 1996 und der erste bei einem großen Turnier gegen den Nachbarn seit 24 Jahren. Und es war der finale Akt einer Gruppenphase, wie sie für Deutschland erfolgreicher nicht hätte laufen können.

Makellose Bilanz

Als einzige Mannschaft ist Deutschland mit der Maximalausbeute von neun Punkten aus drei Spielen durch die Vorrunde gekommen. "Alle Spiele waren schwierig, drei Spiele, drei Siege - wir sind durch die Gruppe marschiert. Wir haben unsere Rolle in der Vorrunde untermauert und bestätigt, was wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben", befand Philipp Lahm.

Deutschland hat sich gemäß der Zahlenlogik souverän durchgesetzt und etwa den vermeintlich schärfsten Kontrahenten Niederlande um neun Punkte distanziert. Allerdings ist damit bisher lediglich das Minimalziel erreicht. Ab sofort tritt die Europameisterschaft für Löws Truppe in eine andere Phase ein.

Für Dänemark ist sie dagegen vorbei. Wie alle Spiele endete auch dieses in einer Gruppe ohne Unentschieden mit nur einem Tor Differenz. Trotzdem reisen die tapferen Dänen erhobenen Hauptes nach Hause.

Dickes Lob an Deutschland

"Wir haben fantastisch mitgespielt gegen die absolut beste Mannschaft hier", sagte Trainer Morten Olsen, trauerte aber der durchaus möglichen Chance aufs Viertelfinale aber auch ein wenig nach. "Leider haben wir in der zweiten Halbzeit nicht richtig selbst Zug in die Sache bekommen, obwohl wir den Ball mehr hatten. Aber gegen eine Mannschaft wie die Deutschen kann man nicht viele Chancen herausspielen.

Die Dänen wussten, wie gut sie auch an diesem Abend wieder waren. Und deshalb wussten sie auch die Leistung des Gegners richtig einzuschätzen. "Manchmal muss man akzeptieren, dass man gegen eine starke Mannschaft spielt, und so war das heute", sagte Daniel Agger, der beste Däne in Lwiw.

"Wir können jetzt einfach den Hut vor den Deutschen ziehen und wünschen ihnen viel Glück. Das ist einfach eine klasse Truppe."

Dänemark - Deutschland: Daten zum Spiel