Neun Erkenntnisse aus Deutschland vs. Frankreich: Gut kopiert ist halb gewonnen

Joachim Löw vertraute gegen Frankreich auf eine altbewährte Taktik.
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Die deutsche Nationalmannschaft hat mit dem Remis gegen Weltmeister Frankreich zum Auftakt der Nations League einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Bundestrainer Joachim Löw setzte auf Altbewährtes - und spiegelte dabei nicht nur die Taktik der Franzosen. Einiges in der Aufstellung überraschte positiv. Aber es gibt auch weiterhin ungelöste Baustellen.

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DFB-Team - Erkenntnis Nr. 1: Löw setzt auf alte Lösungen

Im Bestreben, die Sicherheit in der Defensive zu verstärken, holte der Bundestrainer eine Taktik aus der WM-Mottenkiste: Die Viererkette mit vier Innenverteidigern. Die hatte er zuletzt bei der WM 2014 angewendet und Philipp Lahm damals überraschend ins Mittelfeld beordert. Erst Shkodran Mustafis Verletzung spülte Lahm damals zurück in die Viererkette, Benedikt Höwedes verteidigte auch im Finale noch auf der Außenposition.

Die Abkehr von den hoch aufrückenden Außenverteidigern zurück zur defensiven Stabilität war dabei nicht nur dem Fakt geschuldet, dass sich auf links immer noch keine hochkarätige Alternative festgespielt hat. Gleichzeitig wurde ja auch ein Sechser als Absicherung für Toni Kroos und seinen Nebenmann gesucht.

Und dann war da ja noch der Gegner: Mit vier gelernten Innenverteidigern in der Kette war die Equipe Tricolore Weltmeister geworden, hatte Offensivdrang für Sicherheit geopfert. Dabei hatte Didier Deschamps quasi den vorigen Titelträger kopiert - und nun kopierte Löw seinerseits wieder Frankreich. Ob es sich um eine einmalige Lösung handelt, wird sich noch zeigen. Möglich aber auch, dass sich der Trend bis zum nächsten Turnier auch bei anderen Teams durchgesetzt hat.

DFB-Team - Erkenntnis Nr. 2: Kimmich folgt schon wieder auf Lahm

Joshua Kimmich hatte Philipp Lahm nicht nur bei den Bayern als Rechtsverteidiger abgelöst, sondern auch im DFB-Team. Und das mit Erfolg, wie beeindruckende Statistiken in puncto Flanken und Vorlagen beweisen. Kimmich war rechts hinten in den letzten Jahren eine der Konstanten im Team, trotz seiner jungen Jahre.

Nun machte er aus dem Nichts einen Schritt, den Lahm vor einigen Jahren auch gemacht hatte: raus aus der Kette und vor die Abwehr. "Für ihn war es eine wunderbare Nachricht, als ihm der Trainer gesagt hat, er spielt im Mittelfeld", erklärte Thomas Müller. Die Parallele: Beide sagten von sich, sich im Zentrum eigentlich wohler zu fühlen als auf dem Flügel. Der Unterschied: Lahm hatte die Position im Verein auch unter Pep Guardiola bekleidet, bevor Löw ihn versetzte. Andererseits ist Kimmich im Unterschied zu Lahm kein gelernter Außenverteidiger, sondern kommt aus dem Zentrum.

Gegen Frankreich machte Kimmich seine Sache sehr gut, zeigte sich spritzig und zweikampfstark (78 Prozent) und entlastete so Toni Kroos. Müller lobte seine "fast fehlerlose Leistung" und die Ruhe am Ball, die Kimmich ausstrahlte. Ob er sich schon in der Zentrale festgespielt hat, werden die kommenden Monate zeigen. In diesem Fall dürfte allerdings auch die Diskussion aufkommen, die man auch bei Philipp Lahm führte: Ist er angesichts der mangelnden Alternativen auf den Außen nicht als Rechtsverteidiger wertvoller?

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DFB-Team - Erkenntnis Nr. 3: Ohne Außenverteidiger ist das Spiel über Außen schwer

Es ist keine große Überraschung: Wo die Defensive gestärkt wird, wird der Punch in der Offensive geopfert. Mehrfach kombinierte sich die DFB-Elf über die Flügel bis an die Grundlinie, Ginter und Rüdiger gingen trotz ihrer etwas defensiveren Ausrichtung auch mal in Richtung Grundlinie.

Dann aber wurde es ein bisschen schwieriger - und so ertappte man sich dabei, dass man sich ähnlich viel Platz auf dem Flügel bei einem etwas profilierteren Flankengeber wie etwa Joshua Kimmich gewünscht hätte. Gerade über die rechte Seite war immer wieder Platz da, weil die Abstimmung zwischen Lucas Hernandez und Blaise Matuidi defensiv zu wünschen übrig ließ. Aber von den zehn Hereingaben, die Ginter und Rüdiger zusammengenommen spielten, landete nur eine einzige beim Mitspieler: Ginter fand Reus nach schnellem Umschaltspiel, Areola verhinderte im Tor den Rückstand.

Das soll nicht heißen, dass die Außen in der Offensive ein ausnehmend schlechtes Spiel machten. Ginter hatte seine Momente, und auch beim etwas hektisch auftretenden Rüdiger wurden die Flanken von den Franzosen zumindest nicht verhindert. Aber wenn die beiden im Offensivspiel effektiv auftreten sollen, braucht es genau einstudierte Abläufe und Laufwege. Ein kleiner Trost: Die kann es in so kurzer Zeit noch gar nicht geben - Hoffnung auf Besserung besteht also.

DFB-Team - Erkenntnis Nr. 4: Timo Werner und der Flügel - das passt!

Bei der WM blieb der Angreifer ohne Treffer, hatte gegen Schweden aber trotzdem seine Momente und bereitete beide Treffer vor. Das Besondere: Zu diesem Zeitpunkt war Werner aus dem Zentrum auf den Flügel einer offensiven Dreierreihe gewechselt - und machte es seinen Gegenspielern durch seine Schnelligkeit und den guten Antritt enorm schwer.

"Ich funktioniere auch im Ballbesitzspiel ganz gut", hatte der 22-Jährige im Vorfeld des Spiels im SPOX-Interview betont. Aber selbst dort ist er womöglich mit etwas mehr Platz wertvoller. Gegen die Franzosen spielte Werner seine Stärken immer wieder aus, stieß zur Grundlinie vor und passte in die Mitte, oder ging ins Dribbling. Die gute Leistung gegen Schweden war offensichtlich keine Eintagsfliege, auch wenn es gegen den Weltmeister zu keiner Torbeteiligung kam.

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