Nach Nazi-Vergleich: Luft für DFB-Boss Keller wird immer dünner

SID
DFB-Präsident Fritz Keller (r.) und Rainer Koch.
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Der krisengeplagte DFB kommt nicht zur Ruhe. Die Frage nach der Zukunft von Präsident Fritz Keller stellt sich.

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Das Aus für Fritz Keller wurde in den vergangenen Wochen zwar schon häufig prophezeit, doch exakt 19 Monate nach seinem Amtsantritt ist die Luft für den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) so dünn wie nie zuvor. Als Folge seiner verbalen Entgleisung stehen hinter einer weiteren Zusammenarbeit an der ohnehin heillos zerstritten Verbandsspitze immer größere Fragezeichen. Durch seinen Nazi-Vergleich gilt Keller als kaum noch tragbar, der Druck auf den 64-Jährigen wächst - erste Verbände rücken von ihm ab.

So wurde Keller vom Präsidium des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) indirekt der Rücktritt nahegelegt. "Fritz Keller disqualifiziert sich, er vertieft so weiter die Gräben und betreibt Polarisierung", teilte der BFV nach einer Videokonferenz ohne seinen Präsidenten Rainer Koch am Dienstag mit: "Mit einem derartigen Verhalten, das jedwede Grenzen überschreitet und nicht zu tolerieren ist, wird er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht."

Allerdings lehnt Keller, der seit Monaten im Mittelpunkt eines Machtkampfes an der Spitze des größten Einzelsportverbandes der Welt steht, eine Demission ab - was er mit einer Fußball-Metapher deutlich machte. "In Zeiten gesellschaftlicher Zerrissenheit sollten wir uns als Fußballer nach meinem Foul die Hände reichen und ein gemeinsames Zeichen der Versöhnung geben", sagte der DFB-Boss: "Ich freue mich, dass Rainer Koch zu gemeinsamen Gesprächen bereit ist."

Keller gab zu, dass er "mit der Bemerkung in der Präsidiumssitzung am vergangenen Freitag gegenüber meinem 1. Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch einen schwerwiegenden Fehler begangen" habe. "Ich ging davon aus, dass er meine Entschuldigung, um die ich ihn schriftlich und am Telefon gebeten habe, umgehend annehmen würde. Diese Einschätzung war, wie aus seiner gestrigen schriftlichen Antwort an mich hervorging, falsch", erläuterte der DFB-Präsident: "Ich bedauere, dass nach meinem gestrigen Statement ein anderer Eindruck entstanden ist."

Fritz erklärt: Habe mich bei Koch entschuldigt

Zuvor hatte Koch explizit der ursprünglichen Darstellung Kellers widersprochen, wonach er dessen Bitte um Verzeihung bereits nachgekommen sei. Koch ließ über den BFV auf SID-Anfrage vielmehr mitteilen, dass er die schriftliche Entschuldigung des Präsidenten "bislang nicht angenommen" habe, "weil er den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlichen Gespräch mit Fritz Keller aufarbeiten möchte". Laut der Sport Bild will Koch erst nach einem Treffen mit Keller am Wochenende bei einer Tagung der 21 Landesverbände in Potsdam entscheiden, ob er die Entschuldigung akzeptiert.

Keller hatte Koch laut übereinstimmenden Medienberichten mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Koch, im Hauptberuf selbst Richter, ist davon derart schwer getroffen, dass eine Annahme der Entschuldigung offen ist. Der seit Jahren krisengeplagte DFB äußerte sich bislang nicht im Detail zu den Vorgängen, die angeblich bereits bei der Ethikkommission der Verbandes gelandet sind.

Der DFB bestätigte aber das Zitat Kellers in der Bild-Zeitung. "Insbesondere auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus war der Vergleich gänzlich unangebracht", sagte Keller: "Ich bedauere dies sehr und werde meine Worte künftig weiser wählen."

Nazi-Vergleich: Äußerung "völlig inakzeptabel"

Ob Keller zukünftig überhaupt noch Worte als DFB-Chef wählen kann, erscheint fraglich. So reagierte das Präsidium des mächtigen Süddeutschen Fußball-Verbandes (SFV), dem unter anderem DFB-Vize Ronny Zimmermann angehört, am Dienstag mit "Entsetzen und völligem Unverständnis" auf "die Äußerungen und die Wortwahl" Kellers.

"Unser Präsident Dr. Rainer Koch verdient Respekt, und wir wissen, dass er sich in den Dienst der Sache stellt, um den Amateurfußball zu sichern", teilte der SFV mit: "Gerade als langjähriger Vorsitzender Richter ist es völlig abwegig, ihn auch nur ansatzweise in die Nähe des höchsten Repräsentanten der unsäglichen und menschenverachtenden Willkürjustiz des Dritten Reiches zu rücken".

Sollte Keller doch noch das Handtuch werfen, wäre er der dritte Verbandsboss in Folge, der seinen Rücktritt erklärt. Vor Keller hatten bereits Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel vorzeitig ihren Posten verlassen.

Der DFB befindet sich seit dem Beginn der Affäre um die WM-Vergabe 2006 im Krisenmodus. Keller hätte den Verband eigentlich beruhigen sollen, doch das Gegenteil war der Fall. Seit Monaten tobt ein Machtkampf zwischen ihm und dem Lager um Generalsekretär Friedrich Curtius. Dabei gelangen immer wieder pikante Details an die Öffentlichkeit, die beide Seiten in ein schlechtes Licht rücken.

Um die DFB-Spitze wieder handlungsfähig zu machen, hatten zuletzt auch die Landesverbände in den Streit eingegriffen. Aus ihren Reihen kommt auch der Vorschlag zur Einberufung eines außerordentlichen Bundestags in diesem Sommer, um den Konflikt durch Personalentscheidungen zu beenden.

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger ("Ich bin schon fassungslos") sieht neben den Verbänden auch die DFL in der Pflicht. "Die Landesverbände und der Ligaverband sind jetzt aufgerufen, etwas zu tun", sagte Zwanziger der Bild-Zeitung: "An der DFB-Spitze ist man seit Monaten in Feindschaft befreundet, der DFB wirkt gelähmt."

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