Champions League: Wie Karim Benzema einmal fast beim FC Barcelona landete

Karim Benzema im Trikot von Olympique Lyon.
© getty

In wenigen Stunden trifft der FC Barcelona im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League auf Olympique Lyon (21 Uhr auf DAZN). Das letzte Duell der beiden Klubs ist fast zehn Jahre her. Damals noch für Lyon aktiv: Karim Benzema. Der wäre wenig später um ein Haar zu Barca gewechselt. Dass der Transfer doch scheiterte, hatte allerdings keine sportlichen Gründe.

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Wann Benzema Sportdirektor Txiki Begiristain erstmals als veritable Option für die Abteilung Attacke des großen FC Barcelona erschien? Vielleicht am 19. September 2007, als der erst 19-Jährige 75 Minuten lang für die Lyonnais gegen Barca stürmte, im ersten Spiel der Champions-League-Gruppenphase.

Definitiv aber im April des darauffolgenden Jahres, als Begiristain den Flieger nach Lyon bestieg, um Benzema noch einmal persönlich in Augenschein zu nehmen. Der war auf dem besten Wege, Lyon zur Meisterschaft und zum Pokalsieg zu schießen und zum Spieler des Jahres in der Ligue 1 gewählt zu werden - und tatsächlich, an diesem 15 April, gewann Olympique sein Pokal-Viertelfinale gegen den FC Metz mit 1:0. Das Tor des Tages erzielte Karim Benzema.

2008: Benzema soll Samuel Eto'o beim FC Barcelona ersetzen

Keinen Monat später sollte Begiristain den jungen Pep Guardiola als neuen Trainer der Blaugrana vorstellen, und der benötigte dringende Verstärkung im Sturm: Das Verhältnis der beiden Stars Ronaldinho und Samuel Eto'o war irreparabel zerrüttet, also sollte ein Ersatz für den Kameruner her.

Die Berichte der Barca-Scouts über Benzemas fußballerische Qualitäten waren allesamt positiv, das Verhältnis mit Lyons Präsident Jean Michel Aulas ebenfalls gut. Einen möglichen Transfer hatte man bereits ausgehandelt. Für die damals noch veritable Summe von 30 Millionen Euro sollte Benzema in die katalanische Metropole wechseln und an der Seite von Ronaldinho und Lionel Messi den Stoßstürmer geben, sagt die spanische AS.

Es waren große Fußstapfen, in die der junge Angreifer treten sollte, aber hatte er in Lyon nicht auch die Abgänge von Florent Malouda, Eric Abidal und Sylvain Wiltord vergessen gemacht? 20 Tore und zehn Vorlagen sollte Benzema in der Saison 2007/08 erzielen, sein herausragendes Talent war unbestritten. Und der verhasste Rivale Real Madrid war dabei, Barca in der Liga zu distanzieren: Neun Punkte betrug der Rückstand zu diesem Zeitpunkt.

Der Transfer war so gut wie eingetütet, die spanischen Gazetten hatten ohnehin schon lange über den Deal berichtet. Und Benzema selbst waren eindeutige Zitate entlockt worden. "Ich bin sehr glücklich, dass ich einem großen Klub wie Barcelona aufgefallen bin", zitierte ihn die Mundo Deportivo. Und weiter: "Ich würde gerne mal für Barca spielen, wer nicht?"

Zweifel an Benzema: Falsches Umfeld, falsche Freunde?

Also alles perfekt? In der Führungsetage der Blaugrana waren noch nicht alle überzeugt. Zweifel herrschten vor, allerdings nicht an Benzemas Fähigkeiten auf dem Platz, sondern vielmehr an seiner Eignung abseits des Platzes.

Benzema, Sohn eines algerischen Einwanderers, war mit seinen acht Geschwistern in Bron Terraillon aufgewachsen, einem heruntergekommenen, vor Plattenbaus strotzenden Vorort von Lyon. Eine Banlieue wie viele andere in Frankreich, in die Einwanderer abgeschoben wurden, mit wenigen Wegen heraus, aber vielen Möglichkeiten, auf die schiefe Bahn zu geraten.

