Der scheue Vollstrecker

Von Stefan Rommel
Pawel Pogrebnjak (l., gegen Mertesacker) hat in 14 Spielen fünf Tore für Russland erzielt
© Getty

Der 10. Oktober wird zum wichtigsten Tag des Jahres für den deutschen Fußball. Die Nationalmannschaft trifft dann im Luschniki-Stadion zu Moskau als Tabellenführer der Qualifikationsgruppe 4 auf den schärfsten Verfolger Russland. Für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw geht es beim Knaller des Jahres um die direkte Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. SPOX hält Euch bis zum Showdown mit allen Details, Fakten und Geschichten rund um den Kampf der Giganten auf dem Laufenden - in der großen Serie "Endspiel in Moskau".

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Beim VfB Stuttgart soll er Mario Gomez ersetzen. In der russischen Nationalmannschaft ist er Guus Hiddinks Geheimwaffe für das entscheidende WM-Qualifikationsspiel in Moskau gegen Deutschland. Pawel Pogrebnjak polarisiert in seiner Heimat, während er beim VfB schon überzeugt - und gleich eine Kampfansage in Richtung deutscher Nationalmannschaft abfeuert.

Der Start war alles andere als perfekt. Als Pawel Wiktorowitsch Pogrebnjak mit Frau Maria und Sohn Artem auf dem Stuttgarter Flughafen landete, war das Gepäck mit seinen gesamten Klamotten verschwunden. Also präsentierte sich der Russe bei seinem neuen Verein nur mit einem kleinen Luis-Vuitton-Kulturbeutel unterm Arm.

Kein Gomez-Klon

Die kleine Episode ist bis heute die einzige Ungereimtheit, die sich in den Fünf-Millionen-Euro-Deal geschmuggelt hat. Denn Pawel Pogrebnjak ist bereits nach wenigen Wochen ein echter Fixpunkt in Stuttgarts junger Mannschaft.

Als Antwort auf die wochenlange Nachfolger-Suche für Mario Gomez wurde der 25-Jährige durch die Gazetten geschleift, als Mini-Gomez oder "ein bisschen Mario" verkauft. Aber genau das will Pogrebnjak nicht sein. Und er ist es auch nicht.

"Ich bin nicht gekommen, um Gomez eins zu eins zu ersetzen. Ich habe meine eigenen Stärken", sagte er bei seiner Vorstellung. Und dann noch den Klassiker: "Wenn ich Stuttgart höre, denke ich an Mercedes." Eingesagt hatte ihm dies Fernando Meira, Ex-VfB-Kapitän und zuletzt Paschas Mitspieler in St. Petersburg.

Nüchtern, unaufgeregt, scheu

Er wirkte dabei nüchtern und unaufgeregt, sogar fast scheu. In seinen Augen war aber die Entschlossenheit eines Mannes zu sehen, der ganz genau weiß, was er will und wie er es erreicht.

Pawel Pogrebnjak ist im November 1983 in Moskau geboren. In der damaligen Sowjetunion werden Talente schon im frühen Kindesalter entdeckt und zur Förderung auch in dafür geeignete Sportarten gesteckt - nicht selten gegen den Willen der Kinder.

Turner landen beim Basketball, Eishockeyspieler beim Eiskunstlauf. Pogrebnjak bleibt beim Fußball, er ist dafür prädestiniert. Mit sechs Jahren schließt er sich der berühmten Nachwuchsschule von Spartak Moskau an.

Ausbildung bei Spartak Moskau

Beim "Volksteam" durchläuft er alle Jugendabteilungen und gibt 2002 sein Debüt in der Premjer-Liga. Allerdings gelten auch bei Spartak auf Grund der völlig wahnwitzigen Transferflut ausländischer Spieler die eigenen Talente nur noch wenig, weshalb Pogrebnjak den Umweg über die zweite Liga nehmen muss.

