Rätsel um das innere Ich

Von Für SPOX in Dublin: Stefan Rommel
Kann das DFB-Team in Dublin eine sportliche Antwort auf die anhaltenden äußeren Debatten geben?
© Getty

Vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Irland (Freitag, 20.15 Uhr im LIVE-Ticker) rücken abermals die Debatten außerhalb des Platzes in den Vordergrund. Vielleicht hat die DFB-Führung ein Problem unterschätzt, das es schnell zu lösen gilt.

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Ein dichter Teppich aus Wolken und Nebel wird die deutsche Nationalmannschaft empfangen, wenn sie am Donnerstag in der irischen Hauptstadt Dublin landen wird. Das Wetter ist ungemütlich und rau auf der Insel.

Es dürfte demnach die richtige Einstimmung sein für das anstehende WM-Qualifikationsspiel gegen Irland.

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Zwischen Vergangenheit und Zukunft

Verfolgt man die Diskussionen in und um die Mannschaft seit dem Aus bei der Europameisterschaft im Juni, könnte man schnell zu dem Schluss kommen, dass die ersten Spiele danach - eine Niederlage in einem Testspiel und zwei Siege in der Qualifikation - bislang nur eine Randerscheinung darstellten. So ganz im Reinen scheint sich nämlich das Team mit sich, noch die Fans mit dem Team.

Die Auswahl des deutschen Fußball-Bundes (DFB) oszilliert auch über drei Monate danach noch zwischen Vergangenheitsbewältigung und Neuausrichtung für die Zukunft. Die Debatten nahmen erst vor einigen Tagen neue Fahrt auf und es hat sich gezeigt, dass die Wunden, nach dem Turnier mit ein paar Pflastern notdürftig versorgt, noch immer nicht verheilt sind.

Fast jeder hat etwas zu sagen

Auf Bastian Schweinsteigers etwas nebulösen Vorstoß folgte Uli Hoeneß' Kritik an Joachim Löw und dessen als zu liberal eingestuften Methoden. Während sich der Bundestrainer zu keiner Replik aufraffen konnte ("Mittlerweile ist es mir egal, wer was über dieses Thema sagt."), steuerte Teammanager Oliver Bierhoff am Dienstag ein paar Konter bei.

Bierhoff zerpflückte Hoeneß' Angriffe mal sarkastisch, mal anhand handfester Fakten. Entscheidend sei aber, so der 44-Jährige, dass man sich aus zweiter oder dritter Reihe nicht in die Belange der Nationalmannschaft einzumischen habe. "Ich persönlich finde es nicht gut, wenn wir Verantwortlichen im Fußball uns gegenseitig von außen bewerten."

Trotz - oder gerade wegen? - Löws schwammiger Aufarbeitung der EM vor dem ersten Testspiel gegen Argentinien im August schwelt der Konflikt zwischen Vertretern der Liga und den Verantwortlichen beim DFB weiter vor sich hin. Ein Ende ist nicht in Sicht. Löw wird sich in seiner Art als Bundestrainer aber keinesfalls ändern.

Kein deutscher Bundestrainer hält sich mittlerweile über sechs Jahren nur irgendwie im Amt und laviert sich so durch. Löw hat vor dem Halbfinale gegen Italien sehr vieles richtig gemacht, von seinen heutigen Kritikern war bis zu diesem Zeitpunkt nur wenig zu hören.

Die Kluft zwischen dem DFB und den Interessengemeinschaften aus Bundesliga, Medien und Öffentlichkeit scheint so schnell nicht wieder kleiner zu werden. Löw und Bierhoff haben darauf auch wenig Einfluss, jedes Zugeständnis würde sofort einem Einknicken gleich kommen und nur noch mehr Angriffsfläche bieten.

Probleme innerhalb der Gruppe?

Da trifft es sich fast schon sehr gut, dass das zweite große Kommunikationsproblem innerhalb der Mannschaft selbst zu finden ist. Hierauf haben die Verantwortlichen wenigstens unmittelbaren und exklusiven Zugriff. Schweinsteigers Worten folgte eine neuerliche Diskussion über die Stimmung innerhalb der Truppe während der Tage von Danzig.

