Experten-Panel zum Champions-League-Halbfinale: "Das Turnier ist Frankreichs Rache"

Von SPOX
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© imago images / Sven Simon

Paris Saint-Germain gegen RB Leipzig und der FC Bayern München gegen Olympique Lyon - so lauten die beiden Halbfinalspiele in der Champions League. Was sagt die deutsch-französische Konstellation über die jeweiligen Ligen aus? Ist das Turnier-Format auch für die Zukunft der CL denkbar? Bei SPOX diskutieren drei Experten.
 

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Die Teilnehmer: Daniel Herzog (DAZN-Moderator), Dennis Melzer (Bayern-Korrespondent SPOX und Goal) sowie Benjamin Quarez (PSG-Korrespondent Goal).

Was sagt die Halbfinal-Konstellation über BL und Ligue 1 aus?

Daniel Herzog: Kurze Antwort: nicht viel! Ich glaube, dass die Konstellation und die Umstände in diesem Jahr keinen echten Vergleich zulassen. Durch Corona haben einige Teams gar nicht mehr gespielt (PSG, Lyon), andere früher wieder angefangen (Bayern, Leipzig) und wieder andere später aufgehört (Spanien, Italien). Aufgrund dieser besonderen Umstände, nicht nur, was den Spielbetrieb betrifft, sondern auch die Trainingssteuerung, kann man meiner Meinung nach nicht wirklich sagen: Die Bundesliga ist jetzt besser als die Premier League.

Das soll natürlich keinesfalls die Leistungen der vier Halbfinalisten schmälern, nur: Die Grundvoraussetzungen lassen sich eben nicht wirklich miteinander vergleichen. Bayern ist seit der Corona-Pause einfach eine Maschine, die funktioniert und fast ohne Fehler läuft. RB Leipzig haben mit Sicherheit die fast sieben Wochen Pause zwischen Bundesliga und Turnier-Start in Lissabon gut getan, um die Akkus wieder aufzuladen und Julian Nagelsmann die Zeit gegeben, sich optimal auf Atletico und dieses Turnier vorzubereiten.

Und PSG und Lyon - die hatten beide vor Lissabon gerade mal zwei Pflichtspiele, und man merkt einfach die extrem große Lust beider Mannschaften, endlich wieder Fußball spielen zu dürfen.

Insgesamt glaube ich aber nicht, dass diese deutsch-französischen Halbfinals jetzt repräsentativ für die Entwicklung und Qualität der einzelnen Ligen stehen, da muss man ja auch nur mal rüber zur Europa League schauen. Wir werden in den nächsten Jahren auch wieder Spanier, Italiener und Engländer unter den letzten Vier sehen - ganz sicher.

Dennis Melzer: Ich halte es diesbezüglich mit Jerome Boateng, der gestern sagte: "Man darf nicht vergessen, dass die englischen und spanischen Klubs in den vergangenen Jahren immer im Halbfinale oder Finale waren. Deshalb würde ich nicht von einer neuen Ära sprechen."

Nein, eine neue Ära läutet die aktuelle Konstellation aus meiner Sicht nicht ein. Dass zwei deutsche sowie zwei französische Teams in der Runde der letzten Vier stehen, ist eine Momentaufnahme. Nach dem deutschen Finale in Wembley 2013 war es auch nicht so, dass (mit Ausnahme der Bayern) plötzlich ständig Bundesliga-Mannschaften ins Viertel- oder Halbfinale marschiert sind.

Es ist schwierig zu sagen, was die Momentaufnahme über die beiden Ligen aussagt. Ich denke, sie haben - zumindest fürs Erste - zu einer Beendigung der Farmers'-League-Diskussion gesorgt, darüber hinaus gezeigt, dass sowohl in Deutschland als auch in Frankreich gute Arbeit geleistet wird.

Dass die Bayern weit kommen würden, war mir klar, für PSG war das Erreichen des Halbfinales gewissermaßen Pflicht. Aber die starken Auftritte von Leipzig und insbesondere Lyon kamen doch etwas überraschend. Aber: In einem Spiel ist bekanntlich alles möglich! (3 Euro ins Phrasenschwein)

Interessanterweise sind Klubs aus den Ligen weitergekommen, die wegen Corona entweder abgebrochen (Ligue 1) oder bereits im Juni beendet wurden (Bundesliga). Es wurde ja anfangs viel spekuliert, ob die Teams, die quasi noch mitten im Saft stehen, einen Vorteil haben oder ob eine längere Pause sich positiv auswirken würde. Die Antwort haben wir bekommen.

Benjamin Quarez: Das Turnier ist für die französischen Mannschaften eine kleine Rache. Jedes Jahr werden junge, französische Spieler von spanischen, italienischen, deutschen oder englischen Klubs weggekauft. Und wir haben eine ganze Menge von ihnen!

Schaut Euch nur einmal den Kader von RB Leipzig an: Mit Dayot Upamecano, Christopher Nkunku, Nordi Mukiele und Ibrahima Konate haben die Roten Bullen gleich vier Franzosen in ihren Reihen, ähnlich sieht es beim FC Bayern aus: Kingsley Coman, Lucas Hernandez, Benjamin Pavard, Corentin Tolisso und Michael Cuisance, zuletzt wurde noch Tanguy Nianzou verpflichtet.

Die Ligue 1 ist eine gute Liga mit tollen Spielern - es gibt keinen Grund, neidisch auf andere Ligen zu blicken. Kylian Mbappe hat mit seinem Tweet nach Lyons Sieg für viele Lacher gesorgt. Besonders Olympique war sehr erfreut, dass er ihren Coup so humorvoll aufgegriffen hat.

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