"Wir wurden belästigt"

Von Interview: Haruka Gruber
Im Blickpunkt: Francisco Copado und Ehefrau Eva auf dem Weg zu Hoffenheims Weihnachtsfeier
© Imago

Ohne ihn hätte es das Hoffenheimer Wunder nie gegeben: Francisco Copado. Der 34-Jährige über dreiste Fans, Ibisevic' Verletzung und den Wechsel nach Unterhaching.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Warum gehen Sie freiwillig vom Bundesliga-Herbstmeister Hoffenheim in die 3. Liga zu Unterhaching?

Francisco Copado: Es hat mir in Hoffenheim keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe selten gespielt und daher das Interesse verloren, länger als nötig bei der TSG zu bleiben.

SPOX: Aber nach Ibisevic' Verletzung hätten Sie größere Chancen auf einen Einsatz gehabt, wenn Sie bei 1899 geblieben wären.

Copado: Für Vedad tut es mir sehr leid. Er hat die Saison seines Lebens gespielt und ist ein toller Typ. Hoffenheim war abhängig von seinen Toren. Aber für mich ist das Kapitel 1899 beendet - zumal auch familiäre Gründe dafür gesprochen haben, aus Hoffenheim wegzugehen.

SPOX: Dabei ist Hoffenheim doch so beschaulich.

Copado: Viel zu beschaulich. Nach einer gewissen Zeit reicht es mit dem Dorfleben, alleine schon wegen meinen Kindern. Es gibt keine Zoos oder andere Freizeitmöglichkeiten, die in einer Großstadt normal sind. Deswegen haben wir - wann immer es möglich war - unsere freien Tage in München verbracht, wo die Familie meiner Frau wohnt. Am meisten hat in Hoffenheim aber genervt, dass wir jeden Tag zuhause belästigt wurden.

SPOX: Inwiefern belästigt?

Copado: Wildfremde Leute haben bei uns geklingelt und um etwas gebeten. Autogramme sind eine Sache, aber die waren zum Teil so dreist, auch noch nach Trikots oder Eintrittskarten zu fragen. Seltsam war es auch, dass zwölf-, dreizehnjährige Kinder vorbeikamen und meinen fünfjährigen Sohn zum Fußball mitnehmen wollten. Diese Dinge gefielen meiner Frau und mir überhaupt nicht und haben uns im Entschluss bestärkt, nach Unterhaching zurückzukehren.

SPOX: Wie verlief der Abschied von 1899-Trainer Ralf Rangnick? Zwischen ihnen soll es häufiger gekracht haben.

Copado: Mich interessiert es immer wieder, woher Journalisten solche Informationen bekommen. Wenn man Rangnick nach seiner Meinung über mich fragt, wird man nichts Negatives hören. Wir hatten ein super Verhältnis und haben uns sogar lieb gewonnen. Es gab nur einen kleinen Disput...

SPOX: ...als Sie vor einem Jahr von Rangnick als Kapitän abgesetzt wurden.

Copado: Wobei es gar nicht um die Kapitänsbinde ging. Ich war zunächst verletzt und unzufrieden, dass ich daraufhin nicht mehr von Beginn an gespielt habe. Wir haben uns aber schnell ausgesprochen und ich hatte mit meinen Toren großen Anteil daran, dass wir in die Bundesliga aufgestiegen sind.

SPOX: Ähnliches erhofft sich auch Unterhaching von Ihnen.

Copado: Klar erwarten die Leute von mir, dass ich den Verein wieder in die 2. Liga schieße. Deswegen wurde ich geholt. Ich habe die SpVgg 2003 schon in die 2. Liga geführt und den Verein mit meinen Toren oben gehalten. Und auch Hoffenheim wäre ohne meine Hilfe nie der Durchmarsch aus der Regionalliga in die Bundesliga geglückt, was Rangnick häufig betont. Ich bin zuversichtlich, dass es in Unterhaching klappt.

SPOX: Sie sind der neue Star der 3. Liga und fahren mit Ihrem weißen Porsche zum Training - was vom Münchner Boulevard als Extravaganz ausgelegt wird.

Copado: Der Journalist, der mich mit meinem Auto fotografiert hat, bekommt von mir Ärger. Ich habe ihm ausdrücklich gesagt, dass er nur mich fotografieren dürfte. Aber solange mein Trainer und meine Mitspieler keine Probleme damit haben, ist es mir auch egal. Ich weiß ja, worauf ich mich eingelassen habe.

SPOX: Sie tauschen den kleinsten Bundesliga-Standort der Geschichte gegen den zweitkleinsten ein. Sind Hoffenheim und Unterhaching vergleichbar?