Nach Stationen bei völlig unbekannten Klubs wie dem FC Khimki oder FC Shinnik landet er 2007 bei Zenit St. Petersburg, wo er seinen späten Durchbruch in der höchsten russischen Spielklasse schafft.

Auch in der Sbornaja geht es endlich bergauf, nachdem er bei seinem ersten Spiel Ende 2006 gleich den Sieg bringenden Treffer gegen Lettland erzielt - und danach fast ein Jahr nicht mehr eingeladen wurde.

Spitzname: Pinocchio

Doch trotz großer Erfolge mit Zenit hegt Pogrebnjak immer wieder Abwanderungsgedanken. Erst recht, als sein kongenialer Partner Andrej Arschawin im Winter 2008 seinen Wechsel von St. Petersburg zum FC Arsenal bekannt gibt.

Da ist Pogrebnjak in der Zarenstadt längst nicht mehr unumstritten und handelt sich auf Grund seiner teilweise hölzern wirkenden Spielweise den wenig schmeichelhaften Spitznamen Pinocchio ein.

Sein Trainer Dick Advocaat sorgte einst mit einem Bonmot für einige Schmunzler, als er Pogrebnjak als den "geborenen Vollstrecker" anpries - obwohl dieser wieder einmal eine ganze Heerschar bester Chancen hatte liegen lassen.

Neuer Spielertypus für den VfB

65 Spiele, 25 Tore und etliche heiße Gerüchte später sagt Pogrebnjak dann endgültig "do swidanja" und wechselt zum VfB Stuttgart. "Stuttgart hat sich sehr intensiv bemüht", begründete Pogrebnjak seine Wahl. "Das ist ein Klub mit einer großen Geschichte und einem jungen und ambitionierten Trainer."

Und der VfB freut sich über einen ganz neuen Spielertypus, trotz aller Kritiker und Zweifler aus Russland. "Er ist ein Brecher und dynamisch", beschreibt ihn Trainer Markus Babbel. "Er ist ein Stürmertyp, wie wir ihn noch nicht hatten - er arbeitet viel, ist immer anspielbar und sehr kopfballstark."

Bis jetzt hat die Russian Rocket Trainer, Mitspieler und Fans jedenfalls voll überzeugt. Mit einer für einen Stürmer ungeheuren Dominanz und Präsenz und erstaunlichem Spielverständnis.

"Ganz Russland wartet auf dieses Spiel"

In der Sbornaja ist er Guus Hiddinks Geheimwaffe. Die letzten Spiele verfolgte er von der Bank aus, vor dem Knaller gegen Deutschland steht er aber wieder auf dem Sprung in die Startelf.

"Ganz Russland wartet auf dieses Spiel. Das ganze Land hat sehr großen Respekt vor den Deutschen. Aber wir wollen mutig agieren, denn Angst haben wir nicht. Im Gegenteil: Wir sind von einem Sieg überzeugt", macht er im Gespräch mit SPOX die Aggressivität der Russen schon mal deutlich.

Für die WM 2006 in Deutschland konnten sich die Russen nicht qualifizieren, jetzt soll es unbedingt für die Titelkämpfe in Südafrika klappen. Und außerdem gilt es noch die Scharte vom 1:2 im Hinspiel auszuwetzen.

"Das Spiel in Dortmund ist natürlich noch in unseren Köpfen. Aber jetzt geht es um noch viel mehr. Ein WM-Platz steht auf dem Spiel. Das ist mehr wert als eine Revanche. Jetzt zählt nur der erste Platz!"

Dann werden seine Stuttgarter Kumpels plötzlich auf der anderen Seite stehen und erbitterte Gegner sein. "Mit Hitzlsperger und Tasci rede ich jeden Tag über das Spiel der Spiele. Noch scherzen wir nur", sagt Pograbnjak. "Aber in Moskau wird es richtig ernst..."

Die Ausgangslage in Quali-Gruppe 4