Schachtjor Donezk schlägt Real Madrid mit Rumpf-Elf: "Historischer" Erfolg dank unveränderter DNA

Von Stanislav Schupp
Manor Solomon war einer der historischen Torschützen von Donezk gegen Real Madrid.
© imago images / Cordon Press/Miguelez Sports

Es war die Überraschung des Champions-League-Spieltags: Schachtjor Donezk schlägt Real Madrid mit 3:2. Dabei traten die Ukrainer unter extrem erschwerten Bedingungen an. Wie konnte es trotzdem zu diesem "historischen" Erfolg kommen?

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"Ich bin der Trainer, ich muss die Lösung finden. Ich habe sie aber nicht gefunden, und deshalb war es schwierig für meine Spieler", konstatierte ein selbstkritischer Zinedine Zidane, Trainer von Real Madrid, im Anschluss an das blamable 2:3 zum Champions-League-Auftakt gegen Schachtjor Donezk. Es war die größte Überraschung des ersten Spieltages der neuen Königsklassen-Saison.

Zuvor hatten die Madrilenen am Wochenende schon in der Liga mit 0:1 gegen den Aufsteiger Cadiz verloren - und so steht Zidane bereits nach sechs Pflichtspielen der neuen Saison und unmittelbar vor dem prestigeträchtigen Clasico gegen den FC Barcelona am Samstag mehr denn je unter Druck.

Gegen Donezk schonte der 48-Jährige Stars wie Sergio Ramos, Toni Kroos oder Karim Benzema und musste zusehen, wie seine Mannschaft vor allem in der ersten Halbzeit eine indiskutable Leistung auf den Rasen brachte.

Dabei hätte man meinen müssen, dass Zidanes Pendant Luis Castro weit schwerere Lösungen finden muss als der Franzose, traten die Ukrainer die Reise in die spanische Hauptstadt doch unter Extrembedingungen an.

Donezk reiste ohne 13 (!) Schlüsselspieler nach Madrid

Dass Schachtjor immer für eine Überraschung gut ist, bewies der Klub unter anderem mit dem letztjährigen Einzug ins Halbfinale der Europa League, doch Donezk fehlten am Mittwoch corona- oder verletzungsbedingt 13 potenzielle Schlüsselspieler.

Wo sonst Andriy Pyatov seit 13 Jahren das Tor hütet, Taison, der brasilianische WM-Teilnehmer von 2018 und sein mittlerweile in der Ukraine eingebürgerte Landsmann und Torjäger Junior Moraes (25 Tore in 41 Pflichtspielen der vergangenen Saison) für Furore sorgen oder der unter Andriy Shevchenko in der ukrainischen Nationalmannschaft gesetzte Taras Stepanenko im Mittelfeld die Fäden zieht, fanden sich der 19-jährige Anatoliy Trubin und die 20-jährigen Manor Solomon und Tete auf dem Spielberichtsbogen wieder.

Zudem gaben neben Keeper Trubin Linksverteidiger Viktor Kornienko (21) und Innenverteidiger Valeriy Bondar (21) ihr Champions-League-Debüt, fünf Spieler rückten aus der U21 in den Kader. Es war fast schon keine B-Elf mehr, die das Team vom Donbass stellte. Eine Elf, die so nur am Wochenende zuvor beim 5:1-Sieg gegen den Tabellenletzten Lwiw zusammengespielt hatte und nun ausgerechnet gegen das Starensemble von Real Madrid bestehen musste.

"Wir haben unsere Spieler verloren, aber nicht unseren Stil, unsere DNA", hatte Trainer Castro schon vor der Partie gesagt und versichert, an seiner Spielidee festhalten zu wollen: "Spielfeld dominieren, gemeinsam angreifen, defensives Gleichgewicht schaffen." Und Donezk tat dies eindrucksvoll.

Real ohne Idee, Donezk mit Kontern

Der Tabellendritte der ukrainischen Premier Liga trat im gewohnten 4-2-3-1 auf und trieb Real mit einer kompakten Defensivleistung zur Verzweiflung, indem er die Räume im Zentrum eng machte und so das spielstarke Mittelfeld der Königlichen nicht zur Entfaltung kommen ließ. Stattdessen spielte Donezk allein in der ersten Halbzeit selbst 315 Pässe. In der Offensive setzten die Gäste mit schnellen Kontern gefährliche Nadelstiche.

Vor allem die mutig agierenden Kornienko und Solomon bereiteten der Defensive mit ihren Flankenläufen und Eins-gegen-Eins-Dribblings über links Probleme. Zwischen den Pfosten strahlte Trubin nach anfänglicher Nervosität die Ruhe eines alten Hasen aus. Nach 45 Minuten stand es 3:0 für die Gäste.

Man hätte den Eindruck gewinnen können, der amtierende spanische Meister habe den Underdog nicht ganz ernstgenommen. "Ich denke, dass der Gegner uns in der ersten Halbzeit unterschätzt hat", sagte auch Debütant Kornienko im Anschluss dem TV-Sender Futbol.

MIt hängenden Häuptern vom Platz: Real Madrid kassierte vor dem Clasico gegen Barca eine schallende Ohrfeige von Donetsk.
© imago images
MIt hängenden Häuptern vom Platz: Real Madrid kassierte vor dem Clasico gegen Barca eine schallende Ohrfeige von Donetsk.

Donezk feiert Sieg gegen Real: "Großartig", "historisch", "unglaublich"

Unterschätzt oder nicht - die Protagonisten feierten sich und den Überraschungs-Coup. "Wir vernichten Real mit 3:0 zur Halbzeit in Madrid", lautete etwa ein Instagram-Beitrag des Klubs schon nach Durchgang eins. "Historisch", "unglaublich" war nach Abpfiff in den zahlreichen Social-Media-Posts zu lesen.

Geschäftsführer Sergiy Palkin gratulierte dem Team via Facebook - etwas dezenter - zu einem "großartigen Erfolg in einer unglaublich schwierigen Situation". Pünktlich zum 46. Geburtstag des CEO dürfte womöglich die ein oder andere Belohnung auf die Spieler warten.

Vom Höhenflug auf der europäischen Bühne geht es nun wieder zurück in den Ligaalltag.

Bereits am Samstag wartet auf die junge Truppe der nächste Härtetest gegen den Tabellenzweiten Worskla Poltawa, ehe in der Königsklasse die nächste Überraschung eingefahren werden soll. Die kommenden Gruppengegner Inter Mailand und Borussia Mönchengladbach dürften jedenfalls gewarnt sein.

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