Mauro Icardi: Wie er einst beim FC Barcelona scheiterte - und bei Inter durchstartete

Von Dennis Melzer
Mauro Icardi konnte sich beim FC Barcelona nicht durchsetzen.
© getty

Mauro Icardi trifft am 4. Spieltag der Champions League mit Inter Mailand auf den FC Barcelona (21 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER). Er bekommt es mit dem Klub zu tun, der ihn erst ausbildete und später nicht mehr gebrauchen konnte.

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Schlaksig und hochaufgeschossen überragt der Junge mit der Nummer neun auf dem Trikot nicht wenige seiner Mit- und Gegenspieler um einen halben Kopf. Ein entscheidender körperlicher Vorteil für einen Angreifer, der seinen Job konservativ auslegt. Kein Wunder, dass die Kompilation, die Mauro Icardi beim Toreschießen zeigt, hauptsächlich aus Treffern besteht, die per Kopf erzielt werden. Hochgeladen wurde das Video bei Twitter vom FC Barcelona im Vorfeld des Champions-League-Duells mit Inter Mailand. Der schlichte, aber prägnante Titel: Icardis La-Masia-Tore.

Ja, Icardi, heutiger Kapitän und Superstar der Nerazzurri wurde tatsächlich in der legendären Talentschmiede der Blaugrana ausgebildet. Der Durchbruch gelang dort allerdings nicht. SPOX und Goal hat mit zwei ehemaligen Mitspielern des Argentiniers und dem Journalisten Jaume Marcet, der Icardi häufig für die Jugendmannschaft Barcas spielen sah, gesprochen, um mehr über die Gründe zu erfahren, warum die Katalanen ihren verheißungsvollen Rohdiamanten im Jahr 2011 für eine Spottablöse von 300.000 Euro zu Sampdoria Genua ziehen ließen.

Icardis Werdegang liest sich wie eine Fußballerlaufbahn aus dem Bilderbuch. Im Februar 1993 wurde er in der argentinischen Millionenstadt Rosario, ebenjener Metropole, die spätere Größen wie Ezequiel Garay, Angel Correa oder Angel di Maria hervorbrachte, geboren. Auch Lionel Messi, Fünffach-Weltfußballer und Ikone einer ganzen Generation, erblickte dort das Licht der Welt. Aufgrund finanzieller Probleme zog die Familie zu Beginn des neuen Jahrtausends nach Spanien. Genauer gesagt, nach Santa Lucia de Tirajana auf Gran Canaria. Die ersten fußballerischen Gehversuche machte er beim hiesigen Verein UD Vecindario, für den er in der Jugend insgesamt fast 400 Tore erzielte.

Herausragende Zahlen, die von der Kanareninsel aufs Festland, genauer gesagt nach Barcelona, schwappten. Die Katalanen ließen Icardi beobachten und befanden ihn letztlich für talentiert genug, um ihm einen Werdegang in La Masia zu ermöglichen. "Es gab nicht viele Generationen in La Masia, die so eingeschworen waren wie wir damals", erinnert sich Ivan Balliu, mittlerweile in Diensten des französischen Zweitligisten FC Metz. Er ergänzt: "Wir haben einige Wochen zusammen auf Ibiza verbracht. Es war eine gesunde Konkurrenzsituation. Sie haben uns sehr viele Möglichkeiten eingeräumt."

Ex-Mitspieler Oriol Romeu: "Er war ständig von seiner Familie umgeben"

Icardi fand bei seiner Ankunft in Barcelona ein familiäres Umfeld vor, hatte allerdings mit Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen. Das lassen zumindest Aussagen Oriol Romeus vermuten, der zu ebenjener Zeit in Barcas Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet wurde. "Er war ständig von seiner Familie umgeben", sagt der Mittelfeldmann, der derzeit beim FC Southampton unter Vertrag steht. "Er hatte kaum Kontakt zu uns." Er selber verließ Barcelona - wie Icardi - im Jahr 2011, um sich dem FC Chelsea anzuschließen. Deutschen Fußballfans dürfte er noch aus seiner Zeit beim VfB Stuttgart Begriff sein. Bei den Schwaben spielte der Mittelfeldspieler von 2014 bis 2015 auf Leihbasis.

