Manuel Akanji beim BVB: Der erste echte Abwehrchef seit Mats Hummels

Manuel Akanji genießt das Vertrauen von BVB-Trainer Lucien Favre.
© getty

Manuel Akanji ist Lucien Favres Innenverteidiger Nummer eins. Steht der Schweizer zur Verfügung, spielt er. So wohl auch im Champions-League-Spiel gegen Monaco (21 Uhr live auf DAZN). Der Status des 23-Jährigen innerhalb der Mannschaft erinnert an den eines gewissen Mats Hummels vor acht Jahren.

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"Als Stammspieler hat man Ansehen, genießt einen gewissen Status, darf auch was sagen." Ein zotteliger 21-Jähriger meldete im Interview mit Der Westen erste Ansprüche an eine Führungsrolle beim BVB an.

Acht Jahre später tut ihm das ein 23 Jahre alter Schweizer gleich, ganz ohne zottelige Frisur: "Ich versuche hier schon eine gewisse Position einzunehmen. Ich rede viel mit meinen Mitspielern und ergreife auch mal in der Kabine das Wort."

Sowohl Hummels als auch Akanji wurden früh in ihrer Entwicklung ins kalte Wasser geworfen und bekamen beim BVB als junge Spieler die Verantwortung aufgeschultert, eine Viererkette anzuleiten.

Neben Abdou Diallo (22 Jahre) oder wahlweise Dan-Axel Zagadou (19 Jahre) ist Akanji noch der Älteste der neu formierten BVB-Defensive. Bisweilen war vom Kinderriegel 2.0 die Rede, angelehnt an das IV-Duo Hummels/Subotic, das Jürgen Klopp beim BVB installierte. Akanji ist wie Hummels damals der Abwehrchef dieses Kinderriegels.

Manuel Akanji steht am Anfang seiner Geschichte

Hummels' Geschichte ist hinlänglich bekannt, Akanji hat gerade mal die erste Seite aufgeschlagen. Sie ist weiß.

Im vergangenen Sommer proklamierte Akanji, er sei noch ein Niemand. "Wenn ich deutscher Meister werde, habe ich wirklich etwas erreicht", sagte er jüngst in der Neuen Züricher Zeitung. Auch wenn der Weg bis zur großen Feier auf dem Borsigplatz in Dortmund noch ellenlang ist, befindet sich der BVB aktuell auf dem besten Wege dahin. Auch dank Akanji. Es wäre ein toller Beginn seiner Geschichte.

Der Schweizer ist unumstrittene Stammkraft in der Defensive der Borussia. In dieser Saison fehlte er in drei Partien verletzungsbedingt. Ansonsten stand Akanji jede Pflichtspielsekunde auf dem Platz. "Ich bin sehr glücklich über das Vertrauen des Trainers und auch der Mitspieler", sagt er.

Akanji - der erste echte Abwehrchef seit Hummels

Das verwundert nicht angesichts der konstant guten Leistungen, die Akanji abruft. Er erweckt den Eindruck, der erste echte Abwehrchef seit dem Wechsel von Hummels zum FC Bayern 2016 zu sein.

Seitdem verpflichtete der BVB fünf Innenverteidiger. Keiner konnte in die zugegebenermaßen großen Fußstapfen des Weltmeisters treten. Welche Attribute muss ein Abwehrchef eines europäischen Top-Klubs mitbringen? Konstanz, beispielhafte und dominante Körpersprache, taktisches und technisches Talent, Führungsqualität.

Sokratis füllte die Rolle des Abwehrchefs noch am ehesten aus. Er ging vor allem durch sein rigoroses Zweikampfverhalten mit Beispiel voran, doch auch er stellte nicht das Gesamtpaket dar, nach dem sich der BVB sehnte. Ebenso wenig wie Ömer Toprak oder Marc Bartra.

Akanji aber vereint all diese Attribute. "Ich versuche der Mannschaft von hinten bis nach vorne Sicherheit zu geben", sagte Akanji und das gelingt ihm mit zunehmender Dauer immer besser.

Die beeindruckende Saisonbilanz von Manuel Akanji

Passquote92,7 Prozent
Passquote gegn. Hälfte86,7 Prozent
Zweikampfquote66,1 Prozent
Luftzweikampfquote64,3 Prozent
Ballsicherungen pro Spiel5,1
Klärende Aktionen pro Spiel4,1

Akanji: "Ich muss mehr coachen als früher"

Es hilft natürlich, dass sich der Schweizer voll und ganz mit der Spielidee seines Trainers identifizieren kann. "Wir spielen wieder mehr als vorher. Früher hatte ich manchmal das Gefühl, wir hätten vor allem gekämpft und dagegen gehalten. Jetzt versuchen wir, einen gepflegten Fußball mit viel Ballbesitz zu spielen", erklärte Akanji der NZZ.

Die Passivität im Spiel gegen den Ball hat Favre zwar ein Stück weit von Peter Stöger übernommen, legt sie im eigenen Drittel aber anders aus - zu Gunsten der Freiräume im Umschaltspiel. Der BVB verteidigt zwar tief, aber dann sehr aktiv und aggressiv.
Dortmund lässt den Gegner relativ nah ans eigene Tor.

Umso wichtiger ist das Defensivverhalten der Viererkette sowie der beiden Sechser. Es bedarf einer Menge an Koordination. Akanji fungiert hier als verlängerter Arm von Favre. "Ich muss mehr coachen als früher", meint Akanji.

Das erfordert teilweise gar mehr als nur Fußballverstand: "Mit Schmelle, Jeremy und Lukasz spreche ich deutsch, mit Abdou, Zaga und Guerreiro französisch und mit Achraf englisch."

Dortmunds Kinderriegel 2.0 überzeugt auch international

Das klappt immer besser. Obwohl es noch Luft nach oben gibt, stellt der BVB mit 14 Gegentreffern bisher die zweitbeste Defensive der Bundesliga. Nur RB Leipzig kassierte ein Tor weniger. In der Königsklasse sind die vier Weißen Westen gar geteilter Bestwert mit dem Abwehrbollwerk von Juventus Turin.

Nur beim kollektiv eher schwachen Auftritt bei Atletico musste Roman Bürki zwei Mal hinter sich greifen. Der Kinderriegel 2.0 beweist sich auch auf internationaler Bühne und zeigt kaum Anpassungsschwierigkeiten. Akanji schon gar nicht.

Dessen CL-Statistiken lesen sich sogar noch besser als in der Bundesliga. Der junge Schweizer gewinnt sagenhafte 81,5 Prozent seiner Zweikämpfe und bringt über 95 Prozent seiner Pässe an den Mann. Nur jedes 20. Anspiel landet beim Gegner.

Akanji traut sich schnelle Entwicklung zu

Akanjis Entwicklung ist rasant. Das war sie schon vor seiner Ankunft beim BVB. Noch vor drei Jahren kickte er beim FC Winterthur in der zweiten Schweizer Liga. Wenn es nach Akanji geht, kann es ruhig in diesem Tempo weitergehen.

"Ich habe viel Selbstvertrauen, ich traue mir auch zu, dass es gleich schnell weitergeht", sagte er der NZZ. Dass der BVB sich daran ergötzen darf, ist wie so häufig bei jungen Talenten nicht sicher. Noch hat Akanji einen Vertrag bis 2022.

Ein Wechsel sei "momentan kein Thema". Dass Akanjis Langzeitziel aber Manchester United heißt, daraus macht er keinen Hehl.

Aus BVB-Sicht darf Akanji aber vorerst wohl gerne Hummels' Weg weitergehen. Der blieb immerhin achteinhalb Jahre bei der Borussia.

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