Ajax - Tottenham 2:3: Dreifacher Moura versetzt Ajax-Träumen den Todesstoß

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© getty

Der Champions-League-Wahnsinn geht weiter: Tottenham Hotspur hat einen 0:1-Rückstand nach dem Hinspiel gegen Ajax Amsterdam in aller letzter Sekunde gedreht und bei den Niederländern mit 3:2 nach 0:2-Rückstand gewonnen. Lucas Moura machte sich mit drei Toren unsterblich und schoss die Spurs ins Champions-League-Finale am 1. Juni. Dort trifft Tottenham auf den FC Liverpool, der am Dienstag ebenfalls durch ein Fußball-Wunder gegen Barcelona ins Endspiel einzog.

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Die entzauberten Ajax-Helden kauerten verzweifelt am Boden, der Großteil von ihnen mit Tränen in den Augen. "Das", sagte ihr völlig entgeisteter Kapitän Matthijs de Ligt wenig später, "ist die schlimmste Art auszuscheiden."

De Ligt und seine Kollegen hatten in der 96. Minute vor heimischer Kulisse den K.o.-Schlag der tapferen Spurs verpasst bekommen. Lucas Moura war es, der die Träume der Niederländer vom ersten Finale seit 1996 mit seinem Dreierpack zerstörte und deren denkwürdigen Triumphe über Real Madrid und Juventus Turin unbelohnt ließ.

"Es ist schwer, das zu verarbeiten", sagte Ajax-Trainer Erik ten Hag nach dem Halbfinal-Drama in der Johan-Cruyff-Arena, "aber ich kann niemandem die Schuld geben. Der Schmerz ist riesig."

Auf der anderen Seite flossen auch Tränen. Freudentränen. Tottenhams Coach Mauricio Pochettino dankte nach dem lange nicht für möglich gehaltenen Last-Minute-Coup dem Fußball, seinen Spielern, den mitgereisten Fans. Die Spurs stehen erstmals seit Einführung der Champions League in einem Endspiel.

Ajax - Tottenham: Die Stimmen zum Spiel

Mauricio Pochettino (Trainer Tottenham Hotspur): "Es fällt mir schwer, zu sprechen. Dieses Gefühl ist fantastisch. Danke an den Fußball. Meine Spieler sind Helden, das sage ich schon seit Jahren. Die zweite Halbzeit war großartig. Danke Fußball! Diese Emotionen sind ohne den Fußball nicht möglich. Danke an alle, die an uns geglaubt haben."

Erik ten Hag (Trainer Ajax Amsterdam): "Wenn der Ball von Ziyech nicht an den Pfosten, sondern rein geht, ist es vorbei für Tottenham. Aber ich kann niemandem die Schuld geben. Wir hatten eine fantastische Champions-League-Saison und sind als Team gewachsen. Es ist schwer, das zu verarbeiten. Der Schmerz ist riesig."

Matthijs de Ligt (Kapitän Ajax Amsterdam): "Wenn du so nah am Finale bist und in der letzten Sekunde verlierst, dann ist es einfach unbeschreiblich. Wir haben uns in der zweiten Hälfte zu sehr reindrängen lassen. Das ist die schlimmste Art aus der Champions League auszuscheiden."

Lucas Moura (Dreifachtorschütze Tottenham Hotspur): "Es geht nicht nur um mich, sondern um die Mannschaft und unseren Zusammenhalt. Ich bin so glücklich und so stolz auf meine Mannschaftskameraden. Wir haben immer an diesen Moment geglaubt, haben alles dafür gegeben und es in diesem Moment verdient. Wir sind eine Familie, Das ist das größte Geschenk von Gott an mich und das werde ich mit meinen Freunden, meiner Familie und meinen Teamkollegen teilen."

Christian Eriksen (Tottenham Hotspur): "Heute ging es nicht um Taktik, sondern um den Kampf, Herz und Lucas Moura. So haben wir gewonnen. Er hat sich das heute verdient. Seine Saison war wie eine Achterbahnfahrt. Jetzt muss er eine Statue in England gesetzt bekommen. Das haut mich alles um und ich bin sprachlos"

Ajax - Tottenham: Die Analyse

Obwohl Ajax kurz vor Spielbeginn umstellen musste - Dolberg ersetzte Neres (Achillessehnenprobleme), weswegen Tadic aus dem Sturmzentrum auf links rotieren musste - starteten die Niederländer fast schon gewohnt dominant und ballsicher ins Spiel.

Tadic vergab nach toller Ballstafette die erste Großchance und scheiterte am glänzend parierenden Lloris (4.), die anschließende Ecke köpfte de Ligt zur frühen Führung ein.

Pochettinos Spurs, bei denen der im Hinspiel schmerzlich vermisste Son nach abgesessener Gelbsperre zurückkehrte, spiegelten das Ajax-System gegen den Ball im 4-2-3-1 und kamen trotz des frühen Rückstands wesentlich besser ins Spiel als noch vor acht Tagen. Tottenham befreite sich gut aus dem Amsterdamer Pressing und fand immer wieder Wege über die Außen mit Bällen in die Spitze.