Das allein sprach nicht gegen Benzema - wohl aber der Umgang, den er pflegte. Er fühlte sich den Freunden aus seiner Kindheit verpflichtet, selbst dann, wenn ihr Einfluss auf ihn nicht nur positiver Natur war. Im Alter von 15 Jahren hatte ihn Lyon in das klubeigene Jugendinternat gesteckt. "Der Klub wollte ihn von seinem Milieu isolieren, ihn beschützen", erklärte Robert Valette, Benzemas Trainer in Lyons zweiter Mannschaft, gegenüber Bleacher Report. Doch mit 18 musste Benzema dort ausziehen - und ging zurück ins Ghetto. "Er hat viel Geld verdient, aber seine alten Freunde waren immer noch da. Er hat sich nie von ihnen gelöst", sagt Valette.

Wie einst Nicholas Anelka: Passt Benzema zu Barcelona?

Fraglich war auch, wie Benzema als Persönlichkeit nach Barcelona passen und sich an das neue Leben dort anpassen würde. War er zu schüchtern, zu introvertiert für einen der größten Klubs der Welt? Ein abschreckendes Beispiel war Nicolas Anelka, der die Saison 99/00 bei Real als Einzelgänger verbracht und den Klub prompt wieder verlassen hatte.

Also setzte sich Txiki Begiristain erneut in den Flieger. Er wollte sich selbst ein Bild machen und besuchte Benzema, diesmal allerdings nicht im Stadion, sondern in Bron Terraillon, bei dessen Familie, in dessen Umfeld.

Dort sollen sich auch beim Sportdirektor Zweifel geregt haben. "Er kam zum Schluss, dass sich Benzema nicht so einfach an das Leben im Camp Nou anpassen würde und seine Entourage ein Problem war", schreibt Santi Gimenez von der AS. Laut Marca hat Begiristain auch das persönliche Gespräch mit Benzema abgeschreckt: Er habe nur einsilbige Antworten gegeben und Augenkontakt vermieden.

Ähnliche Erfahrungen sollte Jahre später auch Nationaltrainer Raymond Domenech machen: Benzema sei ein netter Junge, aber "er hat immer nur genickt und nach unten geschaut. Man musste ihm alles aus der Nase ziehen. Wenn du mit Karim in einem Raum wärst, könntest du zwei Jahre warten und er würde immer noch nicht mit dir sprechen." Stattdessen habe Benzemas Berater Djaziri das Gespräch gesteuert. "Er hängt nur mit seinen Freunden aus Bron herum, verbringt das Wochende dort, wann immer er kann. Er müsste auf eigenen Füßen stehen, aber er ist glücklich, so wie es ist."

Karim Benzemas Bilanz bei Real Madrid

Spiele451
Tore211
Vorlagen120

Barcelona sagt Karim Benzema ab - Real Madrid nicht

Begiristain kehrte nach Barcelona zurück und konsultierte Trainer Frank Rijkaard. Dann fiel die Entscheidung: Es passt nicht. Ersterer informierte Lyon, dass man den Deal würde platzen lassen.

Die offizielle Version fiel natürlich etwas anders aus. "Wir haben mehrfach versucht, ihn zu verpflichten, aber es war nicht möglich", sagte Begiristain gegenüber der offiziellen Homepage der Ligue 1 im Oktober des gleichen Jahres. "Er wollte diesen Sommer in Lyon bleiben. Wir werden aber definitiv in Kontakt bleiben, so dass er weiß, dass wir ihn wollen." Und: "Am Ende ist es seine Entscheidung."

Ein Jahr später schlug der nächste Vertreter eines spanischen Topklubs in der Wohnung von Benzemas Eltern in Bron Terraillon auf. Im Gegensatz zu Begiristain ließ sich Real Madrids Präsident Florentino Perez jedoch nicht abschrecken: Im Sommer 2009 wechselte Karim Benzema für 35 Millionen zu den Königlichen.

Ein Deal, den Real so nicht bereut hat. Auch wenn sich die Befürchtungen der Katalanen bewahrheiteten und Benzema über die Jahre in mehrere Skandale verwickelt war: Seiner sportlichen Leistung tat dies keinen Abbruch. Erst vor wenigen Tagen absolvierte er sein 450. Spiel im Real-Trikot. Und für Perez, der ihn einst holte und auch in Schwächephasen an ihm festhielt, "zeigt die Realität doch ganz deutlich, dass Karim Benzema der beste Stürmer der Welt ist."

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