"Wir haben uns seitdem ein paar Mal getroffen und dann immer über Barcelona gesprochen", verrät Romeu. Ob die beiden sich über die Gründe unterhielten, warum es jeweils nicht ganz gereicht hatte, ist nicht übermittelt. In Icardis Fall versuchen seine Wegbegleiter jedenfalls Aufschluss zu geben.

"Er hatte nicht dieses vielschichtige Profil wie viele andere Stürmer, die in La Masia kickten", sagt Balliu. "Aber er verstand es perfekt, den Ball zu halten und er hatte einen großartigen Abschluss. Er war gut darin, Bälle prallen zu lassen und er lieferte sich körperbetonte Zweikämpfe mit den Innenverteidigern des Gegners." Fähigkeiten eines klassischen Angreifers, die aber "nicht exakt in Barcas Modell passten", weiß der albanische Nationalspieler.

Journalist Mercet, der - wie bereits angedeutet - Icardis Weg in La Masia begleitete, erklärt: "Icardi war der Prototyp des Strafraumstürmers, eiskalt vor dem Tor und mit großartigem Kopfballspiel gesegnet. Das unterschied ihn damals von vielen anderen Spielern. Er beteiligte sich nicht am Aufbauspiel. Er zog es vor isoliert zu agieren." Nichtsdestotrotz sei der Goalgetter "einer der besten Spieler" gewesen, die Mercet in La Masia jemals beobachtete.

Pep Guardiola, Lionel Messi und die falsche Neun

Trotz tatsächlich guter Torquote sollte Icardi in Barcelona nicht zum neuen Hoffnungsträger avancieren. Der Grund: Pep Guardiola, Trainer der ersten Mannschaft, stellte sein System in Icardis zweitem Jahr um, machte Messi zum mitspielenden, zum kreativen Mann an vorderster Front. Eine Position, die nur noch auf dem Papier als "Mittelstürmer" deklariert wurde. Die falsche Neun war fortan in aller Munde, obwohl schon andere Übungsleiter in der Fußballgeschichte auf ein ähnliches Modell gesetzt hatten. Die logische Konsequenz in einem Klub, der seine Jugendspieler bestmöglich auf dem Weg in den Profikader begleiten möchte, war, dass auch die U-Mannschaften plötzlich auf das System, das ohne typischen Strafraumangreifer auskommt, setzten.

"Icardi schien sich in dieser Spielphilosophie nicht wirklich wohl zu fühlen. Er hatte keine Verbindung zwischen den Linien und ließ sich nicht zurückfallen. Er wirkte statisch, obwohl Flexibilität gefordert war. Flexibilität, die er einfach nicht besaß", sagt Mercet. Die Coaches verlangten, "dass er Bälle im Zentrum forderte und mehr Facetten anbot. Dinge, die nicht nur mit dem Torabschluss zu tun hatten. Er war vielleicht nicht darauf vorbereitet, diese Aufgaben zu erfüllen, weil er nun einmal mit anderen Qualitäten glänzte."

Qualitäten, die bei Sampdoria und später bei Inter besser ankamen als bei Tiki-Taka-Barca. Wie es ist, nicht ins Guardiola'sche System zu passen, weiß auch ein gewisser Zlatan Ibrahimovic, der Barcelona im Jahr 2011 nach zwei mäßigen Jahren wieder verließ, ebenfalls nach Italien wechselte.

Die Nummer neun trägt Icardi in Mailand immer noch, wie einst beim FC Barcelona. Als er, der schlaksige, hochaufgeschossene Junge seine Mit- und Gegenspieler um einen halben Kopf überragte. Wachstumstechnisch hat er irgendwann eingebüßt, misst nun durchschnittliche 1,81 Meter.

Spielerisch sticht der Nationalspieler allerdings derart heraus, dass angeblich sämtliche Schwergewichte Europas um seine Gunst buhlen, mittlerweile utopische Ablösesummen im Raum stehen. Er wäre für viele wohl die richtige Nummer neun.

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