Bereits im Vorfeld war aus dem inneren Zirkel der DFB-Entourage die vielleicht etwas überspitzte, aber im Kern scheinbar doch zutreffende Einschätzung nach außen gelangt, die Stimmung in der Mannschaft sei "sensationell schlecht". Das war wenige Tage, nachdem die Bayern in Südfrankreich eingetroffen waren mit dem Final-Drama aus der Champions League und insgesamt drei Vizemeisterschaften im Gepäck.

Neue Kräfteverhältnisse unterschätzt

Die Kräfteverhältnisse im Team hatten sich seit der WM in Südafrika grundlegend geändert. Den Dortmunder Block gab es damals noch nicht, Sami Khedira und Mesut Özil kickten noch in der Bundesliga und nicht bei Real Madrid. Zusammen mit dem Bayern-Block bestimmen die Gruppen über den Geist innerhalb der Mannschaft.

Dass der Mannschaftsrat durch den Rückzug von Arne Friedrich dezimiert und durch Per Mertesackers Reservisten-Dasein geschwächt wurde, kam ergänzend dazu. Offenbar hat Löw die Strömungen entweder nicht registriert oder über sie hinweggesehen. Im Sinne der Kaderhygiene hätte er jedenfalls früher und vielleicht auch härter eingreifen müssen.

Immerhin soll sich schon bald ein neuer Mannschaftsrat konstituieren. "Wir sind im Moment dabei, uns darüber Gedanken zu machen. Das Thema Mannschaftsrat ist aktuell in Arbeit", sagte Kapitän Philipp Lahm der "Sport-Bild". Wobei auch hier dann mehrere Spieler in Frage kommen: Khedira soll aufrücken und sicherlich wird auch die Dortmunder Fraktion einen aus ihrem Kreis installieren wollen.

Schweinsteiger will Fortschritt

Schweinsteiger hat die Dinge, wenngleich auch etwas kryptisch, jetzt nochmals angesprochen. Nachdem sich Löw und Bierhoff der Auswüchse nicht bewusst waren oder sein wollten. Er wolle damit "nichts Schlechtes", so Schweinsteiger. "Ich will, dass wir das letzte Rad rumdrehen, um irgendwann auch mal die großen Mannschaften zu schlagen."

Unterstützung erhielt er dabei von seinem Bayern-Kollegen Holger Badstuber. "Basti ist in der Position, Dinge anzusprechen. Andererseits denke ich, dass man damit lockerer umgehen muss. Er will, dass die Mannschaft weiterkommt und sich verbessert. Das ist ein Ziel, das er verfolgt."

In die Diskussion um die vermeintlichen zwischenmenschlichen Differenzen wollte sich Badstuber am Mittwoch nicht einschalten und blieb unverbindlich diplomatisch. "Ich persönlich habe es nicht beobachtet, dass die Stimmung schlecht ist. Die Stimmung ist hier gut, die Stimmung ist bei Bayern gut, mehr kann ich dazu nicht sagen."

Erste Antwort in Dublin

Mittlerweile scheint es neben den Baustellen auf dem Platz (Defensivverhalten, Probleme auf den Außen der Viererkette und im Angriff) für Löw auch darum zu gehen, wieder einmal von den Spaniern zu lernen - auch wenn er das vermutlich nicht so gerne hören mag.

In der Seleccion ist ein Qualitätsverlust trotz der erbitterten Rivalität zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona und zahlloser hitziger Clasicos in den letzten Jahren kaum zu beobachten. Vermutlich ist das die größte Leistung von Nationaltrainer Vicente del Bosque. Die DFB-Auswahl steht hier noch am Anfang einer Entwicklung.

Bis zum Jahresende stehen noch drei Partien aus und die werden maßgeblich darüber entscheiden, in welcher Erinnerung man dieses Nationalmannschaftsjahr 2012 denn behalten wird und wie die Tonalität für die Aufgaben im neuen Jahr dann sein wird. Der Freitag in Dublin wird eine erste wichtige Antwort liefern.

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