Copado: Ganz im Gegenteil: Beide Klubs sind wie Tag und Nacht. In Hoffenheim gibt es ein neues Stadion und bald ein neues Trainingszentrum, die den höchsten Ansprüchen genügen. Da kann Unterhaching nicht mal ansatzweise mithalten.

SPOX: Immerhin eine Parallele: Die Vereine werden von Mäzenen unterstützt. Hoffenheim von Dietmar Hopp, Unterhaching von ihrem Schwiegervater Anton Schrobenhauser.

Copado: Beiden Männern liegt ihr Verein am Herzen. Sie stehen hundertprozentig dahinter und wollen das Beste für den Verein - auch wenn bei uns das Geld nicht im Überfluss vorhanden ist.

SPOX: Schwingt da doch etwas Wehmut mit?

Copado: Nein, vielmehr überwiegt der Stolz, was ich in den zweieinhalb Jahren in Hoffenheim erreicht habe. So etwas wie die TSG gab es noch nie in Deutschland und ich war ein großer Teil davon. Meine Mission war der Aufstieg in die Bundesliga und ich habe sie erfüllt. Mit diesem guten Gefühl wollte ich gehen und nicht einfach nur die letzten eineinhalb Jahre meines Vertrags aussitzen.

SPOX: Das alles klingt erstaunlich erwachsen. Wo ist der als Partygänger berüchtigte Copado geblieben, der in Unterhaching 2001 für zehn Monate suspendiert wurde?

Copado: Ich ticke genauso wie früher, aber sicherlich bin ich reifer geworden. Besonders in der Zeit, als ich nicht Fußball spielen durfte, habe ich über einige Sachen nachgedacht. Ob ich zu oft weggegangen bin und zu wenig für den Job investiert habe. Zumal mir meine Frau, damals noch meine Freundin, Grenzen gesetzt hat. Von wegen "das darfst Du nicht machen, das darfst Du Dir nicht erlauben".

SPOX: Und, haben Sie sich daran gehalten?

Copado (lacht): Nicht immer, aber oft.

SPOX: Sie können darüber lachen. Aber bereuen Sie es nicht, Ihr Talent womöglich vergeudet zu haben? Ihr Schwager Hasan Salihamidzic spielt bei Juventus Turin und wurde mehrmals Deutscher Meister.

Copado: Ich war immer der bessere Fußballer als Brazzo, dafür aber kein Musterschüler. Ich habe das Leben gelebt und auf den Putz gehauen. Brazzo war nicht der Typ dafür und hat dementsprechend mehr erreicht. Wir haben auch häufig darüber geredet. Aber bereuen bringt nichts. Denn wenn meine Karriere anders verlaufen wäre, hätte ich nie meine Frau kennengelernt. Und das wäre ja wohl noch viel schlimmer.

SPOX: Wäre es Ihnen in frühen Jahren eine Hilfe gewesen, wenn es schon damals Sportinternate wie das von Hoffenheim gegeben hätte?

Copado: Definitiv nicht. Ich komme gerne zum Training und beschäftige mich zwei, drei Stunden damit, aber dann brauche ich auch meine Ruhe und Freizeit. So war ich schon immer. Ich hätte es nicht ausgehalten, zehn Stunden nur mit Fußball zu tun zu haben - und ich weiß auch nicht, ob es generell für einen 16-Jährigen gut ist, derart zum Bundesliga-Profi gedrillt zu werden.

SPOX: Hoffenheims Sportdirektor Bernhard Peters betonte im SPOX-Interview die Bedeutung der sogenannten Persönlichkeitsspiegelung für junge Spieler. Dass diese ihre eigene Wahrnehmung schulen und an ihrer Ausstrahlung arbeiten müssten. Klingt doch recht vernünftig.

Führe deinen eigenen Klub zum Titel: Mit SPOX und Goalunited

Copado: Ich bezweifle, dass man einen jungen Burschen nach einer bestimmen Formel charakterlich so festigen kann, dass dieser sich automatisch im Haifischbecken Bundesliga durchsetzt. Auch Fußballer sind nur Menschen mit Emotionen. Das darf man nicht vergessen. Daher bin ich skeptisch, wenn Jugendliche von Schulung zu Schulung, von Psychologe zu Psychologe geschickt werden. Man kann den Weg ebnen, aber nicht bestimmen.

SPOX: Sprechen Sie da nur von sich?

Copado: Nein. Die besten Fußballer sind doch die, die den meisten Blödsinn anstellen, dafür aber auf dem Platz zu außergewöhnlichen Dingen befähigt sind. Ein Franck Ribery wäre nie so gut geworden, wenn er nur brav zu allem Ja und Amen gesagt hätte. Meine Söhne werde ich auf jeden Fall nie in ein Internat schicken. Ist doch viel zu streng und monoton.

Ein Nordlicht in München: Francisco Copado im Steckbrief