Das brachte Son mit seinen guten Laufwegen zwischen den Innenverteidigern de Ligt und Blind mehrfach in aussichtsreiche Abschlusssituationen. Bei einem scheiterte er am Pfosten (6.), bei einem weiteren an Keeper Onana (23.).

Ajax ließ die Spurs ohne größeren Kontrollverlust gewähren, nur um dann erneut nach einem Ballverlust von Trippier gegen van de Beek in der Vorwärtsbewegung eiskalt zuzuschlagen: Tadic bediente Ziyech und der verwandelte herrlich von der Sechzehnerkante ins rechte Eck (35.). Von dem Tiefschlag in einer eigentlich guten Phase erholte sich Tottenham erst nach der Pause, dann aber so richtig.

Ajax ließ sich immer mehr in die Defensive drücken, Pochettino war nach der ersten Halbzeit volles Risiko gegangen, löste eine Sechserposition (Wanyama) auf und brachte Llorente für mehr Strafraumpräsenz und hohe Bälle. Das zeigte Wirkung: Ajax postierte sich tiefer, ließ die Spurs gewähren, die binnen vier Minuten zum Ausgleich durch einen Doppelpack von Moura kamen (55./59.) und am nächsten englischen Fußball-Wunder arbeiteten.

Ajax war bemüht, durch offensives Verteidigen die Kontrolle zurückzuerlagen, was nur teilweise gelang. Ziyech hatte nach feiner Einzelleistung die Entscheidung auf dem Fuß, scheiterte aber am Pfosten. Die Spurs steckten nicht auf und warfen noch einmal alles nach vorne. Vertonghen vergab kurz vor Schluss die Riesenchance auf das 3:2, ehe sich Moura mit seinem dritten Tor endgültig unsterblich machte.

Ajax - Tottenham: Die Daten des Spiels

Tore: 1:0 de Ligt (5.), 2:0 Ziyech (36.), 2:1 Moura (55.), 2:2 Moura (59.), 3:2 Moura (90.+6)

  • Für Ajax war das 1:0 von de Ligt das früheste Heimtor in der Champions-League-Historie (vier Minuten, drei Sekunden).
  • Ajax trifft im 14. Champions-League-Spiel in Serie und baut damit den Vereinsrekord weiter aus. Der alte Bestwert hatte bei acht Spielen in der Königsklasse aus der Saison 1996/97 gelegen.
  • Lucas Moura wird sein 50. CL-Spiel nie vergessen. Mit einem Hattrick brachte er die Spurs ins Finale! Er traf heute genauso oft wie in all seinen 38 CL-Partien für Ex-Verein PSG.
  • Ziyech war in 5 der 6 K.o.-Spiele an einem Treffer direkt beteiligt (drei Tore, zwei Assists). In der Gruppenphase hatte er in 5 Einsätzen nur eine Torbeteiligung (Assist beim 1:1 in Lissabon).
  • Die letzte Mansnchaft, die in der CL einen Zwei-Tore-Rückstand zur Pause noch in einen Sieg drehte, war die Roma im November 2010 zu Hause gegen Bayern München (3:2 nach 0:2).
  • Kein Spieler erzielte in dieser CL-Saison mehr Tore auswärts als Lucas Moura (4, wie Tadic und Lewandowski).
  • Für Ajax ist es in der CL die erste Pleite nach einer Führung - zuvor gab es 45 Siege und 10 Remis.

Der Star des Spiels: Lucas Moura (Tottenham Hotspur)

War zunächst etwas blass und kam anders als Son nicht gut ins Spiel. Nach einer halben Stunde dann besser ins Spiel eingebunden und nach der Pause dann voll da. Setzte bei einem guten Angriff der Spurs stark nach und traf zum Anschluss (54.). Bewahrte die Ruhe in einem Getümmel nach der Großchance von Llorente und schob überlegt zum Ausgleich ein (59.). Danach wie aufgedreht, Dreh- und Angelpunkt der Spurs-Offensive und mit dem Todesstoß für die Ajax-Finalträume in der 96. Minute.

Der Flop des Spiels: Lasse Schöne (Ajax Amsterdam)

Hatte immer wieder Probleme im Stellungsspiel und mit dem Tempo von Son, so wie bei dessen Pfostenschuss kurz nach der Ajax-Führung, als Schöne nur die Begleitperson mimte. In Halbzeit zwei erneut indisponiert bei einer Alli-Großchance, die Keeper Onana gerade noch so rauskratzte. Dem nahm er dann nach erneuter Glanztat gegen Llorente den Ball weg und verursachte so den Ausgleich der Spurs. Anschließend war der unglückliche Arbeitstag Schönes beendet und ten Hag brachte Veltman.

Der Schiedsrichter: Felix Brych (Deutschland)

Hatte nicht unbedingt eine klare Linie bei der Beurteilung der Zweikämpfe. Pfiff mal kleinlich, mal sehr großzügig und hatte Glück, dass beide Teams überwiegend sehr fairen Fußball spielten. So entglitt dem Unparteiischen die Partie zu keiner Sekunde.

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